Kreuztal. Erst abends essen, tagsüber nicht essen oder trinken, fünf Mal beten – für Muslime eine religiöse Pflicht, für manche Arbeitgeber ein Problem.

Erst abends essen, mitten in der Nacht erneut essen und trinken, um für den Tag gestärkt zu sein – so ungefähr läuft das muslimische Fasten ab. Einen Kaffee trinken zum wach werden geht im Ramadan nicht so einfach für Gläubige, denn viele Muslime fasten dann. Von der Morgendämmerung bis Sonnenuntergang verzichten sie aufs Essen und Trinken – auch auf Wasser.

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Abdallah El Meligey wohnt mit seiner Frau und seinen vier Kindern in Kreuztal. Der Familienvater ist gelernter Wirtschaftsingenieur und arbeitet als Berufschullehrer Fachrichtung Maschinenbau in Siegen. Sein zweites Staatsexamen hat er gerade erfolgreich abgeschlossen. Durch das Fasten werde er disziplinierter und fühle sich näher zu Gott und zu den Menschen auf der Welt. Das Fasten mache ihn zudem dankbarer. Jeden Abend sitzt er mit seiner Familie am Tisch und schätzt alles, was er hat, umso mehr.

Kreuztal: Wann Jugendliche an Ramadan teilnehmen, entscheidet die Pubertät

Einen Monat vor Ramadan fastet Abdallah El Meligey freiwillig. „Dann fasten wir beispielsweise zwei Mal in der Woche, um die Lebensweise des Propheten Mohammad nachzuahmen.“ El Meligeys Kinder werden an das Fasten in ihrer Erziehung herangeführt. „Kinder lernen sehr viel durch Nachahmung, sie sehen ja, wie die Eltern fasten von klein auf und möchten es dann auch. Meine Kinder freuen sich auf das Fasten, sie lieben den Monat Ramadan.“

Religion muss man fühlen und erleben. In diesem Zusammenhang laden die muslimischen Gemeinden in Siegen beispielsweise zum Fastenbrechen ein und fördern auf diesem Wege den Dialog.
Abdallah El Meligey - Berufskolleglehrer in Siegen

„Er ist für sie im Empfinden etwas ganz Besonderes. Gestern noch sagte meine elfjährige Tochter ‚Papa,ich liebe den Ramadan‘“. Das Fasten mache keinen Unterschied für ihn oder seine Kinder aus. Mit der „körperlichen Vorbereitung“ gehe auch eine spirituelle Vorbereitung einher, erzählt El Meligey. „Die Muslime versuchen in den Ramadan zu starten, indem sie ihre Beziehungen pflegen, gegenseitig vergeben, Fehler verzeihen, Streit schlichten, die Verwandtschaftsbande pflegen, ihre Sünden bereuen.“

Kreuztal: Frauen und Männer beten getrennt, das besagt der Koran

Der Berufskolleglehrer hat insgesamt vier Kinder im Alter von einem Jahr, elf, 14 und 17 Jahren. Es ist kein bestimmtes Alter für das Fasten vorgesehen. Als Richtwert gilt „das Erreichen der Pubertät“, sagt El Meligey. „Das heißt zum Beispiel bei Frauen, wenn die Menstruation einsetzt, bei Männern, wenn sie in den Stimmbruch kommen.“ Das Fasten ist eine der fünf Säulen des Islams, die verpflichtend für Muslime sind. „Wer auf der Reise ist oder aber krank ist, der braucht nicht zu fasten, muss diese Tage aber nachholen.“ Die Fastenzeit fordere jeden anders heraus, sagt Abdallah El Meligey. „Das Fasten ist eine religiöse Pflicht für einen jeden Muslim, der die Pubertät erreicht hat, im Besitz seines Verstandes ist, gesundheitlich in der Lage dazu ist und keinen Hinderungsgrund besitzt.“ Mit seinem Beruf als Lehrer lasse sich die Ramadan-Zeit gut bewältigen. „Wir haben insgesamt fünf Gebetszeiten über den Tag verteilt. Die erste um halb fünf morgens, dann halb eins, vier Uhr nachmittags, sieben Uhr abends und halb neun abends.“

Zum Beten geht er entweder in die Moschee nach Kreuztal oder nach Siegen-Weidenau. „Das Gebet in der Moschee, in der Gemeinschaft, hat mehr Belohnung. Generell kann man zu Hause beten, wird auch meistens gemacht, da der Tagesablauf es in der Regel gar nicht möglich macht, fünf Gebete in der Moschee zu verrichten.“

In den Räumen des Berufskollegs Technik und Wirtschaft & Verwaltung gäbe es noch keinen Ruhe- oder Gebetsraum, sagt Abdallah El Meligey. „Die Schüler des Berufskolleg Technik haben schon eine Anfrage bezüglich einem Gebetsraum bzw. Raum der Stille gestellt. Schülerinnen und Schüler des Berufskolleg Wirtschaft und Verwaltung haben mich auch schon diesbezüglich angesprochen.“

Kreuztal: „Viele trauen sich nicht ihren Arbeitgeber anzusprechen“

In Deutschland ist das muslimische Fasten mittlerweile zwar bekannter als früher. Trotzdem merkt Abdallah El Meligey, dass in der Gesellschaft oder bei Arbeitgebern noch wenig Verständnis für die Gebetszeiten herrscht. „Ein Freund erzählte mir, dass es in der Maschinenhalle sowieso ja keine Möglichkeit gebe, zu beten. Wenn man aber nach einer Gebetspause fragen würde, wird die Stirn gerunzelt. Raucherpausen sind dafür aber erlaubt. Es ist ja auch kein Problem für uns, auszustempeln.“ Doch viele Mitarbeitende trauen sich nicht, etwas zu sagen, sagt Abdallah El Meligey.

Der Familienvater betont, wie wichtig es sei, über den muslimischen Glauben zu informieren, damit Ängste abgebaut werden und der negativen medialen Berichterstattung entgegengewirkt wird. Doch das Informieren über das Thema reiche nicht aus. „Religion muss man fühlen und erleben. In diesem Zusammenhang laden die muslimischen Gemeinden in Siegen beispielsweise zum Fastenbrechen ein und fördern auf diesem Wege den Dialog“, sagt Abdallah El Meligey. „Wir wünschen uns mehr Offenheit zu dem Thema.“

Gebetszeit bei der Islamischen Gemeinde in der Daimlerstraße in Siegen.
Gebetszeit bei der Islamischen Gemeinde in der Daimlerstraße in Siegen. © Westfalenpost | Ronja Afflerbach

In den Gebetsräumen in Siegen-Weidenau gibt es jeweils einen Gebetsraum für Männer und einen für Frauen. Das Fastenbrechen wird auch in der Moschee getrennt zelebriert, erzählt der Berufskolleglehrer. Fasten ist eine im Koran verankerte muslimische Pflicht, die zu den fünf Grundpfeilern des Islam zählt. Deshalb habe es eine besondere religiöse Bedeutung, sagt El Meligey. Der Ramadan ist der neunte Monat des islamischen Mondkalenders. 29 bis 30 Tage sollen Muslime von Tagesanbruch bis zum Sonnenuntergang auf Essen, Trinken, Rauchen und Sex verzichten.

Kreuztal: Fastenbrechen traditionell mit Dattel und Milch

Traditionell gebrochen wird die Fastenzeit mit einer Dattel und einem Glas Milch. Danach folgen ein Gebet und das festliche Iftar-Mahl. „In den Medien wird immer von einem riesigem Festmahl erzählt. Dies ist aber garnicht der Fall. Wir essen abends eine ganz normale Portion. Das wird vom Propheten empfohlen. Im Koran steht, man sollte Maß einhalten und nicht verschwenderisch sein.“ Wie viele Gläubige auf der ganzen Welt beschäftigt sich Abdallah El Meligey viel mit dem Koran zur Ramadan-Zeit. „Das nimmt viel Zeit in Anspruch.“ In der Moschee wird der Koran in den 30 Tagen komplett gelesen, erzählt Imam Abdelmaoula Tamou. Aber auch die Gedanken an Menschen im Krieg sind Teil der täglichen Gebete. „Zur Ramadan-Zeit wird sehr viel gespendet“, erzählt Vorstandsmitglied Mohamed Harmach.

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Was ist anders in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern, in denen Ramadan gefeiert wird? „Es gibt große Tischmahle in den Städten, wo allen Bedürftigen Zugang gegeben wird, dass sie speisen können. Die Atmosphäre ist eine andere, da die große Mehrheit fastet. Wir wünschen uns, dass ein Verständnis für die muslimischen Pflichten in der Gesellschaft entwickelt wird und der Glaube nicht fremdbestimmt, indem zum Beispiel immer wieder in Schulen den Muslimen gesagt wird, das sie nicht fasten dürfen, es gesundheitsschädlich sei.“