Siegen-Wittgenstein. Von wegen einfach streichen: „Man hätte ja mal fragen können“, schimpfen die anderen über die sechs Fraktionen. Bluten müssen dafür nun andere.

Die Sparbeschlüsse des Kreistags stoßen auf Grenzen – jenseits allen Ärgers darüber. Die Kürzung von 50.000 Euro im Bürger- und Ehrenamtsservice ist ebenso wenig umsetzbar wie die Streichung des 100.000-Euro Zuschusses an die Wohlfahrtsverbände.

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Abgesagt: Erste Auswirkungen auf das Ehrenamt in Siegen-Wittgenstein

Die im Ehrenamtsservice eingesetzte Mitarbeiterin muss weiterbeschäftigt werden, der für diesen Bereich angesetzt Personalkostenanteil fällt also an, erklärt die Verwaltung in ihrer Vorlage für den Kreistag. Ihre Dienstleistungen wurden zu 100 Prozent vom Land finanziert, durch die Streichung der Aufgabe spart der Kreis also nichts. Ob der Kreis aus der Verleihung der landesweiten Ehrenamtskarte ausstiegen kann oder die Mitgliedschaft im NRW-Kommunennetzwerk für das Ehrenamt überhaupt kündigen kann, ist ungeklärt. Umsetzbar ist der Sparbeschluss im Seminarprogramm. Zwei Seminare für Ehrenamtliche wurden bereits gestrichen.

Man hätte ja im Vorfeld mal fragen können.
Julian Maletz, SPD

Es sei nicht Absicht gewesen, das Arbeitsgebiet ganz zu streichen, erklären die Grünen in ihrem Antrag, im Juni neu zu beraten. Landrat Andreas Müller fordert, „zumindest eine Klärung herbeizuführen“. Außerplanmäßig werden nun also 7500 Euro bereitgestellt, um zumindest die weiteren, bis Jahresmitte geplanten Seminare nicht absagen zu müssen. „Wenn ihr schon so ein Zeug macht, dann steht auch dazu“, schimpft Ullrich Georgi (Linke) in Richtung der sechs Fraktionen, die die Sparbeschlüsse im Februar durchgesetzt haben, „das Kind ist in den Brunnen gefallen.“ Es zeige sich, dass die Fraktionen sich über die Folgen ihrer Anträge nicht im Klaren gewesen seien. „Man hätte ja im Vorfeld mal fragen können“, findet Julian Maletz (SPD).

Siegen-Wittgenstein: Soziale Projekte und „Leben und Wohnen im Alter“ müssen bluten

Einfacher verhält es sich mit den 100.000 Euro für die Wohlfahrtverbände. Die muss der Kreis zahlen, weil er dazu vertraglich verpflichtet ist und frühestens 2026 aus dem Vertrag herauskommt. Weil der Kreis 350.000 Euro behalten darf, die das Land zu viel an „Integrationspauschalen“ für Kinder mit Förderbedarf überwiesen hat, die Regelschulen besuchen, ist Geld übrig. 80.000 Euro davon nehmen und 20.000 Euro aus dem Budget, mit dem Projekte von Vereinen gefördert werden, schlägt der Landrat vor und trifft auf Widerspruch.

Richter abgelehnt

Die Wahl der ehrenamtlichen Richter beim Verwaltungsgericht Arnsberg und beim Oberverwaltungsgericht hat sich im Kreistag zum Hindernislauf entwickelt. Keine Probleme gab es bei den je zehn Vorschlägen von CDU und SPD, den fünf der Grünem und je einem von FDP, SWM und UWG.

Dagegen verfehlten Roland Steffe (AfD), Ullrich Georg (Linke) und Michael Schwarzer (Wir Bürger) die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit. Da der Kreis 31 Richter für das Verwaltungsgericht benennen muss, wurde weiter abgestimmt. Nachdem auch Martin Schwarzer (Wir Bürger)und Nicole Schöppner (SPD) abgelehnt wurden, wurden schließlich Ulrich Schmidt-Kalteich (Grüne), Peter Handke (FDP) und Hartmut Steuber (CDU) gewählt.

Denn damit wären zum Beispiel Projekte für Hörbeeinträchtigte, für Blinde und Sehbehinderte, für Betroffene von sexualisierter Gewalt gefährdet, die im vorigen Jahr aus diesem Haushaltsposten bezahlt wurden. „Das wäre eine weitere Kürzung, die wir gar nicht beantragt haben“, sagt Meike Menn (Grüne). Die Verwendung der übrig gebliebenen Integrationspauschale wäre keine echte Ersparnis, wendet Guido Müller (FDP) ein: „Ein Taschenspielertrick.“

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Nun geht es hin und her. Mit 23 gegen 23 Stimmen wird der Vorschlag der Verwaltung abgelehnt; Landrat Andreas Müller selbst nimmt an der Abstimmung nicht teil. Mit Mehrheit abgelehnt wird ein Vorschlag von Ullrich Georgi (Linke), nicht die sozialen Projekte, sondern „Leben und Wohnen im Alter“ bluten zu lassen. Andreas Müller warnt: Wenn der Kreistag die 100.000 Euro jetzt einfach wieder zusätzlich beschließt, „muss ich den Beschluss beanstanden.“ Es kommt zur Sitzungsunterbrechung, danach zu einer Mehrheit gegen die Stimmen der SPD: 50.000 Euro werden von dem Integrationsgeld genommen, 40.000 von Leben und Wohnen im Alter, 10.000 von den sozialen Projekten.

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Kreistag Siegen-Wittgenstein kassiert Förderung für offene Jugendarbeit

Im Licht der Sparpolitik kassiert der Kreistag die gerade vom Jugendhilfeausschuss beschlossenen neuen Richtlinien zur Förderung der offenen Kinder- und Jugendarbeit. Danach wäre mehr mit Pauschalen, Förderungen auch über ein Jahr hinweg und höheren Kostenerstattungen gearbeitet worden. „Das geht in die falsche Richtung“, sagt Hermann-Josef Droege (CDU).

Kreisdirektor

Die Stelle des Kreisdirektors soll „möglichst schnell“ neu ausgeschrieben werden, fordert CDU-Fraktionschef Hermann-Josef Droege. Der Kreisausschuss wird nun in seiner Sitzung am 27. April erneut beschließen, nachdem sich in der ersten Runde keine Bewerberinnen oder Bewerber gefunden hatten, die von einer Mehrheit gewählt worden wären. Julian Maletz (SPD) plädierte für einen größeren zeitlichen Abstand. „Das suggeriert, als könnte man sich jemanden aus dem Hut zaubern.“ Die Verwaltung hatte eine Neuausschreibung „zu einem späteren Zeitpunkt“ empfohlen.

Kreisdirektor und Kämmerer Thomas Damm scheidet mit dem Ende seiner Amtszeit am 30. April aus dem Dienst aus. Allgemeiner Vertreter des Landrats wird dann Dezernent Tobias Wein.

„Wir wollen Kostentransparenz“, fordert Hans Günter Bertelmann (UWG). Die sei auch gegeben, wendet Sozialdezernent Thomas Wüst ein: Ausgezahlt werde nur die Erstattung für das, was die Träger auch nachweisen. Mit 22 gegen 20 Stimmen gibt der Kreistag die Richtlinien zurück an den Jugendhilfeausschuss. Die Gegenstimmen kommen von SPD, Linken und AfD, die Grünen enthalten sich.

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Personalrat über Kreistag Siegen-Wittgenstein verärgert

Mit Schweigen übergangen wird die Stellungnahme des Personalrates zur Verweigerung zusätzlicher Stellen in der Verwaltung. „Es entsteht der Eindruck, dass die Arbeit der Beschäftigten der Kreisverwaltung nicht wahrgenommen wird“, heißt es darin, „die bestehenden Belastungen und etliche Überlastungsanzeigen verpuffen ungehört.“ Für die „bereits strapazierten Kollegen in den einzelnen Arbeitsbereichen“ komme es nun „zu weiteren Überlastungen, welche in letzter Konsequenz massiven Einfluss auf die Gesundheit haben werden“. Angesichts zunehmender Schwierigkeiten, „gutes Fachpersonal zu finden und zu binden, stellt sich auch noch die Frage, ob der Abbau von familienfreundlichen Maßnahmen wie der Großtagespflegestelle für die Kinder der Kreisbeschäftigten ein sinnvoller Schritt ist“.

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