Siegen. Die Friedensgruppe Siegen hat am Samstag eine Gedenkveranstaltung organisiert. Ukrainer Kirill Perstenkov (19) hielt eine Rede.
Zerstörte Schulen, verzweifelte und flüchtende Menschen, weinende Kinder: Es sind bedrückende Bilder, die der Siegener Student Kirill Perstenkov (19) vom 24. Februar 2022 immer noch vor Augen hat. Er kann sich noch genau daran erinnern, wie er in Siegen von dem russischen Angriff auf seine Heimat hörte. Mittlerweile sind einige Kriegsbilder dazu gekommen, die bleiben.
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Der 19-Jährige verfolgt täglich die aktuelle Nachrichtenlage. Seine Freunde, die sich noch in der Ukraine aufhalten, schicken Fotos. Seine Heimatstadt Mykolajiw liegt etwa 100 Kilometer von der Grenze zu Russland entfernt. Geschäfte sind geschlossen. Die Sporthalle, in die er dreimal wöchentlich gegangen ist, zerstört. Kirills Schule ist schon seit dem Angriffskrieg geschlossen, die Fenster sind kaputt und mit Holzplatten verdeckt. Was noch steht, ist das Haus seiner Familie.
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Kirills Familie ist mittlerweile in der Schweiz und Frankreich verteilt. Der 19-Jährige ist vor zwei Jahren alleine nach Deutschland gekommen. Probleme, Anschluss zu finden, hatte er nicht. Seit Anfang des Krieges engagiert er sich in der Friedensgruppe Siegen. Kirill kümmert sich vor allem um die Webseite und die Social-Media-Kanäle, organisiert Veranstaltungen wie den Gedenktag oder Freundschaftsfeste. Alles neben dem BWL-Studium. „In einem anderen Land zu studieren, war schon immer mein Traum“, erzählt Kirill. Ende März macht Kirill ein Auslandssemester in Japan. Japanisch kann er zwar noch nicht, aber das lernt er auch noch so nebenher.
Kirill hält Rede bei Gedenkveranstaltung
Diesen Samstag, am zweiten Jahrestag des russischen Angriffskrieges, findet eine Gedenkveranstaltung der Friedensgruppe in Siegen statt. „Mit der Veranstaltung möchten wir das Andenken aller Kriegsopfer und Geflüchteten ehren und Siegen für die bereits geleistete Hilfe danken“, so Kirill. Um 17 Uhr geht es vom Bertramsplatz los, in Richtung Marktplatz. „Dort werden wir um 17.45 Uhr Kerzen anzünden und über den Krieg sprechen.“ Der ukrainische Chor „Glocken UA“ der Friedensgruppe Siegen begleitet die Veranstaltung mit ukrainischen Liedern. Das Motto „Zusammen für die demokratische Zukunft Europas“ ist Kirill sehr wichtig. „Wir möchten genau wie in Deutschland eine demokratische Struktur in unserem Land haben. Das möchten wir am Samstag klarmachen.“ Kirill wird auch eine Rede halten.
Reden am Samstag
Zu der Gedenkveranstaltung am Samstag werden Reden von Theresa Pflogsch, Stadtverordnete der Grünen in Siegen, eines orthodoxen Priesters und des Vorstandes der Friedensgruppe Siegen erwartet. „Bürgermeister Steffen Mues hatte leider keine Zeit“, bedauert Kirill.
Spenden werden weniger
In den letzten zwei Jahren ist einiges passiert, erzählt Kirill. Neben den Chören hat die Friedensgruppe auch einen Samstagsunterricht für ukrainische Kinder am Peter-Paul-Rubens-Gymnasium geschaffen. „Dort lernen ukrainische Kinder Deutsch“, so Kirill. Insgesamt 18 Lkw und zehn Sprinter mit Hilfsgütern wurden von der Friedensgruppe in die Ukraine geschickt. Lebensmittel, Medikamente, Betten, Klamotten, Verbandsmaterialien hat das Team in die Ukraine geschafft. „Sachspenden zu sammeln, ist und bleibt unser größtes Projekt, neben der Unterstützung ukrainischer Geflüchteter in Deutschland“. Bald ist der nächste Lkw- Transport mit Computern für ukrainische Schüler geplant.
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Die Friedensgruppe arbeitet mit der ukrainischen Organisation „Viva la Vita“ in der Stadt Czernowitz zusammen, welche die Computer in die Schulen bringt. Erst letztes Jahr hat die Friedensgruppe eine große Spende über 20.000 Euro von der Gesamtschule Wenden erhalten. „Wir sind sehr dankbar für jede einzelne Spende.“ Trotzdem haben die Spenden stark abgenommen, so Kirill. „Der Ukraine-Krieg ist in Vergessenheit geraten.“ Was aktuell gebraucht wird, sind Medikamente und Verbandsmaterial. Die Spendenabgabestelle an der Hagener Straße in Siegen ist immer noch in Betrieb.
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Hoffnung ist da
In seiner Heimatstadt Mykolajiw wurden besonders Leitungen für Wasser, Strom und Wärme von den russischen Streitkräften zerstört. Aktuell wird dort am meisten Trinkwasser gebraucht. „Freunde von meiner Familie müssen sich täglich 20 Liter Wasser holen“, so Kirill.
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Durch seine Arbeit bei der Friedensgruppe haben sich Freundschaften mit Ukrainern und Deutschen entwickelt. Allein fühlt sich der 19-Jährige hier nicht. „Ich freue mich, in Siegen zu studieren“, so Kirill. Doch eine Rückkehr in die Ukraine nach seinem Studium schließt Kirill nicht aus. Mit seinem BWL-Studium möchte Kirill ein eigenes Unternehmen gründen. „Die Ukraine hat viel Potenzial“. Kirill hat Hoffnung: Hoffnung auf schöne Bilder, die im Gedächtnis bleiben.
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