Siegen. In schönen Räumen werden Menschen schneller gesund. Das Klinikum Siegen beschäftigt deshalb eine eigene Innenarchitektin. Sie hat viel zu tun.

In einem Hotel, das wie ein Krankenhaus eingerichtet ist, würde wohl niemand gerne übernachten oder arbeiten wollen. Umgekehrt schaut die Sache anders aus. Das Klinikum Siegen hat darum eine festangestellte Innenarchitektin im Team. Claudia Castro-Lopez Vera muss aber nicht nur dafür sorgen, dass alles gut aussieht: Es muss auch alles in die Abläufe des Klinikalltags passen.

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Dass Krankenhäuser Architekten beschäftigen, sei nicht selten. „Innenarchitekten sind aber leider noch ungewöhnlich. Dabei gibt es viel Verbesserungsbedarf“, sagt die 33-Jährige. Es geht nicht um Kosmetik, sondern um ganz bodenständige Aspekte: Die positive Wirkung ansprechend gestalteter Räume auf Heilungsprozesse sei erwiesen, betont Claudia Castro-Lopez Vera. Es gibt aber noch einen anderen wichtigen Effekt: In Zeiten des Fachkräftemangels haben Krankenhäuser im Wettbewerb einen Vorteil, wenn sie ein angenehmes Arbeitsumfeld bieten können.

Als wir damit angefangen haben, waren viele skeptisch. Jetzt wird die Innenarchitektin überall gerne gesehen.
Ingo Fölsing, - Geschäftsführer des Klinikums Siegen, über die Beschäftigung einer Innenarchitektin

Innenarchitektin am Klinikum Siegen: Wünsche der Mitarbeitenden prägen die Planungen

Mit ein bisschen Farbe an den Wänden ist es nicht getan, der Job der Innenarchitektin ist weit komplexer. Farbgestaltung ist zwar ein Thema, ebenso aber Beleuchtung, Akustik und vor allem Praxistauglichkeit. Wer beim Wort „Innenarchitektin“ das Klischeebild einer Künstlerseele vor Augen hat, die ungeachtet aller praktischer Fragen auf Teufel-komm-raus ihre Designvorstellungen durchdrücken möchte, trifft mit Claudia Castro-Lopez Vera einen kompletten Gegenentwurf: Um planen zu können, spricht sie erst einmal mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die von den Maßnahmen betroffen sind. Das Personal im Krankenhaus habe extrem viel zu tun, da sei es unbedingt zu vermeiden, „die Leute zusätzlich mit nicht optimal gestalteten Räumen zu belasten“. Oft geht es um ganz grundlegende Punkte. Wenn eine Pflegekraft beispielsweise bei bestimmten Tätigkeiten auf der linken Seite stehen müsse und der Anästhesist rechts, dann muss der Raum so gestaltet sein, dass das auch problemlos möglich ist.

Alles im Blick

Innenarchitektin Claudia Castro-Lopez Vera ist auch für Mobiliar am Klinikum Siegen zuständig. Dabei gibt es eine Fülle von Aspekten zu beachten.

Ein Stuhl beispielsweise muss nicht nur gut aussehen und bequem sein, sondern auch Brandschutzbestimmungen und sonstigen Sicherheitsvorgaben genügen und hohe Praxistauglichkeit besitzen. Der Teufel steckt wie immer im Detail: Falls etwa die Stuhlbeine den Boden beschädigen, wenn er herumgerückt wird, wäre das ebenfalls ein KO-Kriterium. Die grundsätzliche Devise für jedwede Ausstattung lautet „Form folgt Funktion“, hebt die 33-Jährige hervor.

Noch eine Sache, die Claudia Castro-Lopez Vera an ihrem Job im Klinikum Siegen sehr schätzt: Die kurzen Wege „sind traumhaft“. Sonst sei es üblich, dass Innenarchitekten zwar die Planung machen, doch eher selten die Baustellen zu sehen bekommen, weil diese sich mitunter sogar in anderen Städten befinden. Im Komplex an der Weidenauer Straße lasse sich alles fortlaufend gut im Blick behalten. Und: „Man bekommt ein anderes Gefühl für ein Gebäude, wenn man vor Ort ist.“

Claudia Castro-Lopez Vera ist seit Mai 2023 am Klinikum Siegen, ihre Vorgängerin – die erste feste Innenarchitektin des Hauses – war ab 2021 an Bord. „Als wir damit angefangen haben, waren viele skeptisch“, sagt Geschäftsführer Ingo Fölsing. Es gab bei manchen Kolleginnen und Kollegen Bedenken, dass die Ergebnisse vielleicht nicht zu den Anforderungen des Klinikalltags passen würden. Nachdem die ersten Projekte im Haus abgeschlossen waren und besichtigt werden konnten, habe sich das geändert, weil die Verbesserungen für sich sprachen. „So entsteht Vertrauen“, sagt Ingo Fölsing. Die Innenarchitektin sei im Haus sehr beliebt und „wird überall gerne gesehen“. Die Arbeit werde ihr niemals ausgehen, denn in einem über Jahrzehnte gewachsenen Komplex wie dem Klinikum Siegen gebe es immer etwas zu renovieren, zu modernisieren oder zu erweitern. Jüngst wurde die neue HNO-Belegabteilung in Betrieb genommen, derzeit läuft unter anderem der Umbau der Cafeteria, sagt der Geschäftsführer. Von den rund 30 Projekten, die das Klinikum pro Jahr vor der Brust habe, hätten zwei Drittel mit Bauen zu tun.

Das Spielzimmer in der neuen HNO-Belegabteilung am Klinikum Siegen soll kleinen Patientinnen und Patienten den Krankenhausaufenthalt angenehmer machen. Es ist eines der vielen Projekte von Innenarchitektin Claudia Castro-Lopez Vera.
Das Spielzimmer in der neuen HNO-Belegabteilung am Klinikum Siegen soll kleinen Patientinnen und Patienten den Krankenhausaufenthalt angenehmer machen. Es ist eines der vielen Projekte von Innenarchitektin Claudia Castro-Lopez Vera. © Siegen | Florian Adam

Klinikum Siegen: Innenarchitektin Claudia Castro-Lopez Vera schätzt die kurzen Wege

Claudia Castro-Lopez Vera muss nicht nur die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten und die Anforderungen des Pflegepersonals berücksichtigen, sondern auch die verschiedenen baulichen und handwerklichen Fachrichtungen einbeziehen. Ihre Arbeit macht sie in einem Team, zu dem auf der Leitungsebene auch ein Elektrotechniker, ein Ingenieur und ein Architekt (Dominik Koch, der Leiter des Technischen Dienstes) gehören. Außerdem beschäftigt das Klinikum unter anderem eigene Maler, Schreiner und einen Gas-Wasser-Installateur.

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Aufgrund ihrer Ausbildung – die gebürtige Kubanerin, die im Alter von 19 Jahren mit ihrem Mann nach Deutschland kam, hat in Havanna und in Haale an der Saale studiert – habe sie zwar in allen relevanten Bereichen gewisse Kenntnisse, erklärt Claudia Castro-Lopez Vera, müsse bei Details aber dennoch die Fachleute fragen. Wenn die Experten im eigenen Haus sitzen, vereinfache das die Dinge deutlich. Oft könnten bei Bedarf direkt vor Ort gemeinsam neue Lösungen entwickelt werden. „Das spart unglaublich viel Zeit.“ Dank dieser engen Zusammenarbeit lasse sich darüber hinaus vermeiden, dass Beteiligte nebeneinander her planen. Auch in der Kooperation mit externen Firmen, die zur Umsetzung von Baumaßnahmen ins Haus kommen, gelänge das sehr gut.

Es ist ein Bereich, wo man sehr viel machen muss. Aber wenn alles fertig wäre: Wieso sollte ich dann hier sein?
Claudia Castro-Lopez Vera - schätzt die Herausforderungen in ihrer Arbeit als Innenarchitektin am Klinikum Siegen.

Siegen: Innenarchitektin am Klinikum muss viele Belange und Anforderungen unter einen Hut bringen

Vor ihrer Zeit am Klinikum hat Claudia Castro-Lopez Vera in der Ausstellungsgestaltung gearbeitet, betreute Projekte in München, Leipzig, Berlin. Aufwendige Ausstellungen erfordern nicht nur optisch perfekt auf die Exponate abgestimmte Räume; bei Kunstwerken sind auch Sicherheitsfragen oder Aspekte wie Raumtemperaturen zu beachten, damit etwa Gemälde keinen Schaden nehmen. Die Ergebnisse müssen außerdem den Vorgaben der Kuratorinnen und Kuratoren entsprechen, enge Abstimmungen sind also auch bei dieser Tätigkeit unerlässlich. Ebenfalls ein anspruchsvolles Profil, „aber noch nicht so kompliziert wie ein Krankenhaus“, merkt Claudia Castro-Lopez Vera lächelnd an. Dass die Projekte im Bestand und während des laufenden Betriebs umzusetzen sind, macht es nicht einfacher. Doch gerade diese vielen Besonderheiten haben sie an der Stelle in Siegen gereizt. „Es ist ein Bereich, wo man sehr viel machen muss. Aber wenn alles fertig wäre: Wieso sollte ich dann hier sein?“

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Krankenhäuser und Hotels sind zwar insofern schwer zu vergleichen, weil in ersteren eigentlich niemand aus freien Stücken logieren möchte, räumt die Innenarchitektin ein. Beide verbindet aber, dass Menschen an Räumen, in denen sie sich aufhalten (müssen), ein angenehmes Ambiente zu schätzen wissen. Während das Interieur von Hotels allerdings auf spezielle Zielgruppen zugeschnitten sein könne, „hat man im Krankenhaus alle Menschen“, sagt Claudia Castro-Lopez Vera. Die Gestaltung muss folglich so gehalten sein, dass sie zu möglichst vielen Geschmäckern kompatibel ist. „Klar, clean, zurückhaltend“, beschreibt sie die Linie fürs Klinikum Siegen, mit insbesondere in den größeren Räumen klassischer Farbwahl in weiß, schwarz, grau und anthrazit – wobei es in manchen Bereichen auch bunter zugehen kann, ohne jedoch kurzlebigen Modetrends anheimzufallen. „In der Architektur heißt es: Man baut für 100 Jahre“, sagt sie. „In der Innenarchitektur sollte man für 20 Jahre planen“, bevor sich Ausstattung und Aussehen abgenutzt haben.

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