Siegen. Notfallknopf – aber für Beschäftigte, nicht für Patienten: Die können auch nichts dafür, werden aber zunehmend verbal und körperlich angegangen.
Genervte Blicke, unfreundliche Kommentare und ein Verhalten, das von wenig Respekt zeugt, sind in vielen deutschen Krankenhäusern inzwischen an der Tagesordnung. Besonders, wenn es um das eigene Kind geht, kann der Fokus in punkto Vernunft schnell verloren gehen. Auch im Siegerland sind verbale und körperliche Angriffe gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen keine Seltenheit mehr. An der DRK-Kinderklinik wurden Beschäftigte in den vergangenen Wochen und Monaten vermehrt Opfer von Übergriffen, teilweise wurde zugeschlagen. Pressesprecher Arnd Dickel berichtet von einer Zunahme der Gewaltbereitschaft: „Die Übergriffe in der Ambulanz zwingen uns, über weitere Maßnahmen nachzudenken. Es ist traurig, dass das überhaupt vorkommt.“
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Die zusätzlichen Schutzmaßnahmen, die während der Corona-Zeit einzuhalten waren und den Unmut einiger Angehöriger weiter angefacht hatten, gibt es zwar nicht mehr. Auch die hatten für teils enorme Aggressionen gesorgt – und auch hier war die Kinderklinik nicht schuld. Dennoch „eskalieren“ manche Menschen, lassen ihren Frust an den Beschäftigten ab. Ein Grund ist die kinderärztliche Versorgung. Der Personalmangel macht auch vor Siegen nicht Halt – zeitweise fehlt es an Kapazitäten, Eltern haben es mitunter schwer, in den Praxen einen Termin zu bekommen. Die Kinderklinik muss das auffangen: Sie ist zuständig für Notfälle, wenn kein Kinderarzt verfügbar ist.
Triage in DRK-Kinderklinik Siegen: Manche müssen länger warten – und rasten aus
Aber auch im Krankenhaus hier ist die Personal-Besetzung mal knapp, teilweise gibt es, etwa am späten Abend, nur einen Facharzt vor Ort, lange Wartezeiten sind die Folge. In der DRK-Kinderklinik wird daher schon Lange vom Triage-System Gebrauch gemacht: Die geschulten Pflegekräfte schätzen die Symptome der eintreffenden Patienten ab und stufen sie in eine von fünf Dringlichkeitsstufen ein, nach denen sie behandelt werden. Deshalb kommt es öfters vor, dass manche länger auf eine Behandlung warten müssen als andere, die schwerer erkrankt sind. Ein weiterer Faktor für die aufgeheizte Stimmung in der Notaufnahme sei, dass Eltern – oft mangels Alternativen – mit ihren kranken Kindern kommen, obwohl diese nicht ernstlich krank sind.
„Es kann immer wieder vorkommen, dass ein Notfall reinkommt und die Dringlichkeit deshalb neu bewertet werden muss. Das ruft bei einigen Angehörigen keinerlei Verständnis hervor und lässt die angespannte Situation weiter eskalieren“, berichtet Arnd Dickel. Es sei nicht das erste Mal, dass an der Kinderklinik über den Einsatz eines Sicherheitsdienstes nachgedacht werde. „Wir prüfen zurzeit, inwiefern das für uns machbar ist, es handelt sich schließlich um eine kostspielige Maßnahme.“
Notfallknopf in DRK-Kinderklinik Siegen – aber nicht für Patienten, sondern fürs Personal
Zunächst wollen sich die Verantwortlichen aber eine Übersicht über die gesamte Situation verschaffen. Parallel, und wie bereits seit Jahren an der Tagesordnung, werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Klinik im Bereich Deeskalation geschult, um aufgebrachte Eltern möglichst beruhigen zu können. Diese Trainings werden regelmäßig wiederholt und vertieft. Ein sogenannter Notfallknopf, der eigentlich für Patienten gedacht ist, soll künftig auch für das Personal angeschafft werden.
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„Mit solch einem kleinen immer griffbereiten Helfer in der Tasche kann sofort gehandelt werden, wenn jemand in unserem Hause bedrängt wird“, sagt Arnd Dickel. Die Polizei werde unmittelbar benachrichtigt und könne den Beschäftigten zur Hilfe kommen. All diese Ideen über Maßnahmen zum Schutz und zur Vorbeugung wären nicht vonnöten, wenn manche Angehörigen ihre Emotionen reflektieren und versuchen würden, mehr Verständnis für die Lage vor Ort aufzubringen.