Siegen. Die Studie zu Missbrauch in der evangelischen Kirche löst auch in Siegen Erschütterung aus. Der Superintendent kündigt umfassende Maßnahmen an.

Es sei „ein schonungsloses Bild“, das die am Donnerstag in Hannover vorgestellte Studie über Missbrauch in der evangelischen Kirche in Deutschland „zutage fördert“, sagt Peter-Thomas Stuberg, Superintendent des KirchenkreisesSiegen-Wittgenstein. „Aber schonungslose Offenheit ist am hilfreichsten.“ Auch im hiesigen Kirchenkreis werden die Ergebnisse Konsequenzen haben, kündigt der Superintendent an. Vor allem müsse es darum gehen, weitere Fälle zu verhindern.

+++Mehr Nachrichten aus Siegen und dem Siegerland finden Sie hier!+++

Deutschlandweit gibt das Forscherteam eine Zahl von mindestens 2225 Betroffenen und 1259 mutmaßlichen Tätern an. Die Dunkelziffer, auch das wird klar benannt, dürfte deutlich höher liegen. „Das haben wir in diesem Ausmaß nicht geahnt“, sagt Peter-Thomas Stuberg, dem im Gespräch mit der Redaktion kurz nach Veröffentlichung der Studie die Erschütterung anzumerken ist. Die Studie lege „den Finger auf strukturelle Rahmenbedingungen; auf Räume, wo Betroffenen Schlimmes und nachhaltig Belastendes angetan worden ist. Das widerspricht meinem Verständnis von Kirche.“ Die Studie sei sehr umfangreich, „wir werden sie uns noch sehr genau angucken“.

Siegen: Evangelischer Kirchenkreis sieht Missbrauchsstudie als Aufforderung zu „deutlicher Selbstkritik“

Zu relativieren sei in diesem Zusammenhang nichts. Die Untersuchung zeige, „dass es auch in unserer Kirche begünstigende Rahmenbedingungen gibt“, innerhalb derer Täter aktiv sein können. Die Ergebnisse seien „Anlass zu ganz deutlicher Selbstkritik und demütiger Wahrnehmung“. Die Daten seien keine trockene Theorie. „Hinter den Zahlen stehen leidvolle Erfahrungen von Menschen, hinter jeder Zahl steht eine Geschichte“, betont der Superintendent. Für die Aufarbeitung „müssen wir die Betroffenenperspektive einnehmen, Signale erkennen, hinhören, wahrnehmen“. Dabei gelte es, als Institution zu lernen. „Es war schon immer klar: Jeder Fall ist problematisch.“ Aber jetzt gebe es eine Statistik, die das Ausmaß zeige.

+++ Lesen Sie hier: Betroffene fordern von Kurschus lückenlose Aufklärung+++

Sexuelle Übergriffe seien zu „missbilligen und zu ahnden“, macht Peter-Thomas Stuberg klar. Darüber hinaus habe Prävention eine entscheidende Bedeutung, „wir müssen daran arbeiten, dass unsere Räume sicher sind“ – wobei „Räume“ sich in diesem Fall nicht so sehr auf Gebäude beziehe, sondern auf Strukturen, innerhalb derer kirchliche Arbeit stattfindet. Das Thema gehe der Kirchenkreis „seit 2022 gezielt an“. Hintergrund sei das Kirchengesetz zum Schutz vor sexualisierter Gewalt der Evangelischen Kirche von Westfalen. Beim Kirchenkreis Siegen-Wittgenstein gibt es eine „Fachstelle Prävention“, deren Mitarbeiterinnen alle d Kirchengemeinden und Einrichtungen bei der Erstellung und Weiterentwicklung individueller Schutzkonzepte unterstützen und außerdem alle haupt- und ehrenamtlich Tätigen schulen und sensibilisieren. Maxime: „Hinschauen. Helfen. Handeln“. Allein in Siegen-Wittgenstein würden 8000 Menschen dieses Programm durchlaufen, von freiwilligen Helfern über Pfarrer bis zum Superintendenten. Darin werde unter anderem erläutert, welche Strategien Täter anwenden, wie sie ihre Taten zu verbergen versuchen – und anhand welcher Anzeichen sie dennoch auffliegen können.

Studie zu Missbrauch in evangelischer Kirche: Kirchenkreis Siegen will „Vertrauen wiedergewinnen“

Idealerweise sollte es natürlich gar nicht erst zu Missbrauch und Übergriffen kommen. Allerdings liegt auf der Hand: Je höher in einem System die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Täter entdeckt wird, umso niedriger die Wahrscheinlichkeit, dass er Taten riskiert. Instrumentarien zu Prophylaxe seien in der jüngeren Vergangenheit „strukturierter geworden“, sagt Peter-Thomas Stuberg. „Vertrauen wird aufgrund einer solchen Studie massiv irritiert“, unterstreicht er – ausdrücklich nicht als Kritik an der Studie, sondern schlicht als logische Konsequenz aus den Ergebnissen. „Wir müssen Vertrauen wiedergewinnen.“

+++Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook!+++