Kreuztal. Der Protest wird gehört: Die katholische Grundschule soll keine Kinder abweisen. Das könnte aber eine andere Grundschule in Nöte bringen.
Die katholische St. Martin-Grundschule auf dem Dörnberg soll auch im nächsten Schuljahr zwei Eingangsklassen bilden. Sie kann dann alle 49 angemeldeten Kinder aufnehmen und müsste nicht 20 Kinder abweisen. Das hat der Schulausschuss einstimmig beschlossen: Fünf Ausschussmitglieder stimmten dafür, acht enthielten sich der Stimme. Insgesamt werden damit im nächsten Schuljahr 25 Eingangsklassen gebildet und nicht nur, wie von der Verwaltung vorgeschlagen, 24. Rechnerisch wären allerdings sogar 26 Klassen möglich gewesen.
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Der Protest aus der katholischen Grundschule und ihrem Umfeld war deutlich. Um die 260 Unterschriften wurden allein innerhalb von zwei Tagen gesammelt. Fünf der sechs Grundschulleitungen - alle außer der Grundschule an Dreslers Park - drückten schriftlich ihr „Erstaunen“ über den Vorschlag der Verwaltung aus. Philipp Krause (CDU) stellte die „bewusste bildungspolitische Schwerpunktsetzung“, mit der Stadtrat Patrick Zöller die Vorlage begründet hatte, in Frage: „Man könnte auch sagen: ideologische Lenkung“. „Wir sehen seit ein paar Jahren zu, wie die Verwaltung versucht, die katholische Grundschule kleinzuhalten“, sagte Tibor Zachar (FDP). Das sei ein „Skandal“.
Das sagt die Verwaltung
Schulrat Michael Utsch und seine Kollegen in der staatlichen Schulaufsicht müssen in der Regel Begehrlichkeiten von Kommunalpolitikern zurückweisen, Schulanfänger auf möglichst viele kleine Klassen zu verteilen. „Die Personalsituation ist ernst“, sagte er auch in Kreuztal, wo er natürlich das Entgegenkommen der Verwaltung als „zu begrüßen“ bezeichnete, zwei Klassen weniger zu bilden. Dennoch, so räumte er ein: „Das ist eine sehr diffizile Lage.“ Denn ebenso wichtiger Player im Kreuztaler Grundschul-Halma ist die Grundschule an Dreslers Park, die nach dem Willen der Stadt vier Klassen bilden soll und dafür mindestens 82 Anmeldungen braucht, bisher aber erst 69 Namen auf der Liste hat.
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Stadtrat Patrick Zöller sieht die katholische Grundschule nicht in der ersten Reihe. Im Schulentwicklungsplan sei die St. Martin-Schule einzügig, schon zwei Mal sei trotzdem eine zweite 1. Klasse gebildet worden. Auf Dauer würde das aber „den Ratsbeschluss konterkarieren“. Je größer die Schülerzahl, desto größer der Raumbedarf für den offenen Ganztag - den die Schule zwar nicht will, der aber vom Land verpflichtend gemacht werden könne. Eine Klasse würde immer noch reichen, um alle katholischen Kinder und die Geschwister nicht katholischer Schüler aufzunehmen.
Anspruch auf die zwei zusätzlich noch möglichen Klassen hätten die Grundschulen Buschhütten und Fellinghausen, sagte Stadtrat Patrick Zöller. Dort aber sei kein Platz, sodass dort insgesamt fünf Kinder abgewiesen werden.
Das sagen die Schulleitungen
Sandra Klein, Rektorin der Jung-Stilling-Grundschule Kredenbach, sprach sich im Namen von fünf Schulleitungen für die zweite Klasse auf dem Dörnberg aus. Würde nur eine Klasse mit 29 Kindern gebildet, wäre kein Platz mehr für die Kinder, die die 1. Klasse wiederholen – und das sind nicht wenige: 14 werden es am Ende dieses Schuljahres in Kredenbach sein, mit 15 rechnet die Grundschule an Dreslers Park. Planen darf die Verwaltung damit aber nicht, stellte Schulrat Michael Utsch klar. „Sie können die Plätze jetzt nicht blockieren. Eltern bekommen einen Platz, wenn sie ihre Kinder anmelden.“ Erst im August, wenn die Zeugnisse geschrieben sind, kann die Stadt nachbessern und zusätzliche Kapazitäten schaffen.
Zweites Argument der Grundschulleitungen: Die Abweisung von 20 Kindern auf dem Dörnberg werde nicht den gewünschten Effekt haben, dass die Klassen an Dreslers Park gefüllt würden. Denn in keiner der Anmeldungen werde diese Schule als „Zweitwunsch“ benannt. „Diese Kinder werden nicht in Kreuztal-Mitte landen“, sagte Sandra Klein, sondern in Buschhütten oder Eichen, wo die Kinder an ihren wohnortnächsten Schulen sogar aufgenommen werden müssten. Weil dort aber kein oder nur noch wenig Platz ist, würden andere Kinder abgewiesen werden müssen. „Das ganze Karussell würde wieder in Gang gesetzt.“ In Buschhütten, so Schulrat Michael Utsch, wären zuerst die auswärtigen Kinder abzuweisen.
Markus Fuhrmann, Leiter der Grundschule an Dreslers Park, hatte schriftlich begründet, warum vier möglichst kleine Klassen wichtig seien. Der Schulsozialindex berücksichtigt den Anteil von Kindern aus armen Familien, mit nicht deutscher Muttersprache und mit sonderpädagogischem Förderbedarf – je höher, desto mehr personelle Verstärkung bekommt die Schule. Mit dem Index 6 ist Dreslers Park die im ganzen Kreis am meisten belastete Schule. Große Klassen wirkten sich da „massiv negativ auf die Lernerfolge und das Sozialverhalten“ aus.
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Im Schnitt kämen bis zu den Sommerferien noch einmal fünf bis sechs Kinder dazu. Und dann, nach dem zweiten Schuljahr, noch einmal 15, die für ein drittes Jahr in der Schuleingangsphase blieben. Für sie wäre dann, wenn jetzt nur drei Klassen gebildet werden, kein Platz mehr. Sie müssten „im schlimmsten Fall“ die Schule wechseln, schreibt Markus Fuhrmann. Auf der St. Martin-Schule könnten sie dann aber auch nicht bleiben, wenn bei ihnen sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt werde. Denn die katholische Grundschule ist keine „Schule des gemeinsamen Lernens“.
So handelt die Politik
Dass der einstimmige Beschluss, eine 25. Klasse zu bilden, und zwar auf dem Dörnberg, keine Lösung ist, wurde in der langen Diskussion klar. Werden auf dem Dörnberg keine Kinder abgewiesen, „sind die Chancen geringer, dass an Dreslers Park vier Klassen gebildet werden können“, gab Schulrat Michael Utsch zu bedenken. An der erforderlichen Mindestzahl von 82 Kindern werde nicht zu rütteln sein. „Dann hätten wir ein Problem.“
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Tibor Zachar (FDP) empfahl daher, an Dreslers Park Kinder abzuweisen: Das würde die Schule entlasten, „wir hätten drei wunderschöne kleine Klassen.“ Heike Ashauer (UWG) hatte eine andere Idee: die 25. Klasse nicht auf dem Dörnberg, sondern in Littfeld zu bilden; die Adolf-Wurmbach-Schule würde damit fünfzügig. Immerhin kämen von dort zwölf Kinder, die an der St. Martin-Schule angemeldet sind. „Das wird nicht funktionieren“, wehrte Stadtrat Patrick Zöller ab. Hinter den Wunsch der Verwaltung, die Schülerschaft an Dreslers Park „vielfältiger“ zusammenzusetzen, setzte Philipp Krause (CDU) ein Fragezeichen. Käme es auf dem Dörnberg zu Abweisungen, träfen die zuerst die - nicht katholischen - Migrantenkinder. Und kämen weitere Flüchtlingsfamilien, würden auch die an Dreslers Park landen, weil alle anderen Grundschulen voll sind. „Wo sollen die sonst hin?“
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Heike Siebel (SPD) wagte sich an ein wohl heißes Eisen: Zu fragen wäre eigentlich, warum Eltern so entschieden einen Bogen um die Grundschule an Dreslers Park machten. Es gebe womöglich Beweggründe, die „nicht offen ausgesprochen werden, vielleicht die Zusammensetzung der Schülerschaft. Das macht mir Sorgen.“ Tibor Zachar (FDP) sah das ähnlich: „Irgendwas ist da passiert.“