Siegen-Wittgenstein. Fahrräder und Pedelecs werden immer hochwertiger. Das macht sie zu attraktiv für Diebe; Einzeltäter und Banden. Der Schaden ist norm angestiegen.
E-Bikes sind in der Regel erheblich teurer als normale Fahrräder. Weil sich die Pedelecs ungebrochener Beliebtheit erfreuen – inzwischen sogar bei Winterwetter – sind sie zunehmend auch für Kriminelle attraktiv. Die Kreispolizeibehörde Siegen-Wittgenstein unterscheidet in ihrer Kriminalstatistik nicht zwischen E-Bike und Fahrrad; die Fallzahlen sind insgesamt nicht gestiegen.
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Was aber eklatant ansteigt, ist die Schadenssumme: Im laufenden Jahr wurden im Kreisgebiet insgesamt 240 Fahrräder im Wert von fast 622.000 Euro geklaut. Im ganzen Jahr 2012, also vor der Ära der Trittkraftunterstützung, waren es mit 216 ähnlich viele; der Schaden betrug allerdings keine 100.000 Euro. Diebstahlsicherung wird für die teuren Fahrzeuge also immer wichtiger.
Siegen: Fahrräder werden immer wertvoller – Schadenshöhe steigt eklatant
Auch bei versuchtem Fahrrad-Diebstahl kann Sachschaden entstehen, wenn Fahrzeug oder Schloss beschädigt werden und die Täter es nicht schaffen, das Bike mitzunehmen. Die meisten Diebstähle gelingen aber: 2023 verzeichnete die Polizei bislang acht Versuche, 2022 18, 2012 14. Die Schadenshöhe entspricht also in der Regel dem Fahrradwert. Und der ist eben deutlich gestiegen: 2023 gab es beispielsweise sechs Diebstähle von Rädern im Preisbereich 2500 bis 25.000 Euro. 2022 waren das schon 92 Fälle, 2023 bislang 67. Laut Polizei waren 2022 67 Prozent aller geklauten Räder teurer als 500 Euro.
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Die absoluten Fallzahlen sind dabei schwankend, jährlich ungefähr zwischen 200 und 300, derzeit im oberen Bereich. Ebenso die Aufklärungsquote, die zwischen 10 und 20 Prozent liegt.
Vom Spontan-Klau bis zu professionellen Banden: Den typischen Fahrraddieb gibt es nicht
Typische Fahrraddiebe gibt es nicht, so die Experten der „Diebstahls-Kommissariate“ der Kreispolizeibehörde. Grob könne unterschieden werden zwischen
- Gelegenheitstätern, die ein Rad mehr oder weniger „spontan“ stehlen, um von A nach B zu fahren – durchaus auch nur für eine einzige Strecke; sie sind eher die Ausnahme,
- ortsansässigen (Mehrfach-)Tätern, die nicht nur Fahrräder oder E-Bikes stehlen, sondern alles mögliche, was sich zu Geld machen lässt,
- überörtlichen Mehrfachtätern, beispielsweise sogenannte „Schrottsammler“ und
- überörtlichen Tätergruppen.
Je professioneller die Diebe agieren, desto gründlicher gehen sie vor, nutzen etwa Spezialwerkzeuge. Nachdem die Rahmennummer entfernt wurde, über die ein Fahrzeug identifiziert werden könnte, fahren manche Täter die Räder auch selber; andere zerlegen sie in ihre Teile, die einzeln verkauft oder die Fahrzeuge mit anderen Komponenten neu aufgebaut werden. Diese Bikes werden dann häufig online zum Kauf angeboten, bei Kleinanzeigen, in Fahrradforen oder auf Social Media. Spezialisierte „Banden“ konzentrieren sich dabei eher auf besonders teure Fahrräder, die sie bisherigen Erkenntnissen der Ermittler zufolge gesammelt ins Ausland bringen. Mit GPS-Trackern versehene Fahrräder sind demnach schon in Polen oder Spanien geortet worden.
Polizei Siegen: Wo Fahrraddiebe besonders oft zuschlagen
Im öffentlichen Raum werden nach Erkenntnissen der Polizei immer weniger Fahrräder gestohlen. Die Diebstahl-Ermittler beobachten, dass die Täter teils hohe Risiken eingehen, um sehr wertvolle Fahrzeuge erbeuten zu können, die in der Regel auch besser gesichert sind. Nicht nur weil es dauert, gut gesicherte Abstellorte zu knacken und entsprechend das Risiko steigt, erwischt zu werden. Sondern auch weil es sich damit nicht mehr um sogenannten „einfachen Diebstahl“ handeln kann, sondern um schweren oder sogar besonders schweren Diebstahl, der keine Geldstrafe mehr zulässt. Typische Tatgelegenheiten:
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- Ungesicherte Fahrräder auf Privatgrundstücken, die von außen sichtbar dort stehen,
- Fahrräder in Gartenhütten, die vergleichsweise schnell und einfach aufgebrochen werden können,
- Fahrräder in Kellern oder Garagen. Hier dauert es länger und ist komplizierter, sich Zugang zu verschaffen - aber es gibt durchaus Besitzer, die ihre Bikes einfach in die ansonsten ungesicherte Doppelgarage stellen. „Quasi eine Einladung für Diebe“, so die Polizei; und die Versicherung zahlt auch nicht.
- E-Bike-Diebstähle von Heck-Fahrradträgern und Wohnmobilen, die recht einfach zugänglich sind.
Siegener Experten raten: So schützt man sein Fahrrad am besten gegen Diebstahl
Oftmals werde es Langfingern recht einfach gemacht, ein Fahrrad zu stehlen, so die Polizei. Jedes abgestellte Rad sollte abgeschlossen sein – je hochwertiger das Bike, desto besser die Sicherung, so die Empfehlung. Bei einem 5000-Euro-E-Bike mache es wenig Sinn, am Schloss zu sparen. Grundsätzlich, so die Ermittler, sind auch hochwertige Schlösser kein absoluter Schutz, leisten aber Widerstand. Ähnlich wie beim Hauseinbruch: Je länger es dauert, in ein Gebäude einzudringen, desto mehr steigt für die Täter die Gefahr, erwischt zu werden und desto eher lassen sie von ihrem Vorhaben ab.
Nutzung auch bei Mistwetter
Das Unternehmen Velocity Siegerland, das in der Region ein immer dichteres Netz von E-Bike-Sharing-Stationen betreibt, ist nach Angaben von Geschäftsführerin Yara Stahlschmidt bislang gar nicht von Diebstählen betroffen. Denn hier sind ziemlich viele Voraussetzungen erfüllt, die Diebe abschrecken: Es handelt sich um ungewöhnliche, so nicht erhältliche Modelle, die optisch als Velocity-Rad gekennzeichnet sind und in den Stationen mit einem massiven Verschlusssystem einrasten. Außerdem ist jedes Rad auf eine Weise GPS-getrackt, die nicht „mal eben“ abmontiert werden kann.
Dass das E-Bike von immer mehr Menschen als Alltagsverkehrsmittel genutzt wird, zeige sich auch am aktuellen Nutzerverhalten, berichtet Stahlschmidt: Natürlich seien die Ausleihzahlen derzeit nicht so hoch wie bei 30 Grad und Sonne, „das wäre auch komisch“, aber inzwischen gebe es eine Velocity-Stammkundschaft – darunter viele Abo-Kunden – die auch bei kalt-nasser Witterung das Fahrrad nehmen; ebenso einige Berufspendler und Arbeitnehmer der Unternehmen, die Stationspaten für Velocity-Standorte sind.
Fahrradrahmen und Rad sollten am besten bei jedem (auch kurzen) Abstellen an einen festen Fahrradständer oder einen ähnlichen fest verankerten Gegenstand angeschlossen werden, idealerweise dort, wo eine gewisse Öffentlichkeit herrscht. Also nicht im versteckten dunklen Winkel. Wertvolle Komponenten wie Akku oder Bordcomputer sollten abgenommen oder ebenfalls gesichert werden. Wird nur Vorder- oder Hinterrad blockiert oder angeschlossen, kann das Bike immer noch einfach abmontiert oder weggetragen werden.
GPS-Tracker können gute Schlösser ergänzen, seien aber oft nur bedingt hilfreich, ein gestohlenes Bike wiederzufinden, so die Polizei. Es habe sich herausgestellt, dass nicht alle präzise genug sind, um wirklich zuverlässig geortet zu werden. Außerdem wissen professionelle Täter, wonach sie suchen müssen und entfernen die Geräte regelmäßig.
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Der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club (ADFC) bietet auch in Siegen-Wittgenstein die Fahrradcodierung an: Dabei wird ein Code am Sattelrohr angebracht, der ein Fahrrad eindeutig seinem Besitzer zuweist und der nicht entfernt werden kann, ohne den Rahmen zu beschädigen – er wird per Nadelcodierer eingeschlagen, ohne dabei das Material zu schwächen. Darüber kommt ein Aufkleber als Korrosionsschutz und zur besseren Sichtbarkeit. Auch das ist zwar kein absoluter Schutz, ein codiertes Rad ist aber noch unattraktiver für Diebe. Der Code kann auch auf weiteren Teile wie Akku oder Anhänger angebracht werden. Weitere Infos und Kontakt: codierung.adfc-siegen.de
Für den Fall des Diebstahls braucht die Polizei am besten Rahmennummer, Seriennummer des Akkus, gute Fotos, gerade von besonderen Merkmalen: „Je individueller das Rad ist, desto unattraktiver ist es für Diebe.“ Um all diese Infos für mehrere Fahrräder parat zu haben, bietet die Polizei die kostenlose Fahrradpass-App an.