Siegen-Wittgenstein. Der Kreis Siegen-Wittgenstein ist mit Straßen NRW unzufrieden. Ein eigener Ingenieur soll die Arbeit des Landesbetriebs künftig kontrollieren.

Der Kreis Siegen-Wittgenstein ist offensichtlich nicht mit der Arbeit des Landesbetriebs Straßenbau NRW (Straßen NRW) zufrieden. Dessen Arbeit soll künftig nämlich von einem beim Kreis angestellten Straßenbauingenieur beziehungsweise einer -ingenieurin begleitet und kontrolliert werden, wie der Kreistag nun mit großer Mehrheit auf Vorschlag der Verwaltung beschloss.

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Es geht um die Kreisstraßen, für die – der Begriff sagt es schon – der Kreis zuständig ist. „Seit mehreren Jahrzehnten“, wie der Vorlage zu entnehmen ist, hat er diese Aufgabe aber mittels einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung dem Landesbetrieb übertragen und bezahlt diesen dafür. Das Spektrum umfasst den Straßenbetrieb (etwa Winterdienst, Grünschnitt, Verkehrszeichen), sämtliche Baumaßnahmen und alle „straßenspezifischen Verwaltungsaufgaben“, also unter anderem die Genehmigung von Straßenaufbrüchen oder neuen Zufahrten. In manchen Fällen setzt der Kreis zwar nach eigenen Angaben auch Verwaltungspersonal rund um Straßenbelange ein, doch „straßenbautechnisch ausgebildetes Personal wird aktuell und auch in der Vergangenheit nicht eingesetzt“, heißt es weiter.

Siegen-Wittgenstein: Kreis will einen eigenen Straßenbauingenieur einstellen

Dass der Landesbetrieb die Aufgaben – vorsichtig ausgedrückt – nicht zur vollen Zufriedenheit des Auftraggebers erfüllt, wird in der Vorlage so an keiner Stelle klar gesagt. Aller diplomatischen Formulierungen zum Trotz wird es aber zwischen den Zeilen sehr deutlich in der Begründung, wieso es aus Sicht der Verwaltung „nunmehr sinnvoll“ erscheine, „zukünftig kreisseitig Personal mit einer straßenbautechnischen Qualifikation zur Aufgabenwahrung im Bereich Kreisstraßen einzusetzen.

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Oft gebe es für Straßenbaumaßnahmen verschiedene Varianten, „die jeweils unterschiedliche Vor- und Nachteile haben und die auch unterschiedliche Bauaufwendungen mit sich bringen“. Bei der Entscheidung, welche dieser Varianten umgesetzt wird, werde die Beteiligung „einer straßenbaufachlich qualifizierten Kraft des Kreises zur optimierten Berücksichtigung von Kreisinteressen beitragen“. Zur Erinnerung: Die Kreisinteressen optimal zu berücksichtigen wäre laut Auftrag eigentlich Sache des Landesbetriebs.

Kreis Siegen-Wittgenstein: Arbeit des Landesbetriebs Straßenbau wird oft teurer

Für Straßenbaumaßnahmen gelte „ein vielgestaltiges Regelwerk“ und „ein beauftragter Dritter muss immer bestrebt sein, die Vorgaben aller Regelwerke einzuhalten, um ansonsten mögliche Risiken und daraus folgende Haftungen möglichst umfassend zu vermeiden“, wie in der Vorlage erläutert ist. „In der Wirklichkeit gibt es allerdings oftmals Fallgestaltungen, bei denen eine Abweichung von den bestehenden Regelwerken eine deutlich wirtschaftlichere Bauausführung ermöglicht, ohne signifikante Risiken zu erzeugen.“ Eine eigene Fachkraft „könnte in diesen Fällen die Regelabweichung entscheiden und Straßen NRW von ggf. daraus folgenden Haftungen freistellen“.

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Vor allem geht es natürlich um Geld. „In relativ vielen Fällen werden im laufenden Bauprozess durch das Personal des Landesbetriebes Nachtragsentscheidungen getroffen, die zu erheblichen Mehrkosten führen“, schreibt die Verwaltung. Schon im Finanzausschuss hatte Bernd-Dieter Ferger (CDU) an die einschneidenden Erfahrungen beim Ausbau der K 8 zwischen Birlenbach und Trupbach vor sechs Jahren erinnert. Die Kostenexplosion beim Ausbau beruhte damals nach Vermutung des Kreises darauf, dass der Landesbetrieb den Untergrund nicht ausreichend untersucht habe. Doch weil es keinen Experte beziehungsweise keine Expertin in den eigenen Reihen gab, konnte der Kreis das nicht beweisen. Mit „eigenem Personal mit straßenbaufachlichem Sachverstand“ wären künftig „eine straßenbaufachliche Beurteilung der möglichen Entscheidungsvarianten im Bauprozess“ sowie die „Wahrung auch der entscheidungsimmanenten fiskalischen Interessen des Kreises“ drin.

Siegen-Wittgenstein: Eigener Straßenbauingenieur kostet – aber hilft auch sparen

Der Kreis beruft sich außerdem auf Empfehlungen der Gemeindeprüfungsanstalt (GPA). Ein Ergebnis von deren aktueller Prüfung sei „ein deutlicher Hinweis auf die fehlende Steuerung und Prüfung der auf Straßen NRW verlagerten Aufgaben“ gewesen. Die GPA habe herausgestellt, dass die Vereinbarungen mit dem Landesbetrieb „keine konkreten Qualitäts- und Quantitätsstandards“ enthalten würden, obwohl deren Definition und vertragliche Festlegung „sinnvoll und notwendig“ seien. Die Einhaltung dieser Standards sei wiederum vom Kreis zu überprüfen. Würden bei der Abnahme einer erbrachten Leistung Mängel auffallen, „fordert der Auftraggeber den Auftragnehmer unter Einhaltung einer zu bestimmenden Frist zur Mängelbeseitigung auf“, so die GPA. Nur mit klaren Standards und der Überprüfung des Ergebnisse könne der Kreis „seinen Kontrollpflichten als Baulastträger nachkommen“. Dafür, folgert die Verwaltung, sei eigenes Fachpersonal die Lösung.

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Bezahlt würde die Stelle laut Vorlage gemäß der Entgeltgruppe E11 – das mache pro Jahr inklusive „20 % Gemeinkostenaufschlag und Sachkosten für den Arbeitsplatz zusammen 106.780 Euro“. Das entspräche etwa einem Prozent der jährlich 8,5 bis 10,5 Millionen Euro für Straßenbaumaßnahmen im Kreis. „Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass durch einen straßenbaufachlichen Einfluss auf die Planungen und Bauentscheidungen deutlich mehr als 1 % der jährlichen Bausumme eingespart werden kann und sich die zusätzlichen Personalkosten vollständig durch reduzierte Baukosten einsparen lassen“, schreibt die Verwaltung dazu. Allerdings war bereits im Finanzausschuss zur Sprache gekommen, dass kaum eine Fachkraft mit der erforderlichen Qualifikation bei dieser Bezahlung zu bekommen sei. Im Kreistag forderten Bernd-Dieter Ferger und UWG-Fraktions-Chef Hans Günter Bertelmann die Verwaltung deshalb auf, eine höhere Entgeltgruppe anzusetzen.

Siegen-Wittgenstein: Eigener Experte könnte anders mit dem Landesbetrieb verhandeln

„Es würde sich rechnen, wenn ein Experte mit dem Landesbetrieb spricht“, betonte Bernd-Dieter Ferger – jemand, der sich mit der Materie auskennt und die auftretenden Probleme versteht und einordnen kann. Andreas Klein, Fraktionsvorsitzender von „Wir Bürger“, erkundigte sich nach einem alternativen Vorgehen: „Was spricht dagegen, dem Landesbetrieb weniger Geld zu überweisen?“ Das gehe nicht, antwortete Landrat Andreas Müller. Die Vereinbarung steht, und aus eigener Sicht kommt der Landesbetrieb seinen Verpflichtungen nach. Die Kosten für die Ingenieursstelle trage folglich der Kreis – „wenn wir der Meinung sind, dass wir das kontrollieren müssen.“

Die zusätzliche Stelle wird nun in den Entwurf des Stellenplans aufgenommen, den der Kreistag im Dezember beschließt.

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