Siegen. Es gibt nicht viele Menschen in unserer Region, die als Paar zusammenleben und gemeinsam Kultur machen. Einige davon stellen wir vor.
Thomas Kiess ist Trompeter in der der Philharmonie Südwestfalen, Dorothea Kiess hat im Orchester einen Zeitvertrag als Geigerin. Ihre Leidenschaft für Musik hat sie auch menschlich zusammengebracht. Wagner, Mahler, Brahms: Drei musikalische Schwergewichte stehen auf dem Programm der Philharmonie Südwestfalen. Die Proben im nagelneuen Siegener Haus der Musik laufen auf Hochtouren und Orchesterchef Nabil Shehata verlangt seinen Musikern wie immer alles ab. Mit dabei: Thomas Kiess als Trompeter und Dorothea Kiess als Geigerin.
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Er: Aus Blaubeuren – mit Jugend im Ruderclub
Thomas Kiess, im schwäbischen Blaubeuren geboren, bekam schon mit neun Jahren seinen ersten Trompetenunterricht. Der war zunächst gar nicht für ihn als Jüngsten der vier Kiess-Brüder vorgesehen, aber der ältere Bruder bekam eine Zahnspange. „So kam ich früher zum Zuge“, sagt Thomas Kiess schmunzelnd, und bald hatte er auch schon erste Auftrittserfahrungen in einem Posaunenchor. Noch eine andere Leidenschaft prägte seine Jugendzeit: Der Rudersport im Achter-Boot beim Ulmer Ruderclub. Ihr nasses Revier war die Donau. Nachdem die Mannschaft bei der Qualifikation zur Junioren-Weltmeisterschaft knapp gescheitert war, gewann er mit seinem Team bei der Deutschen Jugendmeisterschaft im Vierer eine Bronze-Medaille. Mindestens genauso wichtig war, dass ihn seine damalige Freundin überzeugen konnte, mit seiner Trompete in einem Ulmer Jugendorchester vorzuspielen. Nach einem erfolgreichen sinfonischen Konzerterlebnis wusste Thomas: „Ich will Trompete studieren“. Also machte er in Würzburg eine Aufnahmeprüfung zum Studium des Diplom-Orchestermusikers. Sein Vater, ein Zahnarzt, stand dem Berufswunsch seines Jüngsten zunächst skeptisch gegenüber. „Was machst du in schlechten Zeiten?“, fragte er. Doch die kamen nicht, sondern sehr gute: Er lernte über die Musik seine Frau Dorothea kennen.
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Sie: Aus Königswinter – aus einer Musikerfamilie
Dorothea wuchs im schönen Königswinter bei Bonn am Fuß des Siebengebirges auf. Nicht weit entfernt von dem berühmten Hotel Petersberg und in einer Musikerfamilie im wahrsten Sinne des Wortes. Die Mutter war Flötenlehrerin an der Musikschule in Bonn, der Vater spielte im renommierten Kölner Gürzenich-Orchester und hatte eine Professur für Querflöte an der Musikhochschule in Düsseldorf. Schon mit fünf Jahren erhielt Dorothea Geigenunterricht an der Bonner Musikschule. Dass sie vier Jahre später fast die Lust an der Musik verloren hätte, lag an ihrer damaligen überstrengen Musiklehrerin. Mit einer neuen Lehrerin kehrte auch die Liebe zur Musik zurück, vor allem aber, als sie mit neun Jahren im Unterstufen- und später im Mittelstufenorchester ihrer Schule Geige spielte und auch erste Quartett-Erfahrungen sammelte. Sie wurde Mitglied im Landesjugendorchester im benachbarten Bundesland Hessen – ihr Vater war auch dort Dozent – und danach auch im Landesjugendorchester NRW. Stark geprägt hat sie ein halbjähriges Stipendium in Kanada. (Dorothea Kiess: „Das möchte ich unseren drei Kindern auch ermöglichen.“) Klar, dass sie im Gegensatz zu ihrem Mann in ihrer musikalischen Familie nicht um ein Musikstudium kämpfen musste. Dieses Diplom-Orchestermusikerstudium absolvierte sie in Stuttgart und sie hatte das Glück, zwei Geiger des Melos-Quartetts, häufiger Gast bei Kammermusikabenden im Gebrüder Busch Kreis, als Dozenten und Lehrmeister zu haben.
Thomas und Dorothea Kiess: Begegnung bei Verdi in Pommersfelden
Erste Kontakte zwischen Thomas und Dorothea entstanden in der internationalen Orchester-Akademie im fränkischen Pommersfelden bei Proben für die Aufführung des Verdi-Requiems. Trompeter wurden gesucht, er meldete sich. „Ich war heilfroh, Orchestererfahrung sammeln zu können“ sagt Thomas Kiess, um aber das Wichtigste hinzuzufügen: „In dieser Woche sind wir uns zum ersten Mal begegnet.“ Dorothea spielte inzwischen in der „Jungen Deutschen Philharmonie“, dem besten Nachwuchsorchester des Landes. Thomas wusste dies und besorgte sich einen Termin, dort vorzuspielen. Er wurde genommen – und: „Da wurden wir ein Paar.“ Das war im März 2000. Ihre erste gemeinsame Wohnung hatten sie in Stuttgart-Bad Cannstatt, und drei Jahre später, noch während ihres Studiums, wurden sie die glücklichen Eltern ihrer ersten Tochter Johanna. Die Betreuung von Johanna teilten sie sich. Weitere Stationen, unter anderem bei den Stuttgarter Philharmonikern, folgten. 2004, nach einem erfolgreichen Probespiel in Hilchenbach, wurde Thomas Kiess 2004 festes Mitglied der Philharmonie Südwestfalen. „Nach der Geburt unserer Tochter Johanna lief es auch bei dem Vorspielen wie geschnitten Brot“, erinnert er sich.
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Beide haben einen Lehrauftrag an der Uni Siegen
Dorothea zog nach, Tochter Elisa kam auf die Welt, und die nun zweifache Mutter konnte als Dozentin an der Fritz-Busch-Musikschule in Siegen anfangen. In der Philharmonie Südwestfalen hat sie einen Zeitvertrag als Geigerin und gehört als Elternzeit-Vertretung für eine Kollegin derzeit fest zum Orchester. Mit ihrem Mann hat sie noch weitere berufliche Parallelen. Denn Thomas gibt an der Musikschule Siegen Honorarstunden als Trompetenlehrer. Und um den Topf der Gemeinsamkeiten voll zu machen: Dorothea und Thomas Kiess haben beide einen Lehrauftrag an der Uni Siegen und gehören dem Barock-Ensemble der Philharmonie an, das Jahr für Jahr den Musikfreunden bei einem Silvesterkonzert in der evangelischen Kirche Hilchenbach die letzten Stunden des alten Jahres verschönert. Spezialist für Barocktrompeten ist Thomas Kiess durch ein Aufbaustudium geworden, das er parallel zu seinem Beruf von 2009 bis 2012 in Amsterdam absolvierte.
Die Töchter musizieren, der Sohn turnt
Dass er außerdem auch einmal in die Welt der heimischen Big Bands hineinschnuppern würde, erwähnt er so ganz nebenbei. Ebenfalls, dass die Kiess-Töchter die musikalischen Gene ihrer Eltern geerbt haben: Tochter Elisa beginnt ab Oktober ein Musik-Studium in Hannover mit dem Schwerpunkt Oboe, Johanna ist begeisterte Hobbymusikerin. Der 2007 geborene Sohn Gabriel beeindruckt auf einem ganz anderen Gebiet: Als Sportler ist er einer der vielversprechenden Nachwuchshoffnungen der Siegerländer Kunstturn-Vereinigung und konnte kürzlich sogar erste Erfahrungen in der 2. Turn-Bundesliga sammeln.
„Wir haben uns im Siegerland gut eingelebt und sind glücklich hier, auch im Orchester“, betonen Dorothea und Thomas Kiess. Und damit ist alles gesagt.
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