Netphen. Die Lebensmittelspenden werden weniger, der Bedarf größer. Tim Müller von der Siegener Tafel erklärt, warum trotzdem niemand hungern muss.
Rund 90 Familien, Paare und Einzelpersonen werden wöchentlich am Netpher Tisch mit Lebensmitteln versorgt. Sie erhalten dort gegen einen Beitrag von einem Euro vor allem Obst und Gemüse für drei Tage. Im Sozialausschuss berichtete jetzt Tim Müller, im Vorstand der Siegener Tafel für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig, über das Angebot. Die Tafel hat den „Tisch“, einst von der Lebenshilfe in der Georg-Heimann-Halle initiiert, 2020 übernommen – als eine von inzwischen 15 Außenstellen. Anders als an den meisten anderen Standorten stellt die Tafel in Netphen auch das ehrenamtliche Personal, das die Ausgabe – inzwischen im Gemeindehaus der Freien evangelischen Gemeinde an der Elisabeth-Grube-Straße – vornimmt: jeden Mittwoch von 13 bis 15 Uhr.
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Lebensmittelspenden werden weniger
Der Andrang ist so groß wie die Not. „Im Moment leider auch viele Mütter mit Kindern“, berichtet Tim Müller, und vor allem viele Geflüchtete. Wenn an einem Tag zu viele Neuanmeldungen kommen, die beim Beladen des Kühl-Lkw in Siegen nicht eingeplant werden konnten, „kann es sein, dass die Lebensmittel knapp werden.“ Tim Müller erinnert sich an einen Tag, an dem eine Mutter mit Kind mit leeren Händen weggeschickt werden musste. „Wir hatten tatsächlich überhaupt nichts mehr.“ Aufbewahrt werden die Lebensmittelspenden im Verteilzentrum in Siegen, wo in zwei Tiefkühlcontainern bis zu 48 bepackte Europaletten untergebracht werden können. Im gesamten Großraum Siegen, bis nach Olpe, fährt die Tafel, um aus Geschäften abgegebene Lebensmittel einzusammeln. Insgesamt versorgt die Siegener Tafel rund 3000 Bedürftige, 130 ehrenamtliche werden von zwei hauptamtlichen Kräften unterstützt.
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So wie die Nachfrage steigt, geht auch das Angebot zurück – die Geschäfte kaufen knapper ein. „Die Lebensmittelspenden werden weniger, im letzten Jahr mussten wir zukaufen.“ Das war möglich, weil die Tafel mehr Geldspenden entgegennehmen konnte. Vor allem „gesunde Sachen“, die schnell verderben würden, geben die Geschäfts an die Tafel ab: Obst und Gemüse. „Und nach Ostern und Weihnachten viel Schokolade.“ Netphener Besonderheit ist das Mittagessen, das der Malteser Hilfsdienst beisteuert, „am Morgen gekocht“. 50 Cent kostet die Mahlzeit.
Bürgerbus fährt extra zum Netpher Tisch
Damit Menschen aus entlegenen Ortsteilen den Netpher Tisch überhaupt erreichen können, hat der Bürgerbus zwei neue Linien eingerichtet, die nur mittwochs mittags fahren: die Linie 7 von Deuz über Grissenbach, Nenkersdorf, Walpersdorf und Beienbach nach Netphen, die Linie 8 von Dreis-Tiefenbach über Heckersberg, Reichspfad und Alte Burg, Eckmannshausen, Herzhausen und Frohnhausen. Nach etwa 40 Minuten geht es auf gleicher Route wieder zurück. Wer die Tafel-Berechtigung vorlegt. zahlt für die Hinfahrt den ermäßigten Fahrpreis von 1,70 Euro, die Kosten für die Rückfahrt übernimmt die Stadt.
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Im Sozialausschuss nimmt Tim Müller Dank entgegen. Wobei Lothar Kämpfer (SPD) auch die andere Perspektive wählt: „Das ist nichts anderes als ein Armutsbericht – man ist bedrückt.“ Dr. Myriam Schultze (CDU) wird deutlich: „Ohne Sie würden am Ende des Monats viele hungern.“ Wer Lebensmittel von der Tafel bekommen will, weist seine Bedürftigkeit nach: mit Wohngeld-, Renten-, Bürgergeld- oder Asylbescheid. Wobei die Einkommensgrenzen großzügig betrachtet werden, weil sie gar nicht so schnell nach oben angepasst werden können. Von der Inflation, sagt Tim Müller, „ist tatsächlich vor allem der Lebensmittelbereich betroffen.“
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