Siegen. Volt kritisiert Pride Siegen: Zu linke Inhalte würden Gesellschaft spalten, immer weniger mitmachen. Verantwortliche erneuern Kapitalismus-Kritik
Die Volt-Partei kritisiert die vergangene Pride-Kundgebung am 29. Juli für ihre inhaltliche Ausrichtung. Wie berichtet hatte es 2023 zwei parallele Veranstaltungen gegeben; ein Sommerfest des Vereins Queere Initiative Siegen (QIS) beim „andersroom“ sowie eine Kundgebung mit Demonstrationszug in der Innenstadt. Volt bedauert in einer Mitteilung, dass bei letzterer der Pride-Kerngedanke nicht mehr im Mittelpunkt gestanden habe und die Veranstaltung stattdessen für „völlig themenfremde“ Debatten, teils auch „extreme politische Positionen“ missbraucht worden sei. Die Verantwortlichen kontern: Das sei vielmehr Kern des Pride-Gedankens.
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Bei der von Roland Wiegel, auch Sprecher der Linke Siegen-Wittgenstein, angemeldeten Kundgebung war es inhaltlich auch um Kritik an Kapitalismus, Kolonialismus und Krieg gegangen. Viele politisch links orientierte Jugendorganisationen waren mit Infoständen vertreten, andere Parteien in dieser Form gar nicht. Dass viele sehr linke politische Positionen, darunter auch Israel-Kritik geäußert wurden, kam nicht bei allen gut an.
Die Vorgeschichte: CSD wurde in Siegen immer größer, bis Corona kam
Weite Teile der queeren Community betonen die politische die Neutralität von Pride-Veranstaltungen, jenseits vom Kampf gegen Kriminalisierung, Stigmatisierung und Ausgrenzung queerer Menschen, also aller nicht-heterosexuellen Personen. „Pride“ (englisch „Stolz“) wird im angloamerikanischen Raum für die in Deutschland lange als „CSD“ (Christopher Street Day) bezeichneten Veranstaltungen genutzt, inzwischen hat sich der Begriff auch in Deutschland durchgesetzt.
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Volt verweist in diesem Zusammenhang auf die Jahre 1999 bis 2019, in denen die zunächst als CSD bezeichnete Veranstaltung in Siegen von Jahr zu Jahr größer wurde, bis zuletzt ein Straßenfest mit vielen tausend Menschen gefeiert wurde. Die Corona-Pandemie bremste den CSD wie viele solcher Großveranstaltungen aus und kam danach offensichtlich nicht mehr richtig in Schwung. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, dass es schon seit einigen Jahren persönliche Differenzen zwischen Beteiligten gebe, auf Nachfrage wollte das aber niemand bestätigen. Informationen dieser Zeitung zufolge war es unabhängig davon immer schwieriger für die Verantwortlichen geworden, die geforderten Auflagen zu erfüllen und das Geld für die steigenden Kosten zusammenzubekommen.
Volt Siegen kritisiert Pride Siegen: Diverse Idee werde ins Gegenteil verkehrt
Volt bedauert die Entwicklung: „Pride im ursprünglichen Sinn stand bei der diesjährigen Veranstaltung, die auf dem Scheinerplatz stattfand, leider eindeutig nicht mehr im Mittelpunkt“, so die Partei: Stattdessen seien Nebenschauplätze eröffnet, politische Inhalte und Thesen verbreitet worden, die große Teile der Gesellschaft ausschließen würden. Die diverse Idee der „Pride“, so Volt, werde so ins Gegenteil verkehrt. Die Partei beobachtet diese Entwicklung zum wiederholten Mal: Ähnliches habe auch Fridays For Future erlebt. Auf dem Höhepunkt der Klimaschutzinitiative gingen 2019 insgesamt 1500 Menschen auf die Straße, daraus „wurden magere 300 im Jahr 2023“.
Volt sieht in dieser Entwicklung „Spaltung der Gesellschaft live in Action und daran nehmen wir nicht teil“, man lehne es ab, dass sich einzelne lokalpolitische Protagonisten auf Kosten wichtiger gesamtgesellschaftlicher Bewegungen selbst inszenieren würden. „Wir distanzieren uns klar von extremistischen Ideologien jeder Couleur, speziell lehnen wir Antisemitismus in jeder Form ab.“ Man wünsche sich, dass Bewegungen für Naturschutz, Menschenwürde und die Freiheit einstehen, in Siegen wieder Aufwind bekommen und „wieder für das stehen, was sie bewegen wollen; zugänglich für alle, die hinter der Sache stehen. Wir sagen: Siegen, reclaim your Pride!“
Pride Siegen reagiert: „Konsequent gegen Menschenfeindlichkeit des Kapitalismus“
Dass Pride in Siegen in den vergangenen Jahren immer weiter auch nach links gerückt sei, bestätigen Personen, die es wissen müssen (Namen sind der Redaktion bekannt). Es werde Werbung für die Linke gemacht, andere Parteien würden gar nicht eingeladen; in Kombination mit linken Slogans, Bannern und Plakaten sei man nicht sehr glücklich mit dieser Entwicklung. Was Fridays For Future angeht, sei die Volt-Darstellung allerdings nicht zutreffend, heißt es: Dass die Klimaschutzbewegung in Siegen derzeit nur noch wenig aktiv sei, habe andere Gründe als eine parteipolitische „Unterwanderung“.
„Die Pride in Siegen steht für den Kampf gegen Sexismus, Homophobie und Transphobie und für eine allseitige Entwicklung der Persönlichkeit unabhängig von Rollenbildern“, teilt Roland Wiegel in einer Stellungnahme für Pride mit: „Wir wollen das Problem an den Wurzeln packen und stehen in diesem Sinne konsequent gegen jede Menschenfeindlichkeit ein, die aus der kapitalistischen Gesellschaft hervorgeht. Das heißt auch, dass die Pride unabhängig bleiben soll und dieser Kampf nicht durch Kommerzialisierung verwässert wird.“ Negativbeispiel dafür sei die Präsenz der „Bild“-Zeitung bei der Kölner Pride gewesen, wo sie sich „auf scheinheilige Weise als divers und progressiv“ versucht habe darzustellen, obwohl sie inhaltlich offensichtlich ganz andere Positionen vertrete.
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Der politische Kern des CSD und der Pride solle beibehalten werden und wieder im Vordergrund stehen, heißt es weiter: Die Stonewall-Unruhen, Ausgangspunkt heutiger CSD- und Pride-Paraden, seien eben ein Aufstand der queeren Menschen in New York gewesen und „keine „Prestige-Veranstaltung für alle die sich ein buntes Image verleihen wollen“. Man wolle eine Welt frei von Unterdrückung und Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und der Herkunft. „Außerdem wollen wir eine Welt in der die Natur nicht ausgebeutet wird, weil Banken und Konzerne weiterhin Profit machen wollen während sich die Klimakrise in schnellen Schritten ins unvorstellbare bewegt. Wir laden alle, die es ehrlich meinen, dazu ein sich diesem Kampf anzuschließen!“