Hilchenbach. Das Hilchenbach vom Kreis 1,5 Millionen Euro bekommt, ist unwahrscheinlich. Eher wird Hilchenbach Geld an den Kreis abgeben.

Ausgerechnet auf der Bühne des Apollo-Theaters muss Bürgermeister Kyrillos Kaioglidis begründen, warum dem Kreis eine finanzielle Beteiligung am Kulturellen Marktplatz Dahlbruch gut anstünde. Die Umstände seines Auftritts vor dem Kulturausschuss des Kreistags, der dort tagt, passen: Schließlich, so die Hilchenbacher Argumentation, habe der Kreis ja auch das Apollo mit 1,5 Millionen Euro unterstützt. Dass der Kreis just in dem Moment, in dem Hilchenbach ebenfalls um 1,5 Millionen Euro bittet, seinerseits von der Stadt 1,45 Millionen Euro mehr Kreisumlage verlangt, ist natürlich ein Zufall.

+++Mehr Nachrichten aus Siegen und dem Siegerland finden Sie hier!+++

Was Hilchenbach will

„In Hilchenbach entsteht etwas Großes für Südwestfalen“, betont Kyrillos Kaioglidis. Das Ensemble aus Sport-, Freizeit- und Kultureinrichtung sei ein Beitrag zur Stärkung des ländlichen Raums, letztlich auch hilfreich für Unternehmen, die im immer weitere Umkreis nach Fachkräften suchen: „Das sind Angebote, die man vielleicht eher in der Stadt erwartet.“ Der Hilchenbacher Bürgermeister skizziert die Besonderheit des Ortes, der Begegnungen ermöglichen will: zwischen den 30 Vereinen und Nutzergruppen – einschließlich Jugendtreff –, die hier ihren Platz finden, und denen, die spontan ins Kino, ins Theater, zum Schwimmen, Essen oder Trinken kommen. Das Vorhaben werde nicht nur von der Bürgerschaft unterstützt, die sich in Arbeitsgruppen und im Bürgerverein engagiert, sondern auch von Sponsoren und Mäzenen wie Heinrich Weiss, dem Eigentümer der SMS group.

+++ Lesen Sie auch: Hilchenbach: Dahlbruch-Arena wird Kultureller Marktplatz+++

Schon 2013, bei der Bewerbung des Projekts für die erste Südwestfalen-Regionale, sei die Einmaligkeit des Vorhabens herausgestellt worden. Neben dem neuen Haus der Alltagskultur, das am 30. November eröffnet werden soll, entsteht ein Erweiterungsbau vor dem Theater mit Foyer, Gastronomie und zweiten Veranstaltungssaal. Dort können Filme laufen, während der Busch-Kreis das Theater belegt. „Für die Wirtschaftlichkeit des Kinos ist das enorm wichtig.“

Der Kulturausschuss reagiert zurückhaltend. „Ist das überhaupt ein Kulturprojekt?“, fragt Wolfgang Suttner (CDU) – nicht nur er möchte dargelegt wissen, wie viele der jetzt schon jährlich 200.000 Besucher tatsächlich Kino und Theater und nicht etwas Sporthalle oder Hallenbad nutzen. Kyrillos Kaioglidis wundert sich über den auf einmal wieder verengten Kulturbegriff („fast alles ist Kultur“), an dessen Überwindung die Hilchenbacher so lange gearbeitet habe – den Kreis-Politikern geht es aber vor allem um ihr kleines Budget. „Wir haben ganz große Probleme mit der Summe“, sagt Markus Böhmer (SWM).

+++ Lesen Sie auch: „Gigantisch“: So sieht es auf dem Kulturellen Marktplatz aus+++

Was der Kreis bietet

„Ich stehe hier nicht aus Spaß“, sagt Kyrillos Kaioglidis irgendwann und zählt die Vielzahl von Bemühungen um Geldquellen auf: „Wir versuchen überall, noch etwas einzuwerben, und wir sind für jeden Beitrag dankbar.“ Und ja, natürlich habe er mit seinem Kreuztaler Amtskollegen Walter Kiß gesprochen, antwortet er auf die Nachfrage des Kreuztalers Julian Maletz (SPD). Doch die Nachbarstadt, der die Stadthalle abgebrannt ist, hat bisher wenig Begeisterung gezeigt, auf den Kulturellen Marktplatz auszuweichen. Da ist die Nutzung des Hallenbades, das Kreuztal sich spart, schon interessanter.

+++ Lesen Sie auch: Kultureller Marktplatz: Hilchenbach will Geld vom Kreis +++

Vorher hat der Hilchenbacher eine ganze Weile zugehört, wie der Kulturausschuss sich bemüht, Literatur aufs Land zu bringen. Das Festival Vielseitig, so der Antrag der CDU, müsse doch nicht allein in Siegen spielen. Kulturbüro-Leiter Jens von Heyden winkt ab. Mit Vielseitig in Siegen und dem Literaturpflaster in Bad Berleburg sei das Angebot wohl „am Limit dessen, was an Publikum zu ziehen ist.“ Zumal die örtlichen Kulturgemeinden eigene Literaturveranstaltungen anbieten und der Kulturring gerade für 2024 einen gemeinsamen Saisonauftakt aller Veranstalter ein eigene Festival vorbereite. Wenig begeistert ist Prof. Dr. Daniel Stein: Für die Uni als Mitveranstalter ist das Festival auch studentisches Projekt. Wenn die Studierenden weiter die Veranstaltungen planen und organisieren sollen, müsse das schon aus praktischen Gründen in Siegen selbst passieren können. Darüber hinaus wolle die Uni den Aufenthalt in Siegen attraktiv machen – seit der Pandemie hat die Lust der Studierenden, nach Siegen umzuziehen, abgenommen. „Wir wollen die Menschen wieder vor Ort an diesen Standort bekommen.“ Wolfgang Suttner (CDU) schlägt vor, auf den „knalligen Festivaleffekt“ in Siegen nicht zu verzichten und es stattdessen am darauffolgenden Wochenende um ein „Vielseitig Plus“ in Umlandkommunen zu erweitern.

+++ Lesen Sie auch: Hilchenbach: Kultureller Marktplatz – keine volle Schönheit +++

Hilchenbachs Bürgermeister Kyrillos Kaioglidis lernt, dass vom Kreis wohl eher ein nicht gefragtes Literaturangebot als ein Batzen Geld zu erwarten ist, wenn die viel beschworene Ausweitung der Kulturförderung über das Siegener Stadtgebiet hinaus erfolgt. Dennoch, findet er, sei es wohl „mehr als fair, zumindest weiter darüber nachzudenken“. Das wollen die Fraktionen bis zur Haushaltsberatung im Dezember auch tun. Ob denn eine „Bauruine“ drohe, wenn es kein Geld gebe, fragt die Hilchenbacherin Regine Stephan (AfD). Nein, versichert Kyrillos Kaioglidis, die Stadt wird die 16,5 Millionen Euro aufbringen und den Kulturellen Marktplatz im Sommer 2024 eröffnen – nur die Finanzierung werde dann teurer für die Stadt.

+++ Lesen Sie auch: Kultureller Marktplatz Dahlbruch: Ganz heiße Phase beginnt +++

Mitnehmen darf der Hilchenbacher Bürgermeister Anerkennung und eine Portion Mitleid. Immerhin habe der das Projekt ja nur von seinen Vorgängern „geerbt“, meint Kulturausschussvorsitzender Hermann-Josef Droege (CDU): Die seien „vielleicht etwas unglücklich gestartet“ und hätten gezeigt „wie man solche attraktiven Projekte nicht anpackt“. Kaioglidis aber, so Droege, habe „imponierend argumentiert“. Bernd Mäckeler (Grüne) aus Siegen: „Ich bin ein großer Fan von Ihnen.“ Abgang von der Apollo-Bühne.

+++Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook!+++