Hilchenbach. Ein weiteres Mal demonstriert Hilchenbach gegen eine Neonazi-Veranstaltung. Diesmal mit dem Landrat und allen Bürgermeistern des Kreises.
Wieder so ein Samstag in Hilchenbach. Es ist der dritte, wird Heiner Giebeler von der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit später am Rednerpult sagen. Aber auch die dritte Demonstration gegen den Auftritt des rechtsextremistischen „3. Wegs“ in Hilchenbach sei „so wichtig wie zu Beginn“.
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Überall Regenbogenfahnen
Eine gewisse Routine liegt an diesem Samstagmittag über der Stadt. Die Geschäfte haben nicht mehr dicht gemacht wie noch vor einem Jahr, als die Rechtsextremisten zum ersten Mal einen „Tag der Heimattreue“ in Hilchenbach inszenierten. Die Terrassen von Eisdiele und Engelbert sind voll, überall in den Schaufenstern kleben die Plakate für „Hilchenbach ist bunt“, und Regenbogenfahnen sind nicht nur am Rathaus gehisst, sondern wehen auch aus so manchem Fenster.
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„Wie im Zoo“, sagt jemand, der sich mit anderen ans Geländer des Langenfelder Bachs lehnt, der den Marktplatz von der Gerichtswiese trennt. Dort ist das Dunkelgrün des „3. Wegs“ die beherrschende Farbe. Auf den Rücken von Sweatshirts stehen Aufschriften wie „nationalrevolutionär-sozialistisch“ und „Deutsches Reich“. Rund um Bierzeltgarnituren, Stühle und Tische stehen einschlägige Propaganda, ein Basketballkorb und - unter dem Sonnensegel – ein Rednerpult. Von dort wird später gegen die Reden oben auf dem Markt angesungen.
Demo: „Nazis raus aus Hilchenbach“
Dort versammeln sich nach und nach die Menschen, die sich mit den Hilchenbachern und ihrem Bündnis für Toleranz und Zivilcourage solidarisieren. Die Omas gegen Rechts, die Jusos, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten, die Grünen, die Linke, Siegen gegen Rechts… Im zweiten Jahr des 3.Weg-Büros in der Dammstraße rüsten beide Seiten auf: die Rechtsextremen mit deutlich stärkerer Präsenz auf vergrößerter Fläche – um die 100 sollen es diesmal sein, schätzt die Polizei –, das Bündnis mit dem Auftritt von Landrat Andreas Müller und, als Vertreter der Bürgermeister im Kreis, von Wilnsdorfs Bürgermeister Hannes Gieseler. „Siegen-Wittgenstein ist bunt“, wird der Landrat gleich am Ende einer umjubelten Rede rufen.
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Zuerst die Demonstration, wie im vorigen Jahr vorne weg mit dem Banner „Hilchenbach ist bunt“, das vom Hilchenbacher Jugendforum getragen wird. Gut 300 sind es diesmal, die vom Markt durch die Bruchstraße mitlaufen, in die Trift abbiegen und durch die Herrenwiese zurückgehen. „Nazis raus aus Hilchenbach“, skandiert die Menge. „Das Büro des 3. Wegs dicht machen“, lautet die Forderung auf einem Transparent. An der kritischen Stelle ist der Polizeikordon besonders dicht: Da, wo der Ruinener Weg auf die Gerichtswiese trifft, kommen sich Demonstrierende und die unwillkommenen Besucher am nächsten. Deren Aufmerksamkeit ist von der eigenen Bühne weg- und zu der Demonstration hingelenkt. Es bleibt friedlich, anders als im Vorjahr passiert nicht die kleinste Rangelei.
Andreas Müller: „Rechtsextreme haben hier keine Heimat“
Mit Absperrgittern hat die Polizei in der Mitte des Marktplatzes einen Puffer zwischen beiden Veranstaltungen hergestellt. So ohne weiteres kommt man nicht durch – es sei denn, man will tatsächlich weg von den Liedern der Antifaschisten und hin zu den eher martialischen Klängen auf der Gerichtswiese. „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“, hatte der vor ein paar Jahren verstorbene Liedermacher Franz-Josef Degenhardt gewarnt – sein Lied kommt über den Lautsprecher, bevor Olaf Bruch und Günter Stremmel die Kundgebung eröffnen.
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„Ich freue mich wirklich aus tiefstem Herzen, dass es bei uns einen breiten Widerstand aus der Zivilgesellschaft heraus gegen diese Rechtsextremen gibt“, sagt Landrat Andreas Müller, „das war schon in Siegen so, das ist jetzt auch hier in Hilchenbach nicht anders.“ Und: „Von hier geht eine klare Botschaft aus: Rechtsextreme sind bei uns nicht willkommen. Sie haben hier keine Heimat, und sie werden sie hier nie haben.“ Bürgermeister Kyrillos Kaioglidis, gegen den die Rechtsextremem aus der Dammstraße persönlich hetzen, dankt für die Unterstützung: „Danke, dass ich, dass wir nicht alleine sind, ihr Solidarität bekundet, und danke, dass ich, dass wir durch euren Rückhalt so manche durchaus persönliche Anfeindung und somit dunkle Stunde gemeinsam überstanden haben.“
Rechtsstreit
Stadt Hilchenbach und Kreis Siegen-Wittgenstein bemühen sich mit wechselndem Erfolg, durch ordnungsrechtliche Verfügungen den Betrieb der „3.Weg“-Geschäftsstelle zu unterbinden. Aktuell wirksam ist ein baurechtliches Nutzungsverbot, das aber ausdrücklich das Abhalten von Versammlungen ausnimmt.
Immer noch anhängig ist der Prozess um ein Vorkaufsrecht für das Haus Dammstraße 5, das die Stadt für sich in Anspruch nimmt.
Abgewartet wird jetzt eine richterlicher Entscheidung, wem das Haus wirkllch gehört: der Partei, die 2021 einen Kaufvertrag abgeschlossen hat. Oder der Stadt, die im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen ist.
Der Gebietsvorsitzende des „3.Wegs“ kann die Stadt auf „Abgabe einer Willenserklärung“ verklagen, sich aus dem Grundbuch löschen zu lassen. Die Stadt ihrerseits könnte den Parteifunktionär zu einer Erklärung zwingen lassen, auf die zu seinen Gunsten eingetragene Auflassungsvormerkung im Grundbuch zu verzichten.
Bisher ist nichts davon passiert. Der 3.Weg-Gebietsvorsitzende hat einen Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt, die Stadt Hilchenbach eine Räumungsklage erhoben. Vorstellbar ist auch, dass einer der Kontrahenten den vormaligen Eigentümer auf Schadenersatz verklagt – weil er dasselbe Haus zwei Mal verkauft hat.
Hannes Gieseler: „Wir müssen wieder zusammenrücken“
Sein Wilnsdorfer Amtskollege Hannes Gieseler überbringt die lang erwartete Solidaritätsadresse. Er sei bewegt, so viele Menschen and der Seite des Hilchenbacher Bündnisses zu sehen, sagt er. „Wir stehen geschlossen zu Bürgermeister Kyrillos Kaioglidis, der sich gemeinsam mit vielen anderen Menschen dagegen stemmt, dass Rechtsextremisten Fuß fassen können in seiner Stadt, in eurer Stadt. Und dass er in diesem Kampf nicht allein ist, das beweisen wir heute zusammen mit aller Kraft.“ Hannes Gieseler trägt aber auch mahnende Gedanken vor: Wenn Menschen sich von demokratischer Politik abwenden, liege das auch daran, dass sie sich vergessen fühlen, während Politik sich „viel zu oft“ nur um sich selbst drehe. „Wir müssen wieder zusammenrücken.“
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Die Dammstraße, der Tempel und ein Kirchentag
Über die Niederlassung des „3. Wegs“ in der Dammstraße – die unerwünschten Nutzer des Hauses lassen das Grundstück an diesem Tag bewachen – spricht auf dem Podium niemand. Alle ahnen wohl, dass die juristischen Auseinandersetzungen um das Haus, von der Räumungsklage bis zum Grundbucheintrag, einen langen Atem brauchen werden. Heiner Giebeler, Vorstand der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, wird danach sehr deutlich: Wenn es nach den Rechtsextremen auf der Gerichtswiese ginge, wäre der Hilchenbacher Bürgermeister gar nicht mehr im Land. Und viele andere auch nicht.
Draußen in der Wittgensteiner Straße schneiden die thailändischen Mönche die Hecke und kehren die Straße vor ihrem Tempel. Ihre leuchtend orangen Gewänder sind ein Kontrast zum dunklen Grün auf der Gerichtswiese. Noch weiter draußen, auf dem Gelände von Stift Keppel, haben sich die Hilchenbacher Christen zum ökumenischen Kirchentag versammelt. Hilchenbach ist nicht nur bunt. „Wir haben keine Angst“, hat der Bürgermeister auch gesagt.
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