Siegen. Bitte aussteigen, der Zug endet hier – an einem ländlichen Bahnhof, ohne Bus oder Klo. Manche Leute haben einfach Pech und erleben das zwei Mal…

Wenn sich Züge deutlich verspäten oder ausfallen, ist der Ärger bei den Betroffenen groß. Noch größer wird er, wenn die Fahrt zum Beispiel abends an einem entlegenen Bahnhof ohne Infrastruktur und weitere Verkehrsanbindung erzwungenermaßen endet. Auch wenn die Bahn nicht Schuld hat am Zugausfall, benötigen Fahrgäste Informationen, wie es weitergeht. Reisende, die sich in diesem Sommer gleich zwei Mal in einer solchen Situation fanden, haben sich an die Redaktion gewandt: Sie waren im Nirgendwo gestrandet und stundenlang sagte ihnen niemand, wie es weitergeht.

Zwei Mal auf dem Weg nach Siegen abends an sehr ländlichen Bahnhöfen gestrandet

1. Ein Sonntagabend im Juni, Stellwerkstörung in Kreuztal, ein Ruhr-Sieg-Express erreicht den Bahnhof Welschen Ennest und kann nicht weiterfahren. Alle Fahrgäste, Schätzungen nach bis zu 200, müssen aussteigen, heißt es schließlich. Es gibt nur die eine Trasse, andere Züge fahren nicht, um diese Zeit am Sonntagabend gibt es auch keine Busse mehr nach Siegen. Wer im Siegerland wohnt, lässt sich notgedrungen abholen, wenn machbar; Reisende die weiter wollen nach Köln, Gießen oder Frankfurt, bleiben sich selbst überlassen. Darunter viele ausländische Studierende. Auch das Zugpersonal habe keine Informationen gehabt, selbst nicht gewusst wie es weitergeht, die Menschen am Bahnsteig bekommen den übereinstimmenden Schilderungen zufolge keinerlei Informationen, wann und wie sie ihre Reise fortsetzen können. Geschäfte oder Kioske, wo sie etwas zu trinken kaufen oder die Toilette benutzen können, gibt es nicht.

Bahnhof Welschen Ennest: Sonntagsabends fährt hier kein Bus nach Siegen mehr
Bahnhof Welschen Ennest: Sonntagsabends fährt hier kein Bus nach Siegen mehr © Hans Blossey

2. Ein früher Montagabend Anfang August: Im Feierabendverkehr muss der Rhein-Sieg-Express in Eitorf stoppen – Unbekannte hatten Betonsteine auf die Schienen der Siegstrecke zwischen Köln und Siegen gelegt. Der Zug erfasst die Gegenstände, entgleist fast, wird erheblich beschädigt. Wiederum nicht die Schuld der Bahn, notgedrungen Endstation, die Strecke bleibt für mehrere Stunden unterbrochen. Während die Bahn das Triebfahrzeug untersucht und die Polizei wegen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr ermittelt und die Strecke schließlich wieder freigibt, müssen die Fahrgäste, darunter viele Berufspendler, den Zug verlassen. Auch in diesem Fall: Keine Infos wie es weitergeht. Wiederum habe das Zugpersonal nur mitteilen können, dass sie selbst auf Infos warten. Auch am Haltepunkt Eitorf gibt es demnach nichts für Nahrung oder Notdurft, immerhin fahren ab und zu reguläre Linienbusse, die aber viel zu wenig Kapazitäten für alle Zugfahrgäste haben. Die Bahn versucht, von den nächstgelegenen Bahnhöfen auf beiden Seiten der Sperrung einen Pendelverkehr aufzubauen.

Die Bahn war nicht schuld am Zugausfall auf Ruhr-Sieg-Strecke und Siegstrecke

Die Deutsche Bahn entschuldigt sich bei den Fahrgästen – der Ärger sei überaus nachvollziehbar. Zwar liege die Schuld für diese erzwungenen Zugausfälle nicht beim Unternehmen, aber die Kommunikation mit den Fahrgästen sei nicht gut gelaufen, bestätigt ein Bahnsprecher, man werde hier entsprechend sensibilisieren.

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Wenn ein Zug unterwegs stoppen muss, meldet der Lokführer Standort und Art des Vorfalls, so weit bekannt an die Leitstelle. Von dort werden weitere Maßnahmen ergriffen, etwa die Polizei verständigt. Bis die vor Ort ist, kann gerade in ländlichen Regionen einige Zeit vergehen. Mit der Zeit ergibt sich ein klareres Bild der Situation, das auch ans Bahnpersonal im betroffenen Zug zurückgekoppelt wird, das dann wiederum die Fahrgäste informiert. „Man kann oft nicht sagen, wie lange es dauert“, so der Sprecher. „Das ist auch schwierig für unsere Leute – die wissen es ja selbst auch nicht.“

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Je nach Umständen, wenn es wirklich lange dauert, organisiert die Bahn einen Busnotverkehr. In diesen Fällen war die Strecke gesperrt, also fuhren keine Züge, Busse gab es auch nicht. Noch stärker als in Ballungszentren ist es auf dem Land oft sehr schwer, ein Busunternehmen zu finden, das einigermaßen schnell vor Ort ist. „Die Busunternehmen warten nicht auf unsere Anfrage“, so der Bahnsprecher. Man strebe an, dass solche Ersatzbusse innerhalb von anderthalb Stunden bereitgestellt sind – dass es wie hier erheblich länger dauert, sollte demnach eigentlich nicht vorkommen.

Zugausfall, es geht nicht weiter, stundenlang – diese Rechte haben Fahrgäste in NRW

Es ist aber vorgekommen. Generell greift bei Verspätungen die NRW-Mobilitätsgarantie: Sind 20 Minuten überschritten, können Reisende auf andere Verkehrsmittel umsteigen – die 20 Minuten gelten allerdings nicht am Ziel, sondern bei der Abfahrt und nur, wenn innerhalb dieser 20 Minuten keine andere Verbindung genutzt werden kann. Bei Verzögerungen während der Fahrt greift die Mobilitätsgarantie also nicht, erst recht nicht, weil die Ursache außerhalb des Verantwortungsbereichs der Bahn liegt.

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Bleibt also im Grunde nur Taxi, wer wirklich nicht weiter kommt. Maximal 80 Euro werden laut Bahn ersetzt, wenn...

… eine planmäßige Ankunftszeit zwischen 0 und 5 Uhr und eine zu erwartende Verspätung von mindestens 60 Minuten am Zielbahnhof vorliegen,

… der ausgefallene Zug die letzte fahrplanmäßige Verbindung des Tages ist und der Zielbahnhof ohne andere Verkehrsmittel nicht mehr bis 24 Uhr erreicht werden kann,

… es zu spät für eine Weiterfahrt am selben Tag ist.

… die Bahn kein anderes Verkehrsmittel zur Verfügung stellen kann. Dafür braucht es allerdings Kommunikation: Wenn nach zwei Stunden keine Info da ist, dass man irgendwann im Nirgendwo abgeholt werden wird, ist das Taxi wohl die letzte Alternative – in der Hoffnung, dass die Bahn die Kosten dafür erstattet. Dem Bahnsprecher zufolge werde das in Fällen wie in Welschen Ennest auch getan.

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Laut der Fahrgastrechte kann außerdem ein Teil des Ticketpreises zurückverlangt werden, wenn Fahrgäste mindestens eine Stunde später ankommen als geplant. Dann gibt es 25 Prozent der Kosten zurück, bei zwei Stunden 50 Prozent. Das gilt auch im Nahverkehr – und auch bei Zeitkarten wie Monatstickets für Pendler. Bei 60 Minuten Verspätung sind das in der 2. Klasse 1,50 Euro – Entschädigungsbeträge von weniger als 4 Euro pro Monat werden allerdings nicht ausgezahlt. Seit Juni müssen Bahnunternehmen laut Verbraucherzentrale aber nicht mehr zahlen, wenn „außergewöhnliche Umstände“ vorliegen, für die sie nicht verantwortlich sind.