Weidenau. „Hüttental“ war ein graues, heruntergekommenes Industriestädtchen. Das wurde mit dem neuen Einkaufszentrum, heute Siegerland-Center, sehr anders.

Eigentlich wird nachgefeiert: Es war der 6. April 1973, als Hans-Georg Vitt, Bürgermeister der Stadt Hüttental, mit Amtskette geschmückt das Siegerlandzentrum eröffnete. Mit einem Kindersommerfest wird am Samstag, 3. Juni, das 50-Jährige begangen.

Ein Hauch von Nostalgie schwebt immer durch die Weidenauer Facebook-Gruppe, wenn dort Fotos aus den 1960er und 1970er Jahren geteilt werden. Tatsächlich war das Industriestädtchen, 1966 mit Geisweid und weiteren Orten zur Retortenstadt „Hüttental“ vereinigt, ziemlich grau und heruntergekommen: eine Hauptstraße, die heutige Weidenauer Straße, an der sich das Geschäftsleben abspielte. Auf der anderen Seite der Sieg die Grabenstraße, hinter der sich das Deula-Gelände mit einem Sportplatz ausbreitete – der Kernbereich des späteren Einkaufszentrums.

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Der Stadtkern von Weidenau war – wie so viele Stadtkerne in dieser Zeit – „Sanierungsgebiet“. Worunter man „Flächensanierung“ verstand – der Bebauungsplan zeigt zwischen Weidenauer, Bismarck- und Poststraße vor allem rot durchkreuzte Gebäude, die zum Abriss bestimmt waren. In der Begründung des Bebauungsplans wird der bevorstehende Ausbau der Weidenauer Straße und der Neubau des Hüttentalstraße genannt: „Durch diese überörtlichen Straßenbaumaßnahmen werden vor allem die mit Geschäftshäusern bebauten Grundstücke so stark betroffen, dass praktisch von einer Vernichtung des bisherigen Geschäftsgebietes gesprochen werden muss.“

Erstmals in Weidenau: Parkhäuser und Cola zum Selbstzapfen

Das Siegerlandzentrum in Bau: Das Kaufhaus Wagener entsteht.
Das Siegerlandzentrum in Bau: Das Kaufhaus Wagener entsteht. © Jürgen Schade | Sammlung Paul Hövelmann

Ersatz sollte ein „attraktives Geschäftszentrum“ auf dem 2,8 Hektar großen Gelände bieten, das die Stadt kaufen konnte, nachdem die Rheinstahl-Tochter nach Dreis-Tiefenbach umgezogen war. Nach und nach verschwand nach 1970 die Grabenstraße: Sie wurde zur neuen Fußgängerzone „Hauptmarkt“ aufgeschüttet: Mit einem Modegeschäft und Betten Blecher ging es los, erster großer Blickfang wurde der Neubau des Kaufhauses Wagener, das von der Ecke Auf den Hütten/Siegstraße umzog und später Richtung Bismarckstraße erweitert wurde. Die Geschäftszeile wurde von einer Passage unterbrochen, das Hertie-Kaufhaus mit vier Etagen schloss sich an.

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Wagener und Hertie hatten Lebensmittelabteilungen und Restaurants, hinter ihnen in der zweiten Reihe zog der „Pinguin“-Lebensmittelmarkt ein, der vorher an der späteren Einmündung der Bismarckstraße in die Weidenauer Straße stand. In der Fußgängerzone gab es Schuh-, Uhren-, Schallplatten-, Bekleidungsgeschäfte, das Café Harr in der ersten Etage, Eisdiele, ein Selbstbedienungs-Restaurant, in dem Gäste sich die Cola selbst zapfen konnten – und den ersten Aldi-Discountmarkt Weidenaus. Das Einkaufszentrum wuchs: Vorn an der Weidenauer Straße, zwischen Hauptmarkt und Bismarckstraße, entstand eine Ladenzeile mit Café, Drogerie, Buchhandlung und einer Discothek. Hinten wurde ein Parkhaus gebaut, ein weiteres am Zentralparkplatz hinter dem Kaufhaus Wagener – Weidenaus erste Parkhäuser...

Aus dem Sparkassenhochhaus an der Haardter Brücke fällt 1971 dieser Blick auf die Baustelle des Weidenauer Einkaufszentrums.
Aus dem Sparkassenhochhaus an der Haardter Brücke fällt 1971 dieser Blick auf die Baustelle des Weidenauer Einkaufszentrums. © Sammlung Burkhard Schneider | Sammlung Burkhard Schneider

Das Hertie-Kaufhaus ging schon nach wenigen Jahren in die Knie. Ab Anfang der 1980er Jahre versuchte in den oberen Etagen ein Möbelhaus sein Glück, während das Erdgeschoss zunächst von dem Hertie-Ableger Bilka und zuletzt von der Kaufhalle betrieben wurde. Heute ist das Gebäude im Erdgeschoss Ladenpassage mit Lebensmittelmarkt, darüber sind Spielzeugmarkt, Textildiscounter und ein Mediamarkt, das ehemalige Restaurant hat sich in ein Fitnesscenter verwandelt.

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Modernisierung mit überdachter Mall

Der Abrissbagger tat weiter sein Werk, nachdem bereits für das Einkaufszentrum 61 Gebäude abgerissen worden waren: Am Ende waren zwischen ehemaliger Bahnhofstraße und Post – da, wo heute die neue Straße „Bahnhof Weidenau“ abzweigt – auf beiden Seiten alle Geschäftshäuser abgerissen. Die Fabriken verschwanden, massive mehrgeschossige Bürobauten wurden an ihrer Stelle errichtet. Das Nachbargebäude des Finanzamts wurde wieder frei, die Stadt Siegen zog ein, sodass Weidenau auf einmal wieder ein Rathaus hatte, inzwischen längst auch ein Sanierungsfall.

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1998 ging die Stadt Siegen die Modernisierung des Siegerlandzentrums an, „um dem Zentrum ein neues Flair und Ambiente zu geben und um das Einkaufserlebnis für die Kundschaft zu intensivieren“, wie es in der Begründung des Bebauungsplans heißt. Im Erdgeschoss des Parkhauses am Zentralparkplatz entstanden weitere Ladenflächen, unter anderem für einen Elektrogroßmarkt. Und die Passage zwischen Ex-Hertie und den gegenüberliegenden Geschäften – in den Obergeschossen sind Wohnungen – wurde überdacht; seither hat Weidenau eine „Mall“, in der es draußen zu jeder Jahreszeit Kaffee, Kuchen und Eis gibt.