Siegerland. Zur Auffahrt Richtung Dortmund: Schwertransport muss auf Landstraße, unter A 45 her. Wer darf das genehmigen? Am Ende braucht es einen Minister.

Bürokratische Hürden für Schwertransporte sind immens. Und es wird schlimmer, statt besser. Speditionen haben zunehmend Probleme, übergroße, schwere Fracht ans Ziel zu bringen. Inzwischen, sagt ein Unternehmer aus dem Siegerland, würden sich Kunden selbst in die Region einladen: „Sie wollen vor Ort gucken, ob wir ihnen keinen Quatsch erzählen.“ Aber es ist wirklich so.

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Probleme macht nicht nur marode Verkehrsinfrastruktur im ganzen Land, sondern vor allem schier endloser Papierkrieg und Auflagen gewaltigen Ausmaßes – bevor es überhaupt losgeht.

A 45: Warum eine Spedition nicht Richtung Dortmund auffahren darf – aber nach Siegen

Die Spedition Bender, Betriebsgelände nahe der A 45 in Freudenberg, wollte mit einem genehmigungspflichtigen Schwertransport-Fahrzeug auf die Autobahn Richtung Lüdenscheid fahren. Das scheiterte schon nach wenigen Metern: Es gab keine Genehmigung, die A 45 auf der Landstraße 562 zu unterqueren. Stattdessen: Richtung Siegen auffahren, wenden, in die gewünschte Richtung wieder drauf.

Grund war der Wechsel der Zuständigkeit, von Straßen NRW zur Autobahn GmbH. Die müssen solche Schwertransporte genehmigen. Für die L 562 ist an dieser Stelle Straßen NRW zuständig, die Autobahn GmbH für die Brücke. Es ließ sich nicht klären, welche Stelle zuständig ist und die Genehmigung erteilen darf, sagt Fabian Jung, Assistent der Geschäftsleitung der Spedition Bender. „Wir kamen mit dem Fahrzeug nicht vom Hof.“ Schließlich wandte sich das Unternehmen mit Unterstützung der IHK an NRW-Verkehrsminister Krischer, der per Erlass regelte: Straßen NRW darf die Durchfahrt über die Landstraße und unter der Autobahn genehmigen.

Dieses Beispiel ist gewissermaßen nur die Spitze eines Eisbergs von Vorgaben und Regelungen, von überregulierender Bürokratie, die Speditionen und Logistiker für einen Schwertransport erfüllen und beachten müssen.

Alle Behörden, die irgendwie von Schwertransport betroffen sind, müssen zustimmen

Ein Hauptproblem ist die große Zahl der beteiligten Stellen: Könnte der Transport einfach in Siegen auf die Autobahn fahren und in Hamburg wieder runter, wäre alles halb so wild – die Autobahn GmbH ist zuständig, würde genehmigen – wobei auch hier jüngst massive Probleme bekannt wurden (siehe Infobox). Aber: Straßen und Brücken sind vielerorts marode, und das wird nicht besser. Also müssen die Speditionen Routen über Land-, Kreis- und Kommunalstraßen austüfteln, die Gewicht und Größe ihrer Transporte aushalten. Und alle entlang der Route müssen das genehmigen.

Pech in Niedersachsen und Hessen

Bei der Autobahn Nordwest, zuständig für weite Teile Niedersachsens und Hessens, liegen aktuell rund 15.000 unbearbeitete Anträge auf Großraum- und Schwerlasttransporte. Das berichtet das „Handelsblatt“: Bis Juli würden zudem wegen IT-Problemen keine Anträge mehr angenommen, die bisher vorliegenden Anträge würden anhand des Datums abgearbeitet. Damit, heißt es dort, „erreicht die Exportnation Deutschland einige ihrer Seehäfen nicht mehr“ – viele Spediteure würden auf Belgien, die Niederlande oder gar Italien ausweichen.

Wochen und Monate kann das dauern, der Aufwand ist gigantisch. Autobahn, Straßen NRW, Bezirksregierungen, Landkreise, Polizeibehörden, Rathäuser. Oft sind 25 bis 30 Behörden mit einem einzigen Schwertransport befasst, irgendwer hat immer Rückfragen, auf die die Spedition besser eine Antwort hat. „Die Kolleginnen und Kollegen, die die Anhörungsverfahren bei uns bearbeiten: Denen müssten wir eigentlich jeden Morgen einen roten Teppich ausrollen“, sagt Fabian Jung. Und in dieser Art geht das weiter: Ändert sich das Ladegut – neue Genehmigung. Auch wenn die Spedition die gleiche Strecke schon letzte Woche gefahren ist. Weil auch das untergeordnete Straßennetz immer maroder wird – manche kleineren Brücken dürfen zum Beispiel nur nur einmal in drei Monaten befahren werden, um sie nicht zu überlasten. Für die Branche ist das Willkür, ein Sinn sei darin nicht erkennbar – sie beugen sich aber natürlich, notgedrungen, trotzdem.

Auflagen und Vorgaben für die Fahrt: Ausgedruckt auf Papier Format Quelle-Katalog

Selbst wenn alles erledigt ist, der Schwertransport fahren kann, sind die bürokratischen Auflagen kaum erfüllbar. Alle Vorgaben füllen viele hundert Seiten Papier, die Fahrer und Begleitpersonal kennen müssen – wo in welcher engen Kurve welche Absperrung wie zu stehen hat... Alle Formulare für eine Fahrt haben zusammen das Format „Quelle-Katalog“. Diese Unmengen an bedrucktem Papier können digital kaum verschickt werden – zu groß für eine E-Mail. Die Daten ins System der Spediteure eingeben, würde noch mehr Zeit in Anspruch nehmen und wenig daran ändern, dass diese sogenannten „Road Maps“ für die Fahrer kaum händelbar sind.

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Beispiel aus dem „Auflagenkatalog für Großraum- und/oder Schwerverkehr“, eine von aberhunderten Positionen: „(…) Neben den generellen Auflagen Nr. 20, 22 und 35 (RGST 2013) ist der GST durch ein BF3 Fahrzeug in allen zu befahrenen BAB-Kreuzen bzw. BAB-Dreiecken wie folgt zu sichern: Das hinten fahrende BF 3 hat ab Ankündigungsbake Vz450-52 (300m) bis zum Erreichen der Einfädelungsspur das Vz 276 ‘Überholverbot für Kraftfahrzeuge aller Art’ zu setzen. Der GST hat den Streckenverlauf beim Wechsel der BAB flüssig und ohne Anzuhalten zu durchfahren (...)“

Schwertransporte immer komplizierter – existenzbedrohend für Siegerländer Firmen

Bei Schwertransporten sind die Fahrer nicht allein, sie werden von sogenannten Verwaltungshelfern begleitet, zum Einweisen und Absichern. Auch sie müssen die Auflagen entlang der Route kennen, müssen eingewiesen werden, was im Vorfeld wiederum enormen Aufwand für die Spedition bedeutet. Bis vor einigen Jahren begleitete die Polizei Schwertransporte – die darf jederzeit in den Verkehr eingreifen, auch die Straße betreten, um Verkehrsschilder abzumontieren, damit der Transport durchpasst. Aber weil die Polizei von dieser Aufgabe abgezogen wurde, müssen all diese Dinge im Vorfeld genehmigt werden, damit es Verwaltungshelfer tun dürfen. Außer in Niedersachsen: Da gibt es ausgebildete Hilfspolizisten, die bei Schwertransporten die entsprechenden Befugnisse haben. „Das würde bei uns einfach alles erleichtern“, sagt Fabian Jung.

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Den Kunden angesichts dieser Hürden frühzeitig einen Liefertermin zu nennen, ist kaum möglich. Vielleicht dauert es vier Wochen, vielleicht auch zwölf. Immer mehr Spediteure haben den Eindruck, dass es ihnen absichtlich so schwer gemacht wird, weil nie etwas einfacher wird, sondern immer nur noch komplizierter. „Es ist eine Katastrophe“, seufzt einer. Schwertransporte sind so kompliziert geworden, dass es für manche Unternehmen Richtung existenzbedrohend geht – nicht nur für die Speditionen, sondern zum Beispiel auch für die Siegerländer Schwerindustrie. Die produziert sehr große und schwere Produkte, die international verkauft, hat es dabei aber immer schwerer, diese Produkte auch zu liefern: „Der Transport schreckt manche Kunden so ab, dass sie hier nicht mehr kaufen.“