Walpersdorf. Tony Rinaudo hat den alternativen Nobelpreis bekommen, weil er die Wüste grün werden lässt. Nun sieht er sich die Borkenkäfer-Steppe an.

Reinhold Wageners Hände sind von der Arbeit fast so schwarz wie die Holzkohle, die der Walpersdorfer Köhler regelmäßig aus seinen Kohlenmeilern herausholt. Diesmal kommt ganz besonderer Besuch: Bundestagsabgeordneter Volkmar Klein bringt den 66-jährigen australischen Agrarwissenschaftler Tony Rinaudo mit. Der ist bei World Vision aktiv und wurde 2018 als „Waldmacher“ für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Zusammen mit Yacouba Sawadogo erhielt er den alternativen Nobelpreis Right Livelihood Award.

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Tony Rinaudo entwickelte in den 1980er und 1990er Jahren die Wiederaufforstungstechnik „Farmer Managed Natural Regeneration“ (FMNR), bei der aus den unter dem Wüstensand verborgenen Wurzelsystemen Bäume herangezogen werden konnten. So wurden erfolgreich Teile der Sahelzone wieder begrünt. Tony Rinaudo und sein Mitarbeiterteam konnten mit dieser Methode über 200 Millionen neue Bäume in der Sahelzone heranziehen. Andere Teams zogen weitere 600 Millionen mit seiner Technik heran. Insgesamt gab es bis 2019 20 Millionen Hektar mit einer durchschnittlichen Baumdichte von etwa 40 Bäumen pro Hektar. Die mühsame Arbeit eines Entwicklungshelfers, wüstenähnliche Landschaften in Wälder und fruchtbares Ackerland zu verwandeln und somit auch Kindern eine gesunde Lebensperspektive zu eröffnen, wird auch international als wichtiger Beitrag zur Bekämpfung von Hungersnöten sowie zur Reduzierung von Armut und Umweltzerstörung angesehen.

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Köhlerei gehört zur Haubergswirtschaft dazu

Nicht nur in Siegen-Wittgenstein spielen Bäume und Wälder also eine wichtige Rolle. Weltweit kann Aufforstung dazu beitragen, Klimaschutz zu betreiben und Lebensräume zu sichern. Wenn die „grünen Lungen der Erde“ in Südamerika und Afrika intakt sind, dann profitiert auch Deutschland davon. Zusammen mit dem scheidenden Vorsitzenden von World Vision, Christoph Waffenschmidt, nahm Tony Rinaudo nun die Einladung von Volkmar Klein den Termin wahr, das Siegerland kennenzulernen und um über Chancen und Potenziale von Aufforstungen und Regeneration von Wäldern zu sprechen.

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Am Kohlenmeiler im Langenbachtal in Walpersdorf konnte sich Tony Rinaudo über die traditionelle Siegerländer Form der Holznutzung informieren. Köhler Reinhold Wagener erklärte dem Besucher den Aufbau eines Kohlenmeilers sowie dessen Nutzung. Die Köhlerei sei ein wichtiger Bestandteil der Haubergswirtschaft.

Kein Kontinent hat mehr Wald verloren als Afrika. Der australische Agrarexperte Tony Rinaudo hat in den letzten 35 Jahren Millionen Kleinbauern in Afrika dazu inspiriert, Bäumen als Hüter fruchtbarer Erde und des Regens eine Chance zum Wachsen zu geben, statt sie als Feinde oder nur als Futter und Feuerholz zu betrachten. Viele haben erkannt, dass sie bereits durch natürliche Regeneration der lokalen Vegetation verloren gegangene Lebensgrundlagen wiedergewinnen, bessere Ernteerträge haben und sogar Dürren abmildern können. Beispiele werden in dem 2018 erschienenen Buch „Der Waldmacher“ vorgestellt.

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Die Wüste in der Sahel-Zone gestoppt

Natürliche Regeneration spielt eine wichtige Rolle bei der Milderung der Klimaveränderungen und der Verringerung des Welthungers spielen. So stand Tony Rinaudo vor rund 35 Jahren vor der schier unlösbaren Mammutaufgabe, die Ausbreitung von Wüsten in der Sahelzone zu stoppen. Doch in einer kargen Landschaft im Niger entdeckte er, dass zerstörter Wald in einem unterirdischen Wurzel-Netzwerk fortleben und wiederbelebt werden kann, wenn man nur die nachwachsenden Triebe schützt.

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Ihm kam die Idee, Bauern dafür zu gewinnen, und daraus entwickelte er sein Konzept einer von Landwirten selbst verwalteten natürlichen Regeneration (FMNR: Farmer Managed Natural Regeneration). Dieses Konzept hat sich inzwischen in mehr als 20 Ländern als erfolgreich erwiesen. Da es bei geringen Kosten und wenig Risiken viele Vorteile für die Landwirtschaft und das lokale Klima hat, verbreiten die Bauern die Anwendung der von Rinaudo gelehrten Schnitt- und Management-Techniken selbstständig von Dorf zu Dorf. Allein in Niger konnten mit Hilfe von FMNR etwa sechs Millionen Hektar Wald wieder aufgeforstet werden. Bei seinem Besuch im Siegerland schaut Tony Rinaudo mit besonderem Interesse darauf, wie Wald- und Forstwirtschaft hier den Wald wieder wachsen lassen, den Dürre und Borkenkäfer zerstört haben.

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