Siegen. Edgar Schneider backt gern und hervorragend. Und er ist Wirtschaftsingenieur. Das macht den Siegener zu einem findigen Unternehmer und Gastronom.

Wenn Gründen, dann am besten im Studium, meint Edgar Schneider. „Nachher im Job macht man’s nicht mehr“. Einen Maschinenbaubetrieb zu gründen sei nicht so einfach, sagt der Wirtschaftsingenieur. Also gründete er ein Café, das „Bergwald“ an der Löhrstraße in der Oberstadt. Schneider hat immer schon gerne Torten gebacken, wollte früher mal Konditor werden. „Ich bin aber eher Unternehmer als Gastronom“, sagt er. Sein Café führt er nach maximal wirtschaftlichen Prinzipien und ist damit erfolgreich. Sag noch einer, dass man an der Uni nichts fürs Leben lernt.

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Ursprünglich wollte er mal raus, aber „Siegen bleibt halt Heimat“, sagt Schneider. Außerdem will er was bewegen – und die Stadt ist überschaubar. „Das kann man mit prägen.“ Ein Café und eine Bar zu eröffnen, das verändert die Oberstadt durchaus. In Berlin wäre das anders gewesen, „da geht man unter“. Dort holte er sich Inspiration fürs Konzept, schrieb einen Businessplan, rechnete sehr realistisch, um vorbereitet zu sein. Ging an die Sache heran, wie das ein Industrieunternehmen tut: Produktentwicklung. „Erstmal alles vergessen, was man kennt“, sagt der Siegener, „bei Null anfangen. Als ob es noch nie ein Café auf der Welt gegeben hätte.“ So plante er das „Bergwald“ durch.

„Deko ist nur ein Kostenfaktor“: Was das Café Bergwald so ungewöhnlich macht

Und eröffnete es Ende 2019, fast direkt in die Corona-Phase hinein. Schwierige Startbedingungen in einem ohnehin schwierigen Markt, meint er – aber er war ja vorbereitet. Seit dem ersten Lockdown hatte das Bergwald eigentlich die meiste Zeit zu, dümpelte eher vor sich hin. Wenn unklar ist, und und wann man wie öffnen darf, wird kein Personal eingestellt. Schneider konnte dem aber auch Positives abgewinnen: Sein Plan funktionierte: Das Bergwald ist durchgekommen. Die Zwangspause wurde zur kreativen Phase. „Ich renoviere selber“, sagt er. Ein Handwerk habe er zwar nie gelernt, es macht ihm aber Spaß. Er gründete noch eine Firma, eine Hausverwaltung, die Dienstleistungen für die „Kleinigkeiten“ anbietet, für die aufgrund des Fachkräftemangels kaum noch ein Handwerker zu bekommen ist. Eine Marktlücke: Schneider hatte schlechte Erfahrungen mit anderen Hausverwaltungen gemacht hatte und dachte sich: „Das kann ich besser.“

Bei jungen Menschen beliebt, als Arbeitsplatz wie auch als Kundschaft: Das Café Bergwald in Siegen
Bei jungen Menschen beliebt, als Arbeitsplatz wie auch als Kundschaft: Das Café Bergwald in Siegen © Hendrik Schulz

Schneiders Grundprinzipien: Flexibilität, Schlichtheit, optimale Nutzung von Ressourcen. Wirtschaftliches Denken. „Vertikale Sichtweise“ nenne sich das in der Industrie, erklärt er, Geld sparen durch Optimierung. Die versuchte er, auf ein Café zu übertragen. Ob man Maschinen verkaufe oder Gastronomie – letztlich egal, sagt er. Das Bergwald ist im schlichten „Industrial Design“ gestaltet. Deko, sagt Schneider, „ist nur ein Kostenfaktor“ Wenn der Laden voll sei, sehe man davon eh nichts. Und in Zeiten allgemeiner Social-Media-Reizüberflutung sei es doch auch mal ganz schön, Ruhe auszustrahlen. Letztlich gehe es in Cafés doch ums Treffen, sich gegenüberzusitzen – Menschen stehen im Fokus, findet Schneider, nicht der Raum. Einzige Deko: Sein Motorroller. „Ich brauchte eigentlich nur einen Platz zum Unterstellen.“

Bevor der Kuchen im Café Bergwald weggeworfen wird, verschenkt er ihn an Kunden

Die Karte im Bergwald ist überschaubar. Edgar Schneider legt Wert auf Qualität und Frische seiner Produkte, alles so regional wie möglich. Nicht über Bedarf produzieren: „Wenn’s alle ist, ist’s alle.“ Das müsse man den Kunden manchmal auch erklären. Bevor Kuchen weggeworfen wird, verschenkt er ihn aber auch an die Kundschaft. Beziehungspflege: Die freuen sich, kommen wieder, empfehlen weiter. Sonntags ist in Cafés immer viel los, es braucht mehr Kuchen, meist bleibt auch viel übrig. Montags ist dann zu. Edgar Schneider sah die Marktlücke: Er öffnet montags und verkauft den Kuchen, der sonst weggeworfen worden wäre.

Schlicht, kaum Deko – außer Edgar Schneiders Motorroller.
Schlicht, kaum Deko – außer Edgar Schneiders Motorroller. © Hendrik Schulz

Schneider ist aber nicht ausschließlich Unternehmer, sondern auch ein bisschen Idealist. Und gerne Gastgeber. Es gibt viele vegane Lebensmittel im Café Bergwald, schon deswegen, weil die Nachfrage groß ist. Aber er berechnet zum Beispiel für Hafermilch nichts extra, wie das viele andere tun. Die sei zwar teurer, aber auch besser für die Umwelt. „Kein Extrapreis für was Besseres“, sagt er.

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Seinen Angestellten zahlt er 12 Euro die Stunde, plus Trinkgeld, auch wenn sie keinerlei Erfahrung hatten. „Das muss ein kleines Café erstmal verdienen.“ Aber es funktioniert, Servicekräfte kämen von selbst, viele Studierende. Personal war vor allem in der Corona-Zeit ein Riesen-Problem für die Gastronomie.

Konzept des Café Bergwald wird immer wieder den Bedürfnissen der Kunden angepasst

„Wenn etwas gut läuft, ruht man sich schnell drauf aus“, sagt Edgar Schneider. Die Welt werde aber immer schneller, gerade beim jüngeren Publikum müsse man immer reagieren. Also reagiert er. Erweitert das Angebot, um Alkoholausschank etwa, Antipasti, Frühstück, alles so regional wie’s geht. Schneider passt das Konzept den Bedürfnissen der Kundschaft an, wenn etwas nicht funktioniert, ändert er es. „Ich habe immer ein Notfallkonzept“, sagt er. Die Räume an der Löhrstraße könne er zum Beispiel für Feiern vermieten, für Empfänge nach Hochzeiten etwa, oder als Büroräume, im Sommer, wenn der Innenraum bei gutem Wetter nicht so stark ausgelastet ist. Die Möbel sind so konstruiert, dass man sie gut zu Tisch- und Sitzgruppen zusammenschieben kann.

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Kürzlich hat er auch noch die Peter Paul Bar an der Marburger Straße eröffnet. Die Immobilie stand länger leer, er fand sie in den Kleinanzeigen, fragte einfach mal an und bekam die Zusage. „Eine Bar geht immer“, sagt er, „das ist ein sicheres Geschäft.“ Gerade in Siegen, findet er, wo es in der Gastronomie „vorne und hinten“ fehlt. Weil er fast alles selbst macht, hat er kaum Risiko – Schneider ist halt in erster Linie Unternehmer. Ob er nochmal in seinen eigentlichen Beruf zurückkehrt? „Ich bin komplett ausgelastet...“