Siegen. 441,6 Tonnen Kohlendioxid sind an den drei Tagen Stadtfest 2022 in Siegen erzeugt worden – dafür brauchen 41 Menschen ein ganzes Jahr.

Stadtfest 2022 war klimaneutral. Nicht, weil der sparsame Umgang mit Strom und Wasser, der heruntergedrosselte Pkw-Verkehr, Abfallvermeidung und Mülltrennung allein dazu geführt hätten. Sondern weil die Stadt den Schaden für Klima und Umwelt, der dennoch entstanden ist, mit einer Geldzahlung kompensiert. Rund 10.000 Euro werden einer zertifizierten Agentur überwiesen, die das Geld in Klimaschutzprojekte investiert.

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Stadtfest Siegen 2023 wird vegetarischer

Lars Ole Daub, Leiter der Klimaschutz-Stabsstelle bei der Stadt Siegen, legt die Bilanz vor: 441,6 Tonnen Kohlendioxid sind beim Stadtfest vom 26. bis 28. August 2022 erzeugt worden: der größte Teil nicht etwa durch den Verkehr (177,3 Tonnen), sondern durch das Essen und seine Zubereitung (263,7 Tonnen). Denn da schlagen die weiten Wege zu Buche, über die die Lebensmittel für die insgesamt verkauften 185.000 Portionen Mahlzeiten herangeschafft worden sind, und die Umweltkosten, die die Herstellung dieser Lebensmittel verursacht hat.

Teuer in diesem Sinne werden nicht saisonale und nicht regionale Produkte, vor allem aber Fleisch – die Aufzucht der Tiere und ihre Schlachtung und Verarbeitung sind mit hoher CO2-Erzeugung verbunden. Auch deshalb hat sich der Kulturausschuss ohne weitere Diskussion – die wird wohl noch im Umweltausschuss kommen -- der Empfehlung angeschlossen, drei der neun Verzehrstände mit Fleischwaren bei nächsten Mal durch Anbieter vegetarischer Produkte zu ersetzen. Immerhin konnten mit Hilfe von Foodsharing Siegen noch Punkte gemacht werden: „Die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung hat gut geklappt.“

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Stadtfest Siegen: Wie 53 Flüge nach Neuseeland

Der städtische Klimamanager hat plastisch ausgerechnet, wie viel – oder wenig – das Stadtfest die Umwelt belastet: 143 Kubikmeter Wasser gingen durch die Leitung, „dies ist ein unterdurchschnittlicher Wasserverbrauch einer vierköpfigen Familie im Jahr“. 1300 Kilowattstunden Ökostrom wurden verbraucht. Insgesamt 250.000 Kilometer legten 10.000 Besucher mit der Bahn zurück, 3500 kamen mit dem Fahrrad, 23.200 zu Fuß und 19.300 mit dem Auto. Mit den kostenlosen Sonderbussen auf fünf Linien kamen rund 8.300 Fahrgäste.

10,8 Tonnen CO2 beträgt der durchschnittliche „Fußabdruck“ eines Menschen in Deutschland im Jahr. Das Stadtfest hat demnach in 25 Feststunden so viel CO2 erzeugt wie 41 Menschen im ganzen Jahr. Oder wie 53,5 Fluggäste (das geht nur in der Statistik...) von Dortmund über Mumbay nach Neuseeland. Um die Emissionen des Stadtfestes auszugleichen, müsste jemand 7,46 Mal von der Erde zum Mond radeln….

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Auch überlegt, aber zu teuer: Stadtfest-Ticket für den Nahverkehr

Bärbel Gelling (Grüne) sah im Kulturausschuss „kleine Wermutstropfen“, die bei der nächsten Auflage des klimaneutralen Stadtfestes beseitigt werden könnten: „Man lernt ja aus Fehlern.“ Dazu gehöre der Busverkehr: Die Sonderbusse seien über einige Strecken auf demselben Weg unterwegs gewesen wie die Linienbusse – dass die einen für die Fahrgäste kostenlos waren, während für die anderen regulär Fahrscheine zu lösen waren., sei schwer nachvollziehbar. Bewerben können hätte die Stadt auch das zu dieser Zeit angebotene Neun-Euro-Ticket, fand Bärbel Gelling: „Einige haben den vollen Bahnpreis bezahlt.“

„Unser Job war, das Stadtfest und die Sonderlinien zu bewerben, nicht das Neun-Euro-Ticket“, stellte Astrid Schneider, Leiterin der Kulturabteilung, klar. Ein Angebot über die Sonderbuslinien hinaus hätte finanziert werden müssen. „Die VWS haben uns schon einen Freundschaftspreis gemacht.“ Lars Ole Daub, Leiter der Klimaschutz-Stabsstelle, berichtete über die Überlegungen im Vorfeld – zum Beispiel das Angebot eines Stadtfest-Tickets auch für Gäste, die nicht aus Siegen kommen, sondern weitere Anreisen haben. „Wir haben das ausführlich diskutiert, aber das waren Summen, die wir nicht zahlen konnten.“ Für das Stadtfest 2023 plant die Stadt wieder mit Kosten von 30.000 Euro für ein Shuttlebusangebot. Von den VWS empfohlen wird, die Busse künftig samstags schon ab 13 Uhr einzusetzen und nicht erst ab 18 Uhr und dafür sonntags nach 15 Uhr den Betrieb auszudünnen.

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Nicht mehr Autos in die Stadt locken

Ein „interessantes Resultat“ der Bilanz sei der Einfluss der COBelastung durch Spesen und Übernachtungen. „Es ist aber auch ziemlich heikel, sich damit zu befassen“, sagte Lars Ole Daub. Von der Möglichkeit, den Fleischverzehr auf dem klimaneutralen Stadtfest zu unterbinden, riet die Verwaltung in ihrer Vorlage denn auch von vornherein ab. Es wäre dann „mit einer erheblichen Einbuße an Publikumszuspruch zu rechnen“ – übrigens auch, wenn Parkgebühren erhöht oder Parkhäuser einfach ganz geschlossen würden. Keine Alternative wäre es auch, das Stadtfest einfach kleiner zu machen. Dann fielen Sponsorengelder weg, die für die Programmgestaltung gebraucht werden.

Dr. Christian Zybill (CDU) regte an, die Kompensationszahlung „in Projekte für die Stadt Siegen zu stecken“, zum Beispiel in die Ausstattung mit E-Ladestationen oder Photovoltaikanlagen. Das, so widersprach Lars Ole Daub, würde dem Gedanken der Klimaneutralität nicht entsprechen – erforderlich seien zusätzliche Maßnahmen, nicht solche, die die Stadt ohnehin vorgesehen sind. Wolfgang Koenen (FDP) schlug vor, mehr Parkplätze bereitzustellen. Das, so Stadtrat Arne Fries, wäre „total kontraproduktiv“. Schließlich sei es nicht das Ziel, mehr Menschen mit Autos in die Stadt zu locken.

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„Die Menschen, die das Stadtfest besuchen, treffen selbst die Entscheidung“, sagte Klimaschutzmanager Lars Ole Daub schließlich auch und nannte ein Beispiel: Mülltrennung habe nicht funktioniert, nicht eine einzige Mülltonne habe sortenrein entsorgt werden können. „Das wird wohl noch Jahre dauern“, sagte Arne Fries, „das hatten wir auch vorher befürchtet.“ Kultur-Abteilungsleiterin Astrid Schneider sprach von einem „Zielkonflikt“: Die einen wollen Stadtfest feiern – „und der Herr Daub muss das Klima schützen.“

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