Siegen. Kein Einweggeschirr, weniger Fleischgerichte, umsonst Busfahren: Siegens Stadtfest 2022 soll klimaneutral sein. Das ist aber gar nicht so leicht.
Die Verwaltung legt ein Konzept für ein klimaneutrales Stadtfest vor. Das Problem dabei liegt in der Natur der Sache – denn eine klimaneutrale Großveranstaltung ist quasi unmöglich. „Unvermeidbare oder nicht reduzierbare Emissionen“ müssen darum durch Kompensationsmaßnahmen ausgeglichen werden, wie es in dem Papier heißt.
+++Mehr Nachrichten aus Siegen und dem Siegerland finden Sie hier!+++
„Klimaneutralität wird nicht erreicht. Aber ein Beitrag dazu“, erläuterte Kulturamtsleiterin Astrid Schneider im Kulturausschuss. Das Konzept für das Stadtfest vom 26. bis 28. August entstand in Abstimmung der Kulturabteilung und der Stabsstelle Klimaschutz der Stadt und setzt einen Ratsbeschluss aus dem Februar 2020 um. Dass dies erst jetzt zum Tragen kommt, liegt an der Pandemie. In den beiden vergangenen Jahren musste das Stadtfest ausfallen.
Stadtfest Siegen 2022: Extra-Buslinien bringen Besucher kostenlos ins Zentrum
Aufgrund der bisherigen Erfahrungen geht die Verwaltung von rund 100.000 Besucherinnen und Besuchern im Laufe des Festwochenendes aus. Wenn so viele Menschen in der Innenstadt zusammenkommen, noch dazu aus einem weiteren Umkreis, geht das nicht gänzlich ohne CO2-Emissionen. Oberstes Ziel ist jedoch die Vermeidung von möglichst viel CO2-Ausstoß. Das Konzept benennt dafür mehrere Handlungsfelder:
Keine Corona-Regeln
Für das Stadtfest 2022 geht die Verwaltung davon aus, „dass für die Durchführung von Großveranstaltungen im öffentlichen Raum keine Beschränkungen mehr im Hinblick auf Besucherzahlen und Kontrollen von Impf- und Testnachweisen bestehen werden“.
Eine Prognose, wie viele Menschen kommen, ist extrem schwierig. „Eine verhaltene Publikumsresonanz in Folge der Pandemie ist ebenso denkbar wie ein hohes Besucheraufkommen nach Aufhebung aller Einschränkungen“, schreibt die Stadt. Die Annahme von 100.000 Besucherinnen und Besuchern ist eine Kalkulationsgröße, die sich aus den Erfahrungen der jüngeren Vergangenheit ergibt: 2018 hatte das Stadtfest mit 70.000 die niedrigste Besucherzahl, 2016 mit 130.000 die höchste.
Mobilität. Ein „klare Bevorzugung“ von ÖPNV, Fahrrad und Fußverkehren soll Emissionen vermeiden und außerdem die Straßen zur und in der Innenstadt entlasten. „Aufgrund der Lage, Topographie und der bisher gelernten Verhaltensmuster der Bewohnerinnen und Bewohner der Region stellt der An- und Abreiseverkehr der Teilnehmenden, Kunstschaffenden, Ausstellenden etc. des Siegener Stadtfests 2022 erfahrungsgemäß die wesentliche Treibhausgasquelle dar“, wie dem Konzept zu entnehmen ist. Der Individualverkehr soll darum reduziert und aus den zentralen Bereichen – so weit es geht – herausgehalten werden. Um den Umstieg auf den ÖPNV reizvoll zu machen, soll es für alle Bürgerinnen und Bürger kostenlos nutzbare Bus-Sonderlinien geben, die unter anderem auch Kreuztal, Netphen, Freudenberg und Wilnsdorf anbinden. Privatpersonen können so „für lau zum Stadtfest kommen“, sagt Astrid Schneider. Möglich wird das, weil die Stadt die Kosten übernimmt und den Verkehrsbetrieben Westfalen-Süd dafür 21.400 Euro zahlt. Damit die potenziellen Nutzerinnen und Nutzer über diese Option auch bescheid wissen, muss diese natürlich vorab beworben werden, ergänzte die Kulturamtsleiterin.
+++ Lesen Sie hier: Siegen: 9-Euro-Ticket gilt trotz Nahverkehr im Intercity nicht +++
Zudem soll die Nutzung des Fahrrads oder E-Bikes am Festwochenende besonders attraktiv sein. Am Herrengarten – also mitten im Geschehen – werden dafür kostenfreie und bewachte Stellflächen eingerichtet.
Klimaneutrales Stadtfest in Siegen: Weniger Müll, weniger Energieverbrauch
Müllvermeidung und Ressourcenschonung. Auch die Standbetreiberinnen und -betreiber sind in der Pflicht. Die Verwaltung hat sich dabei angesichts der Ausfälle von Festen, Märkten und sonstigen Großveranstaltungen während der Pandemie für „eine mehr offene und informierende Herangehensweise“ entschieden, statt mit einem Komplettpaket aus Vorgaben und Auflagen einen restriktiven Weg zu gehen. Dennoch gibt es einige verbindliche Punkte: unter anderem „Kein Plastikgeschirr“, nur noch Papierstrohhalme, keine Saucen in Einwegverpackungen, Pommesgabeln nur aus Holz. Darüber hinaus gibt es eine längere Liste mit Empfehlungen, deren Einhaltung freiwillig ist, die aber sehr viele Tipps und Anregungen bündelt: Etwa den Verkauf beziehungsweise die Verwendung von Produkten aus nachhaltigen Ressourcen und nachhaltigem Anbau, den Verzicht auf Heizpilze, das Abschalten nicht benutzter Geräte, Essenszutaten aus regionalem und saisonalem Anbau oder auch ein breiteres Angebot vegetarischer oder zumindest fleischreduzierter Speisen.
+++ Lesen Sie hier: Neuer Stolz: Wie Siegen die Stimmung in der Stadt dreht +++
Ökostrom. „Ein Stadtfest ohne Licht, Ton, Wärme oder Wasserverbrauch ist nicht durchführbar“, wie das Konzept betont. Ein externer Dienstleister wird die Stromanschlüsse für Bühnen und Stände legen. Die städtisch genutzten Stromentnahmestellen beliefern die Siegener Versorgungsbetriebe mit Ökostrom. Auch für die übrigen Entnahmestellen im öffentlichen Raum „wird mit dem Stromnetzbetreiber eine Ökostromversorgung angestrebt“ – also mit Westenergie.
Stadtfest Siegen: Klimaneutral dank Ausgleichsmaßnahmen
CO2-Bilanz und Kompensation. Was all diese Maßnahmen im Endeffekt gebracht haben werden, soll eine anschließende Evaluation zeigen. Die Verwaltung wird dafür den „Eventrechner“ des Umweltbundesamtes nutzen. Dies ist nicht nur im Hinblick auf die Planung künftiger Stadtfeste sinnvoll, sondern wegen der notwendigen Kompensationsmaßnahmen erforderlich. Die nicht zu vermeidenden Emissionen sollen laut Konzept bevorzugt durch lokale Projekte ausgeglichen werden. Alternativ kämen allerdings auch Zahlungen für Klimaschutzvorhaben andernorts in Betracht, „sofern diese entsprechende Zertifizierungen nachweisen“.
+++ Lesen Sie hier: Stadtmarketing: Siegen braucht mehr Besonderheiten +++
Kritik am Prozedere äußerte im Kulturausschuss Lena Schmidt (Grüne) – denn Änderungen sind nicht mehr möglich. 2020 habe der Rat den Auftrag erteilt, und „jetzt kriegen wir ein Konzept, zu dem wir nichts sagen können“, so die Kommunalpolitikerin. „Das geht gar nicht!“ Den Grund dafür erläuterte Astrid Schneider: Die Verträge an die Standbetreiber sind bereits verschickt.
+++Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook!+++