Netphen/Hilchenbach. Glasfaser Direkt ist insolvent, die Konkurrenz der Anbieter ist brutal. Was tun, wenn die Glasfaser-Werber vor der Haustür stehen?

Die Vertreter von Greenfiber, Westconnect, Glasfaser Direkt, Glasfaser Plus und Co. gegen sich die Türklinken in die Hand. Während sich die Hausbesitzer überlegen, bei wem sie einen Vertrag für einen Glasfaser-Hausanschluss abschließen sollen – oder ob überhaupt –, erleben sie das Schauspiel in ihrer Straße oder in der Nachbarschaft: Bagger kommen, reißen die Straße auf, verlegen das Kabel, flicken die Fahrbahn wieder. Ein paar Tage später kommt der nächste, verlegt das Kabel der Konkurrenz. Danach vielleicht sogar noch der übernächste. Und nun geht auch noch einer pleite: Glasfaser Direkt, das einen Großteil Netphens – alle Ortsteile außer dem Zentralort – versorgen soll, hat einen Insolvenzantrag gestellt.

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Was ist bei Glasfaser Direkt passiert?

Glasfaser Direkt mit Sitz in Köln ist aus zwei regionalen Unternehmen hervorgegangen, Eifel Net in Euskirchen und Jobst Net in Bayern. Kapitalgeber war ein amerikanischer Finanzinvestor, der sich nun zurückgezogen hat. Dr. Mark Boddenberg von Eckert Rechtsanwälte als vorläufiger Insolvenzverwalter sucht nun nach einem neuen Investor. „Ich bin optimistisch, dass es gelingen wird, die Herausforderungen, vor der die Unternehmensgruppe nun steht, zu bewältigen“, sagt der Unternehmenssanierer.

Was bedeutet das für Netphen?

Das Unternehmen hat der Stadt Netphen versichert, dass das Insolvenzverfahren für die Netphener Bürgerinnen und Bürger keine Auswirkungen haben werde und der Geschäftsbetrieb dort uneingeschränkt fortgeführt werden solle. Im Rat hat Manfred Heinz (SPD) sich allerdings skeptisch geäußert: „Wir können jetzt nicht mehr uneingeschränkt werbend auftreten“ – was die Stadt, auch gemäß ihrem mit Glasfaser Direkt abgeschlossenen „Letter of Intent“, aber tun müsste, damit die Vermarktungsquoten erreicht werden.

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„Kontraproduktiv“ wäre es vor diesem Hintergrund auch, wenn die Stadt sich nach einem anderen Betreiber umsähe. Der ist aber tatsächlich schon unterwegs: Glasfaser Plus, das mit der Telekom verbundene Unternehmen, erschließt bereits Netphen-Mitte; dieses Unternehmen würde auch noch Afholderbach, Eschenbach, Oelgershausen und Frohnhausen übernehmen. Ungewiss ist, ob sich für die dann verbliebenden Ortsteile noch ein anderer Betreiber findet. In Wilnsdorf hatte sich Glasfaser Direkt zurückgezogen, nachdem die Telekom-Tochter die Hand auf vier Ortsteile gelegt hat.

Bürgermeister Paul Wagener (links) gehörte zu den Ersten, die bei Glasfaser Direkt unterschrieben haben. 
Bürgermeister Paul Wagener (links) gehörte zu den Ersten, die bei Glasfaser Direkt unterschrieben haben.  © Stadt Netphen | Stadt Netphen

Für welchen Glasfaser-Anbieter sollen sich Bürger entscheiden?

Das wird auch das Team von Martina Hamann in Hilchenbach immer wieder gefragt. „Die Bürger wollen unsere neutrale Meinung hören“, sagt die Fachdienstleiterin im Hilchenbacher Infrastrukturausschuss – wobei die Stadt, die sich über einen Letter of Intent mit Westconnect/Eon verbunden hat, nicht wirklich neutral ist. Unterwegs sind aber auch in der Kernstadt und in Dahlbruch Glasfaser Plus/Telekom und im ganzen Stadtgebiet Greenfiber. Greenfiber erschließt im Auftrag des Kreises 250 Adressen in Hilchenbach und bietet darüber hinaus den Anschluss weiterer an der Trasse liegender Haushalte an. Etwa 15 Kilometer Glasfaser sind schon verlegt.

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Sie habe die Sorge, dass sich „die Anbieter gegenseitig zerschießen“, sagt Martina Hamann – dass am Ende also für keinen ein lohnendes Gebiet übrig bleibt. Schon jetzt sind Oechelhausen und Ruckersfeld weiße Flecken, uninteressant für Westconnect, potenziell geeignet für Greenfiber, dem diese Adressen zugeteilt werden könnten, wenn sie in anderen Kommunen übrig bleiben. „Das ist ein bisschen schwierig.“ Eine Entscheidungshilfe gibt es vielleicht doch: Westconnect legt den kostenlosen Anschluss auch ohne Internetvertrag, Glasfaser Plus nur mit. Dafür verlangt Westconnect eine Mindestanschlussquote, Glasfaser Plus nicht. Aktuell zeichnet sich ab, dass der Ausbau in Helberhausen und Grund starten kann. Hilchenbach, Hadem und Lützel, so gibt Martina Hamann die Westconnect-Verlautbarung weiter, „können das sehr gut schaffen“. Für Müsen, Dahlbruch und Allenbach beginnt die Vermarktung am 1. März.

Was ist mit den Straßenaufbrüchen?

Dass dieselbe Straße von unterschiedlichen Anbietern nacheinander aufgerissen wird, „ist für uns alles andere als schön“, sagt Hilchenbachs Wirtschaftsförderin Martina Hamann. Verhindern kann die Stadt das nicht – genausowenig, wie sie die Konkurrenz der Glasfaseranbieter unterbinden kann. Die jeweiligen Aufbruchgenehmigungen muss die Stadt erteilen. Einige Kommunen versuchen, die Anbieter zu zwingen, in der Straße bereits verlegte Leerrohre zu nutzen – juristisch ist das umstritten, Gerichtsverfahren dazu sind noch nicht abgeschlossen.

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„Das hätte anders angegangen werden messen“, sagt André Jung (CDU) im Hilchenbacher Infrastrukturausschuss, „es gibt ja auch nur ein Stromnetz.“ Dass bei der Internetversorgung unregulierter Wettbewerb zugelassen werde, sei „deutsches Staatsversagen“.

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