Netphen. Die Alpakas Lamborghini und Eldorado besuchen die Seniorinnen und Senioren im Haus St. Anna in Netphen. Den Demenzerkrankten geht das Herz auf.

„Lässt du ihn auch mal zu mir?“, fragt eine Seniorin. „Er ist so weich, so ein frohes Tierchen“, sagt ein älterer Mann. Die Tür geht auf: „Ohhh, sind die schön!“, ruft Mitarbeiterin Agnieszka Galster. Die Alpakas Lamborghini und Eldorado sind zu Gast im Haus St. Anna in Netphen und sorgen für Begeisterung auf allen Seiten in der Wohn- und Pflegeeinrichtung speziell für Menschen mit Demenz. „Es ist einfach nur schön“, sagt Einrichtungsleiter Stephan Berres.

Netphen: Senioren im Haus St. Anna verlieben sich in die Knopfaugen der Alpakas

Es ist nicht das erste Mal, dass Tiere ins Haus St. Anna kommen. Shetland-Ponys waren schon da, Hunde werden regelmäßig von Mitarbeitern und Besuchern ins Haus St. Anna mitgebracht. Aber Alpakas sind zum ersten Mal in dem Demenzzentrum zu Gast. „Das sind zwei super tolle Knallertiere“, betont Wolfgang Borrmann. Er betreibt den Alpaka-Hof „Alpakas des Westens“ in Windeck im Rhein-Sieg-Kreis und hat die Tiere mitgebracht. „Man guckt Alpakas in die Augen und hat sich sofort verliebt“, sagt er.

Alpaka Lamborghini begeistert die Bewohnerinnen und Bewohner im Haus St. Anna in Netphen.
Alpaka Lamborghini begeistert die Bewohnerinnen und Bewohner im Haus St. Anna in Netphen. © WP | Ina Carolin Pfau

Die großen Knopfaugen entfalten auch im Haus St. Anna ihre magische Wirkung: Die meisten Bewohnerinnen und Bewohner wollen sie einfach nur streicheln, schließen sie sofort ins Herz. Nur ganz wenige Seniorinnen und Senioren haben Angst vor den Tieren, halten lieber Abstand. „Gesehen habe ich Alpakas mit Sicherheit schon, aber da war noch keines, was mich besucht hat“, sagt ein Senior. Eine Mitarbeiterin steht ganz nah an einer Pflanze, weicht etwas zurück: „Jetzt werde ich schon angeknabbert“, sagt sie und lacht. Das Alpaka hat aber viel mehr Interesse an der Grünpflanze – aber auch das hält nur kurz an. Schnell will Lamborghini wieder gestreichelt werden.

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„Es ist mal was Neues, auch für die Bewohner – sonst ist hier alles Alltag. Sie haben Spaß und können die Tiere streicheln“, freut sich Bundesfreiwilligendienstler Ensar Aydemir. Gleichzeitig hören die Seniorinnen und Senioren auch ganz viele Geschichten: Wolfgang Borrmann erzählt, wie Lamborghini zu seinem Namen kam. Das Alpaka sei gerade geboren worden und wollte früh Milch trinken – die Alpakamutter konnte diesen Wunsch gar nicht so schnell bedienen. Also machte sich Lamborghini zu einem anderen Muttertier auf, um dort schneller fündig zu werden. „Bei Lamborghini ist der Name Programm“, so Wolfgang Borrmann. Eldorado ist sein treuer Kumpel: „Eldorado sagt: Wohin Lamborghini geht, gehe ich auch.“

Ab in den Aufzug: Das macht den Alpakas Lamborghini und Eldorado im Haus St. Anna in Netphen nichts aus.
Ab in den Aufzug: Das macht den Alpakas Lamborghini und Eldorado im Haus St. Anna in Netphen nichts aus. © WP | Ina Carolin Pfau

An den Köpfen werden Lamborghini und Eldorado nicht gerne gestreichelt. Wenn ihnen jemand dorthin packt, denken sie schnell, der- oder diejenige könnte ihnen gefährlich werden. Dann könnten sie anfangen zu spucken. „Lamborghini spuckt schonmal gerne und dann treffsicher ins Gesicht“, erzählt Wolfgang Borrmann. Die Spucke stinke so sehr, dass man danach duschen könne. Doch die Tiere bleiben friedlich im Haus St. Anna, nur einmal wird ein Bewohner nass, der dem Tier zu schnell nahe gekommen ist. Krauleinheiten am Hals und am Körper können sie nicht genug haben. Lamborghini hat ohnehin „keine Angst vor Nichts“, sagt Borrmann. Selbstsicher geht er voran in den Aufzug, Eldorado folgt. Die Bewohnerinnen und Bewohner aller drei Etagen im Haus St. Anna bekommen die beiden zu sehen.

Alpakas treffen auf Demenzerkrankte in Netphen: Tiere verstehen, ohne zu werten

Seine Alpakas würden nach Popcorn riechen, vielleicht auch etwas nussig, erzählt Wolfgang Borrmann. Darüber lässt sich sicherlich streiten, aber der Geruch ist auch vollkommen zweitrangig. Das flauschige Fell ist der Hit im Haus St. Anna. „Fast jeder hatte früher ein Tier zuhause oder kommt aus dem ländlichen Bereich“, sagt Stephan Berres. Die Berührungsängste sind daher gering bei den Seniorinnen und Senioren. Gerade für Demenzkranke zähle der Moment. Tiere öffnen die Tür zu ihrer Welt, ihren Gefühlen und Wahrnehmungen. „Es ist etwas Vertrautes“, sagt Stephan Berres. Die Tiere motivieren die Demenzkranken, sich zu bewegen und sich zu unterhalten. Oft kommen durch sie sogar wieder Erinnerungen an die Kindheit hoch.

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Eldorado macht es sich auf dem Fußboden bequem. Das sei immer ein Zeichen dafür, dass er sich wohlfühlt, so Wolfgang Borrmann. Natürlich achtet er darauf, dass es den Alpakas nicht zu viel wird. Rund 10 Mal im Jahr besuchen die „Alpakas des Westens“ Einrichtungen wie das Haus St. Anna. Überhaupt mit den Alpakas anzufangen, „war die beste Idee meiner Frau“, sagt Wolfgang Borrmann. Es seien sehr pflegeleichte und robuste Tiere mit einem „ganz geringen Aggressionspotenzial“. Für Einrichtungen wie das Haus St. Anna seien sie wie prädestiniert.

Alpaka Eldorado macht es sich im Haus St. Anna in Netphen auf dem Fußboden gemütlich.
Alpaka Eldorado macht es sich im Haus St. Anna in Netphen auf dem Fußboden gemütlich. © WP | Ina Carolin Pfau

Mittlerweile ist Eldorado wieder auf den Beinen. Er beginnt aber zu meckern: Seine Summlaute werden immer länger. Wolfgang Borrmann weiß, was das heißt: Die Tiere wollen nach Hause, genug für heute. „Sie haben ganz unterschiedliche Arten der Verständigung“, erläutert der Alpakazüchter. Er weiß genau, wie sie zu deuten sind. Zu lange auf der Stelle stehen Alpakas zum Beispiel nicht gerne, da kann schnell auch mal gemeckert werden.

Auch bei Wettkämpfen dabei

Alpaka Lamborghini ist acht Jahre alt, Eldorado drei. „Lamborghini ist einer unser Champion-Hengste“, erzählt Wolfgang Borrmann. Dieser nimmt somit auch an Alpaka-Wettkämpfen teil.

Mehr Infos zu den Alpakas und den Besuchsmöglichkeiten der Tiere gibt es im Netz unter www.alpakas-des-westens.de.

Alle im Haus St. Anna lassen die Tiere nur ungern gehen – aber vielleicht kommen sie ja wieder. Geplant sind mit den Bewohnerinnen und Bewohnern zukünftig Besuche auf Bauernhöfen und Zoos sowie Urlaubsfahrten in die nähere, naturbelassene Umgebung, erläutert Stephan Berres. „Tiere verstehen einen, die Bewohnerinnen und Bewohner können ihnen alles erzählen – sie werten nicht.“

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