Siegen. Der Kreis Siegen-Wittgenstein könne nicht nur das Apollo bedenken – auch die anderen Kommunen brauchen Hilfe, ihr Kulturangebot zu retten.
Der Kreis Siegen-Wittgenstein wird dem Apollo-Theater in Siegen nicht mit Geld aus der Krise helfen. Einstimmig hat der Kulturausschuss einen Vorschlag des Landrats zurückgewiesen, in den nächsten drei Jahren jeweils 50.000 Euro bereitzustellen – so wie es die Stadt Siegen tun will. Allein durch seit der Pandemie gesunkene Besucherzahlen hat das von einem Verein getragene Theater in diesem Jahr einen Einnahmeverlust von 450.000 Euro zu verkraften, dazu kommen die durch die Inflation bedingten Kostensteigerungen.
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CDU und SPD in Siegen fordern „positives Signal" für Apollo
Noch eine Stunde vor Beginn der Sitzung hatten sich die Siegener Stadtratsfraktionen von CDU und SPD in einer Pressemitteilung zum Zuschuss für das Apollo bekannt. „Zu einem Oberzentrum und zugleich Universitätsstadt wie Siegen gehört ein Theater, das galt vor über 20 Jahren, und das gilt auch heute“, wird darin CDU-Fraktionsvorsitzender Marc Klein zitiert. Und Detlef Rujanski (SPD): „Von daher wäre ein Zuschuss zum Apollo-Theater in gleicher Höhe auch von Seiten des Kreises ein positives Signal für unsere Kulturlandschaft.“
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FDP: Apollo soll in Erndtebrück spielen
Ihre Parteifreunde auf Kreisebene denken da anders. CDU und FDP bringen einen Antrag ein, dass aus dem vorhandenen Kulturetat 100.000 Euro für Projekte „Out of Oberzentrum“ reserviert werden – darum könne sich das Apollo auch bewerben, wenn es zum Beispiel eine Veranstaltung in Erndtebrück ausrichte, präzisiert Guido Müller (FDP) im Lauf der Diskussion. Wo die 100.000 Euro herkommen, wenn zugleich, wie ebenfalls beantragt, bisherige Projektmittel und Förderungen nicht gekürzt werden dürfen, soll die Verwaltung in der nächsten Woche dem Kreistag vortragen. Die SPD will das Budget der Kulturförderung von jetzt 219.500 Euro um 50.000 Euro erhöhen – bewerben können sollen sich um den Mehrbetrag aber alle Kulturträger, nicht nur das Apollo. Ob am Ende 50.000, 100.000 oder 150.000 Euro mehr bereitgestellt werden, soll der Kreistag entscheiden.
Im Umland von Siegen gehen Spielstätten verloren
Jens von Heyden, Leiter des Kulturbüros, macht den Kulturausschuss auf die Lage im Kreis aufmerksam. Die Kosten steigen, die Einnahmen gehen zurück: „Am meisten betroffen sind die freien Veranstalter“, betont er – also nicht die von den Kommunen finanzierten. Nach wie vor würden Besucherzahlen höchstens im Umfang von 50 bis 60 Prozent des Publikums vor der Pandemie erreicht. Hinzu kämen räumliche Probleme: Kirchen werden nicht mehr beheizt, der Wasserschaden im neuen Haus der Musik in Siegen verzögere den Einzug auf unbestimmte Zeit, der Kulturelle Marktplatz Dahlbruch werde erst 2024 fertig, das Bruchwerk-Theater Siegen braucht einen neuen Raum, die Stadthalle Kreuztal ist abgebrannt, die Georg-Heimann-Halle in Netphen Flüchtlingsunterkunft… „Wohl dem, der ein Dach über dem Kopf hat“, sagt Jens von Heyden. „Diesen Winter gilt es zu überstehen – doch auch die Zukunft danach ist ungewiss. Da sind Ideen gefragt.“
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„Es kann nicht alles nur im Oberzentrum stattfinden“, begründet Guido Müller (FDP) das Nein zur Apollo-Förderung, „Bad Berleburg und Burbach haben genauso Anspruch auf Kultur.“ Wolfgang Suttner (CDU) wundert sich: Auch andere Veranstalter hätten Probleme, aber dank Corona-Hilfen und wegen angesagter Veranstaltungen entfallener Kosten auch keine großen Defizite, und das Apollo habe doch „auch ganz gute Rücklagen“. Zudem gebe die vom Kreis finanzierte Philharmonie jährlich 27 Konzerte allein im Apollo. „Die bringen gute Mehreinnahmen.“ Regine Stephan (AfD) fand, mit der Ausrichtung auf eine jüngere Zielgruppe werde „ein Teil des Publikums ausgegrenzt“, mithin sei das Defizit „zum größten Teil selbstverschuldet“. Julian Maletz (SPD) sieht die gesamte Branche nach Corona nun „in eine neue Krise gerutscht“, „wir müssen unterstützend tätig werden“. Ingo Janson (SWM) spricht sich gegen eine allein aufs Apollo gerichtete Förderung aus: „Wer ist der Nächste?“
„Schnappatmung“ zur Forderung aus Siegen
Holger Glasmachers, Leiter des Kreuztaler Kulturamts, spricht als Vorsitzender des Kulturrings, in dem alle Veranstalter im Kreis, also auch das Apollo, organisiert sind: „Durchaus kritisch“ werde der Apollo-Antrag von den anderen Mitgliedern gesehen. Vereine und Kommunen seien in schwerem Fahrwasser, „manche veranstalte weniger bis gar nichts mehr.“ Wichtig sei ein politisches Zeichen, dass die Veranstalter in der Region „nicht im Regen stehen gelassen werden“.
Ähnlich äußert sich Bernd Brandemann (CDU): „Wir müssen die Kulturregion insgesamt bedenken“. Dass die Stadt Siegen stillschweigend voraussetze, dass der Kreis in eine Apollo-Förderung einsteige, habe bei ihm „Schnappatmung“ verursacht: „Mit keiner Silbe wird auf die Situation der Region eingegangen.“ Im Hinterkopf dürften alle Ausschussmitglieder den aufkeimenden Protest in ihren Kommunen haben: Die Erhöhung der Kreisumlage wird zum Beispiel in Wilnsdorf von den Einwohnern mit einer erhöhten Grundsteuer zu bezahlen sein – entsprechend erzürnt hat sich dort Bürgermeister Hannes Gieseler geäußert.
Intendant des Apollo Siegen: „Wir brauchen diese Hilfe wirklich“
Apollo-Intendant Markus Steinwender betont, dass das Siegener Theater Kultur für die Region macht. „Das ist nicht das Theater der Stadt Siegen.“ Es sei aber nicht Aufgabe des Apollo, Veranstaltern in der Region an deren Schauplätzen Konkurrenz zu machen, stellt Steinwender zu der FDP-Idee „Out of Oberzentrum“ klar. Nach der Abstimmung verabschiedet sich der Intendant mit einem Appell: „Wir brauchen diese Hilfe wirklich ganz eminent. Ich kann Sie nur bitten, darüber nachzudenken.“
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