Siegen. Siegener Apotheker erklärt, warum sich die gefährdete Versorgung mit Arzneimitteln immer weiter verschärft – und was das für Patienten bedeutet

Schupfen, Fieber, Hals- und Gliederschmerzen sind typische Anzeichen: Die Erkältungs- und Grippezeit rückt mit dem Winter immer näher. Doch viele Medikamente sind aktuell nicht lieferbar.

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Siegen: Medikamenten-Knappheit in Apotheken

„Der Mangel von bestimmten Präparaten ist ein ganz akutes und riesiges Problem für uns “, sagt Dr. Gero von Fircks, Inhaber der „Apotheke zum Marienbörnchen“ in Siegen. Auch seinem Betrieb fehlen viele Medikamente gerade. Vor allem bei fiebersenkenden Arzneien für Kinder gibt es Engpässe. „Im Notdienst können wir die Kinder oft nicht mehr mit den passenden Medikamenten versorgen, seien es antibiotische Säfte, Fieberzäpfchen oder Fiebersäfte“, berichtet der Apotheker.

Es gäbe aber auch bei einigen Antibiotika und Antiepileptika für Erwachsene einen Mangel. „Das zieht sich durchs ganze Sortiment – Bestimmte Medikamentengruppen sind besonders stark betroffen“, sagt Dr. Gero von Fircks.

Siegen: Die Ursachen für den Engpass bei den Medikamenten

Den Grund dafür sieht der Apotheker darin, dass die gesamte pharmazeutische Rohstoffversorgung vor einigen Jahren nach Fernost verlagert wurde. „Mittlerweile werden viele Präparate für den europäischen Markt in Indien oder China hergestellt.“ Aufgrund von pandemie- wie auch kriegsbedingten Verzögerungen und Störungen in den Lieferketten treffen diese nun nicht mehr rechtzeitig ein.

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Außerdem kommt erschwerend hinzu, dass die Rohstoffe für die Medikamente dort von nur sehr wenigen Produzenten hergestellt werden. „Wenn es für ein bestimmtes Antibiotikum weltweit nur zwei Hersteller gibt und da fällt einer aus, kann sofort die Hälfte des Marktes nicht mehr bedient werden“, erklärt Dr. Gero von Fircks. Besonders knapp seien aktuell die Rohstoffe, die für die Herstellung verschiedener antibiotischer Medikamente benötigt werden.

Ein weiteres Problem, das zusätzlich zur Knappheit beitrage: Teilweise werden die Arzneimittel in der Ukraine verpackt. Auch dadurch komme es zu Lieferschwierigkeiten. „Die Medikamente sind teilweise produziert, können dann aber nicht verpackt und weitergeschickt werden“, so der Apotheker.

Aktuell sind vor allem fiebersenkenden Medikamenten für Kinder sind knapp.
Aktuell sind vor allem fiebersenkenden Medikamenten für Kinder sind knapp. © AOK

Siegen: Die Alternativen für die Patienten

Die Ausweichmöglichkeiten für die Patienten seien begrenzt. „Medikamente können nicht bei jeder Krankheit so einfach umgestellt werden“, betont Dr. Gero von Fircks. Gerade für Epileptiker, die dringend auf bestimmte Präparate angewiesen sind, sei das unter Umständen sehr schwierig und häufig mit einem Krankenhausaufenthalt verbunden. Fraglich sei dabei auch immer die Verträglichkeit der neuen Arzneien.

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„Für die Patienten ist eine medikamentöse Umstellung ohne medizinische Notwendigkeit sehr unangenehm. Vor allem, wenn sie vorher gut eingestellt waren“, weiß der Pharmazeut. „Das ist Zumutung und ein starker Rückschlag in der Versorgung.“ Bei Antibiotika könne immer noch auf andere Wirkstoffe oder Verabreichungsformen zurückgriffen werden. Bei besonders schweren Fällen stellt die Apotheke zum Marienbörnchen in Absprache mit Arzt und den Eltern auch selbst Fiebersäfte für Kinder her. Diese seien dann aber teurer als industriell hergestellte Präparate.

Siegen: Keine Besserung in Aussicht

Wann die aktuell dringend benötigen Medikamente wieder lieferbar sind, sei nicht absehbar. „Manche unserer Hersteller geben Liefertermine in sechs bis acht Wochen an, andere sagen, es wird nachgeliefert, ohne genaue Termin zu nennen.“ Er selbst habe keine verlässlichen Informationen darüber, wann er mit neuer Ware rechnen kann, sagt von Fircks. Er vermutet, dass es in absehbarer Zeit nicht zu einer Entspannung kommen wird. Die Politik reagiere nicht angemessen auf diesen Engpass, der wirklich ernstzunehmend sei.

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Für die Apotheken sei das keine leichte Situation. Sie sind erste Anlaufstation für Patienten und müssen für sie die Folgen eines Mangels regeln, für den sie selbst nichts können. „Wir versuchen, an Ersatzprodukte zu gelangen für das, was bei uns nicht mehr vorrätig ist“, berichtet Dr. Gero von Fircks. Darüber hinaus sei es nicht leicht, den Kunden immer wieder erklären zu müssen, warum sie ihr Präparat nicht bekommen. „Wir müssen dann Rücksprache mit den Ärzten halten, damit ein anderes Medikament verschrieben wird.“ Das koste ein Vielfaches der Zeit, die sonst zur Patientenversorgung benötigt werde.

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