Netphen/Siegerland. In Netphen ist die Versorgung durch Apotheken angespannt. Das Problem: Die Zahl der Apotheken pro Einwohner nimmt seit Jahren tendenziell ab.
Die Apothekensituation in der Kernstadt von Netphen wird immer dann schwierig, wenn die Martini-Apotheke Betriebsferien macht. „Ich muss dann sechs Kilometer fahren, um Medizin zu besorgen“, beklagte Manfred Schröder bei der Bürgerversammlung in Netphen. Früher habe es in der Kernstadt zwei Apotheken gegeben, nun müsse er sich nach Deuz oder Dreis-Tiefenbach begeben, wenn die Martini-Apotheke geschlossen habe. Mittlerweile hat sie zwar wieder geöffnet, doch es sind nicht nur Betriebsferien, die die Apotheken-Versorgung in Siegen-Wittgenstein mitunter schwieriger machen: Immer weniger Apotheken sind für immer mehr Menschen zuständig.
Apothekendichte in Siegen-Wittgenstein: Das sind die Zahlen
In Siegen-Wittgenstein versorgt eine Apotheke 4503 Einwohnerinnen und Einwohner – das geht aus dem Geschäftsbericht der Apothekenkammer Westfalen-Lippe 2021 hervor. „Das ist ein Durchschnittswert“, sagt Dr. Gero von Fircks, Sprecher der Apotheken in Siegen-Wittgenstein. „Es kommen nicht alle in eine Apotheke.“ Nicht jede Einwohnerin oder Einwohner benötige zum Beispiel auch die dortige medizinische Versorgung. Dennoch gibt die Statistik einen generellen Trend wieder: 2020 waren es noch 4387 Einwohnerinnen und Einwohner pro Apotheke in Siegen-Wittgenstein, 2019 waren es 4345 und 2018 waren es 4085. „Die Rahmenbedingungen werden schlechter“, so Dr. Gero von Fircks.
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Es sieht derzeit allerdings nicht danach aus, als ob sich diese Lage in absehbarer Zeit verbessern würde. Eine Regelung, wie weit eine Apotheke entfernt sein darf, gibt es nur beim Notdienst. Für Netphen gelten beispielsweise die Mittlere-Stadt-Maßstäbe (20.000 bis 80.000 Einwohner): Demnach darf die nächstgelegene Notdienst-Apotheke nur 18 Kilometer entfernt sein.
Betriebsferien
Bereits Anfang 2022 hatte die Martini-Apotheke krankheitsbedingt geschlossen und Betriebsferien beantragt (wir berichteten). Die Gründe für eine darüber hinausgehende verlängerte Schließung blieben unbekannt.
Auf Anfrage der Redaktion standen die Betreiber der Martini-Apotheke dieser Zeitung im Rahmen des aktuellen Berichts nicht zu einem Gespräch zur Verfügung.
Mit der momentanen Diensteinteilung betrage in Netphen die durchschnittliche Entfernung für die Patienten im Notdienst 9,7 Kilometer, die maximale 18 Kilometer, betont Gero von Fircks. Dabei werden alle Entfernungsangaben bei der Notdienst-Vorgabe per Luftlinie gerechnet: In einer Großstadt (mehr als 80.000 Einwohner) darf die nächstgelegene Notdienst-Apotheke 7 Kilometer, in einer Kleinstadt (weniger als 20.000 Einwohner) 25 Kilometer entfernt sein.
Martini-Apotheke in Netphen: Über Betriebsferien hat Stadt keine Handhabe
Wann eine Apotheke Betriebsferien mache, darüber habe die Stadtverwaltung keine Handhabe, sie könne nur vermitteln, so Bürgermeister Paul Wagener bei der Bürgerversammlung. „Wir adressieren alles an die Apothekenkammer und das Kreisgesundheitsamt.“ Im Grundsatz habe aber jeder Apotheker freie Hand, wann er Betriebsferien mache.
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Dr. Gero von Fircks sind über die Situation in Netphen bislang keine Beschwerden zu Ohren gekommen. Er merke nur, dass es Rezepte aus Netphen auch einmal zu seiner Apotheke („Apotheke zum Marienbörnchen“ in Siegen) schaffen würden, wenn die Martini-Apotheke Betriebsferien habe.
Apothekensterben in Siegen-Wittgenstein: Das ist die Tendenz
Generell sei die Apothekensituation im Siegerland „noch nicht flächenbedrohend“, sie folge einem bundesweiten Trend. So werden allein altersbedingt immer mehr Apotheken in den nächsten Jahren schließen. „Die Effizienzreserven, von denen Gesundheitsminister Karl Lauterbach spricht, sind bis ins letzte ausgelutscht“, sagt Dr. Gero von Fircks. „Wir brauchen mehr Leute.“ Auf Dauer könne man den rückläufigen Apotheken-Trend „nicht so weiterfahren“.
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In der derzeitigen Situation sei es auch enorm schwer, wirtschaftlich eine Apotheke zu führen, erläutert der Siegener Apotheker. Die Preise für die rezeptpflichtigen Medikamente seien festgeschrieben. Das heißt, dass erhöhte Zusatzkosten nicht einfach über eine Preiserhöhung ausgeglichen werden könnten. Auch die Apotheken bekommen zum Beispiel die steigenden Energiekosten zu spüren. „Doch die Preise bleiben gleich, sie werden nicht teurer“, so Dr. Gero von Fircks. Die gestiegenen Kosten im Zuge der Inflation müsse jede Apotheke selbst schultern.
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