Siegen. So, wie die Stadt sich das gedacht hat, wird das Anmeldeverfahren fürs nächste Schuljahr nicht laufen. Dafür kommt der Bürgerentscheid zu spät.

Es wird der allerletzte Punkt auf der Tagesordnung des Rates am Mittwoch, 19. Oktober – und der Titel verspricht entsprechend wenig Brisanz: Es soll um die „Neufassung der Satzung zur Durchführung von Bürgerentscheiden in der Universitätsstadt Siegen“ gehen. Der Inhalt ist allerdings schwerwiegend: Er könnte einiges Durcheinander in die bald bevorstehende Anmeldezeit für die weiterführenden Schulen bringen. Bereits vom 23. bis 26. Januar soll ein „vorgezogenes Anmeldeverfahren“ für alle weiterführenden Schulen stattfinden – ein Bürgerentscheid über die Schließung der Haupt- und Realschulen wird bis dahin aber wohl kaum stattgefunden haben.

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Zeitplan: Stadt muss Fristen einhalten

Bis zum 22. November hat die Initiative für das Bürgerbegehren „Schulvielfalt Siegen“ Zeit, um genau 4029 Unterschriften von Menschen zu sammeln, die in Siegen das kommunale Wahlrecht haben: fünf Prozent der über 16-jährigen Deutschen und EU-Ausländer, die in Siegen gemeldet sind. Danach muss die Verwaltung die Unterschriften bis zur turnusmäßigen Ratssitzung am 21. Dezember prüfen. Sollte die Mindestzahl von Unterschriften anerkannt werden, muss der Rat den Bürgerentscheid einleiten – oder dem Begehren direkt stattgeben und von der Schließung der Haupt- und Realschulen abrücken.

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Den Tag des Bürgerentscheids legt der Rat fest, danach bildet der Bürgermeister Abstimmungsbezirke und beruft Abstimmungsvorstände – wie bei einer Wahl. Ermittelt werden muss dann, wer am 42. Tag vor dem Abstimmungstag stimmberechtigt und somit ins Abstimmungsverzeichnis aufgenommen werden muss. Danach kann noch eingetragen werden, wer bis zum 16. Tag vor der Abstimmung nach Siegen zuzieht. Vom 20. bis zum 16. Werktag vor dem Bürgerentscheid muss das Abstimmungsverzeichnis offengelegt werden, um Einsprüche zu ermöglichen: Selbst wenn das Abstimmungsverzeichnis also direkt am Tag nach der Ratssitzung offengelegt würde, könnte der Bürgerentscheid frühestens am Dienstag, 17. Januar, stattfinden – eher also am darauffolgenden Sonntag, 22. Januar.

Hürden: Moderationsgespräch mit Nachbarkommunen steht noch aus

Damit ist offen, wie das Anmeldeverfahren zu den weiterführenden Schulen in Siegen überhaupt aussehen kann. Der Schulausschuss werde darüber beraten müssen, kündigt Schuldezernent Andree Schmidt im Gespräch mit dieser Zeitung an, „die Vorschläge erarbeiten wir jetzt gerade.“ Klar ist aber, dass die Hauptschule und mindestens eine der beiden Realschulen Anmeldungen zu den 5. Klassen anbieten werden müssen – entgegen dem Ratsbeschluss vom 15. Juni, gegen den sich das Bürgerbegehren richtet. „Wir dürfen dem Bürgerentscheid nicht vorgreifen.“ Soll heißen: Sollte sich die erforderliche Mehrheit für den Erhalt der Haupt- und Realschulen finden, müssen diese Schulen auch unverändert startklar für das neuen Schuljahr sein.

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Im Mai hatte der Rat beschlossen, mit vier Gesamtschulen und drei Gymnasien in das vorgezogene Anmeldeverfahren zu gehen. Das wiederum setzt voraus, dass die Bezirksregierung die Errichtung der vierten Gesamtschule in den Räumen des Peter-Paul-Rubens-Gymnasiums auf dem Rosterberg genehmigt, was sie bisher nicht getan hat. Laut Zeitplan der Verwaltung wird für den Dezember mit der Post aus Arnsberg gerechnet – vorher stehen nun aber Moderationsgespräche an, die die Gemeinde Wilnsdorf verlangt. Neben Wilnsdorf haben sich auch Kreuztal, Freudenberg und Netphen negativ zu den Siegener Absichten geäußert. Wilnsdorf und Kreuztal, weil sie fürchten, dass die eigenen rappelvollen Realschulen von Siegener Schülern überlaufen werden, die – laut Schulgesetz – denselben Anspruch auf einen Platz dort haben wie die Kinder aus der „eigenen“ Kommune. Freudenberg sorgt sich um seine eigene Gesamtschule, die auch von Schülern aus Siegens westlichen Stadtteilen besucht wird, Netphen um die Sekundarschule, wenn Siegen mehr Gesamtschulplätze anbietet. Wohl erst im November wird die Moderation beginnen, ein Termin steht noch nicht fest.

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In einer Sondersitzung lässt der Siegener Rat am 31. August das Bürgerbegehren gegen Schulschließungen zu.
In einer Sondersitzung lässt der Siegener Rat am 31. August das Bürgerbegehren gegen Schulschließungen zu. © Steffen Schwab | Steffen Schwab

Szenarien

1. Keine Entscheidung: Wahrscheinlich ist nun ein Szenario, bei dem vier Gesamtschulen, drei Gymnasien, die Achenbacher Hauptschule und mindestens eine Realschule an den Start gehen. Die neue Gesamtschule wird allerdings nur starten können, wenn die Mindestzahl von 100 Anmeldungen zusammenkommt. Diese Zahl entspricht zwar ungefähr der Zahl der jährlichen Abweisungen an den bisher drei Gesamtschulen – darunter war allerdings auch immer ein Anteil auswärtiger Kinder, die bei der Prüfung des Bedarfs für eine vierte Gesamtschule nicht mitgezählt werden dürfen. Auch Real- und Hauptschulen brauchen Mindestzahlen an Anmeldungen, die zuletzt von der Achenbacher Hauptschule und der Realschule Auf der Morgenröthe verfehlt wurden. Vorsorglich in den Zeitplan aufgenommen hat die Stadt ein reguläres Anmeldeverfahren für die Schulen, die im nächsten Schuljahr tatsächlich 5. Klassen bilden können. Dieses wird zwischen dem 3. Februar und dem 2. März stattfinden.

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2. Mehrheit im Bürgerentscheid: Wenn im Bürgerentscheid, der voraussichtlich erst nach dem Anmeldeverfahren stattfindet, mehr als 8000 Wahlberechtigte für den Erhalt von Haupt- und Realschulen stimmen und weniger dagegen, wird die Siegener Politik neu überlegen müssen: zumindest, wo sie dann den zweiten Standort der neuen Gesamtschule unterbringt, wenn die Achenbacher Hauptschule in ihren Räumen weitermacht. Oder, ob sie am Errichtungsbeschluss für die vierte Gesamtschule festhält.

3. Keine Mehrheit im Bürgerentscheid: Findet der Bürgerentscheid nicht die erforderliche Mehrheit, käme das Aus für Haupt- und Realschulen ein Schuljahr später.

4. Kein Bürgerbegehren: Es könnte natürlich auch sein, dass die erforderlichen Unterschriften für das Bürgerbegehren bis 20. November nicht gesammelt werden. Nur in diesem Fall könnte die Stadt ihren ursprünglichen Zeitplan umsetzen, vom 23. bis 26. Januar vorgezogen die Anmeldungen zu vier Gesamtschulen und drei Gymnasien einzusammeln.

5. Keine vierte Gesamtschule: Zumindest theoretisch möglich ist auch, dass der Rat sich im Dezember anders besinnt, dem Bürgerbegehren sofort folgt und damit das Bürgerbegehren überflüssig macht. Auch dann würde entweder Szenario 1 eintreten, einschließlich Anmeldungen zur vierten Gesamtschule - es sei denn, der Rat geht einen Schritt weiter als das Bürgerbegehren und hebt auch den Beschluss für eine vierte Gesamtschule auf. Den Errichtungsbeschluss hatte der Rat im Juni mit 49 Stimmen von CDU, SPD, Grünen, Linken und Volt gegen 16 Stimmen von UWG, GfS, FDP und AfD gefasst.

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