IHK-Geschäftsführer Klaus Gräbener blickt düster in die Zukunft des Ausbildungsmarktes: „Was nutzen Aufträge, wenn sie niemand abarbeiten kann?“

IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um das Thema Auszubildende geht: „Der Lehrstellenmarkt ist vollkommen gekippt. Vor 15 Jahren suchten junge Menschen händeringend nach Ausbildungsplätzen. Heute ist es genau umgekehrt: Offene Stellen ohne Ende, jedoch vielfach keine Bewerber in Sicht. Etliche Firmen suchen noch, vor allem für gewerblich-technische Ausbildungsgänge. Wir bewegen uns mit rasanter Geschwindigkeit auf einen eklatanten Mangel an Fach- und Führungskräften zu.“

Hintergrund: Die Agentur für Arbeit hatte in dieser Woche die Ausbildungszahlen veröffentlicht. Allein im Kreis Olpe sind demnach fast 600 freie Ausbildungsplätze noch unbesetzt.

Gräbener weiter: „In den zehn Jahren vor Covid-19 schlossen die Unternehmen jahresdurchschnittlich 2280 Lehrverträge ab, gerechnet von 2009 bis 2019. 2020 waren es 1821, 2021 waren es 1934. Wir können uns glücklich schätzen, wenn es dieses Jahr 1800 Verträge werden.“

+++Lesen Sie auch: Selbst Kfz-Branche sucht händeringend Lehrlinge+++

Das bedeute im Umkehrschluss: „Den Unternehmen allein in Industrie und Handel fehlen – gemessen an dem, was notwendig wäre – rund 500 Ausbildungsverträge. Und das Jahr für Jahr im nächsten Jahrzehnt.“

Gräbeners Warnung: „Das, was wir momentan erleben, wird sich schon kurzfristig zu einem erheblichen Fachkräftedefizit auswachsen, zumal derzeit die geburtenstarken Jahrgänge aus dem Erwerbsleben ausscheiden.“

Mit Blick auf eine teilweise gute Auslastung in manchen Branchen, unterstreicht Gräbener: „Was nutzen Aufträge, wenn sie niemand mehr abarbeiten kann?“

Die Ursachen lägen klar auf der Hand: Ungebremster Drang zu Abitur und Studium, erhebliche Unsicherheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung durch Covid-19, steigende Energiekosten, gestörte Lieferketten und der Krieg in der Ukraine.

Aber auch eine fehlende Berufsorientierung in den Schulen macht dem IHK-Geschäftsführer Sorgen: „Das ist in den letzten beiden Jahren besonders in den Gymnasien spürbar.“

Gräbener: „Der Schlüssel zur Lösung liegt in den Elternhäusern, in den Schulen und den Betrieben gleichermaßen. Die Unternehmen müssen noch mehr bei den jungen Leuten dafür werben, die Vorteile einer betrieblichen Ausbildung gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zu erkennen.“

Von einer staatlich verordneten Ausbildungsgarantie hält Gräbener nichts: „Ohne genügend Bewerber ist das eher eine Realsatire.“