Netphen. Viele Senioren können nicht mehr alleine einkaufen. In Netphen gibt es nun ein neues Angebot, wodurch der Einkaufsbummel wieder möglich wird.
Der Joghurt mit den weißen und dunklen Schokokügelchen muss unbedingt noch in den Einkaufswagen: „Den esse ich am liebsten“, sagt Rita Kringe (81). Sie nimmt gleich mehrere Packungen mit. Ein Sack Möhren wandert kurz vor der Kasse auch noch in den Wagen. „Ich habe Meerschweinchen, die muss ich füttern“, erzählt Rita Kringe. Sie kann nicht mehr selbst Auto fahren, ihre Augen sind im Alter schlechter geworden. Umso glücklicher ist sie daher über das neue Angebot der Malteser in Netphen: Beim „Mobilen Einkaufswagen“ werden ältere Menschen beim Einkaufen begleitet. Tatsächlich sind es aber nicht nur Einkaufstouren – es sind Ausflüge voller Herzlichkeit und kleiner Anekdoten, die Abwechslung und Auszeit zugleich bieten.
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„Ich freue mich jede Woche, wenn ich mitfahren kann“, sagt Rita Kringe. Ihre Dankbarkeit ist in jedem einzelnen dieser Worte zu spüren. Der „Mobile Einkaufswagen“ gibt den älteren Menschen Raum zum Austausch. Natürlich unterstützen auch die Verwandten – wenn es welche gibt und sie es machen– viele Seniorinnen und Senioren beim Einkaufen. Sie bringen mit, was sie brauchen oder gewünscht wird. Das Malteser-Angebot ist auch für sie eine Entlastung. Dennoch: Die Möglichkeit zu bekommen, selbst etwas einzukaufen, bedeutet einfach etwas ganz anderes, ist viel mehr wert.
Netphen: Mobiler Einkaufswagen der Malteser holt Seniorinnen und Senioren zuhause ab
Elke Seemann (55) und Gisa Ludwig (54) holen die Seniorinnen höchstpersönlich mit dem Malteser-Bulli von Zuhause ab und geleiten sie bei Bedarf zum Wagen. Ein kleines Höckerchen erleichtert das Ein- und Aussteigen. Die „Dienstagsfrauen“ nennt Elke Seemann ihre Truppe mittlerweile, weil sie immer Dienstagsvormittags unterwegs sind. Vier Fahrten haben die beiden Ehrenamtlichen seit Ende Juli bereits durchgeführt und das Angebot wird immer beliebter. „Für viele ist es die einzige Möglichkeit, um mal rauszukommen“, sagt Elke Seemann.
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Rita Kringe ist nicht das erste Mal dabei. Nachdem sie von Zuhause abgeholt wurde, geht’s zu Christel Vitt (77) und einer weiteren Dame in Salchendorf. Dann ist die Runde komplett. „Es ist schön, hier zusammenzusitzen“, sagt Rita Kringe, als sie im Bus sitzt. Sie hat sich vor dem Shoppingtrip extra eine Einkaufsliste gemacht. Einerseits kauft man sonst mehr, als man eigentlich braucht, andererseits „vergesse ich so nichts“, betont Rita Kringe.
Netphen: Beim Mobilen Einkaufswagen der Malteser muss sich niemand hetzen
Zielsicher lenkt Gisa Ludwig den Malteser-Bulli, hat mit dem großen Gefährt keinerlei Probleme. „Ich fahre gerne Bulli“, sagt sie. Und ihre Passagiere fühlen sich bei ihr gut aufgehoben. „Ich bin von Anfang an mitgefahren“, erzählt Christel Vitt. Bei der letzten Einkaufstour kaufte sie Wirsing ein. Ob sie den denn schon gemacht hätte, fragt Elke Seemann. „Den gibt’s die Woche noch“, sagt Christel Vitt.
Fahrer gesucht
Der „Mobile Einkaufswagen“ der Malteser richtet sich an Menschen ab circa 75 Jahren und Menschen mit Behinderungen, die nicht (mehr) selbst Auto fahren und beim Wocheneinkauf Unterstützung und Begleitung haben möchten.
Menschen, die mitfahren oder bei dem Projekt mithelfen wollen oder dort selbst Fahrer werden möchten, können sich bei Projektkoordinatorin Julia Niemeyer melden: 0151/14369587 oder per E-Mail an julia.niemeyer@malteser.org.
Die Gespräche beschränken sich nicht nur auf die Einkäufe, die Themenvielfalt ist groß, die Atmosphäre entspannt und locker. Gisa Ludwig erzählt von ihrem Ausflug mit einem Bulli nach Italien. „Damit quer durch Rom – das ist kein Zuckerschlecken. Ich habe die Hupe kaputt gemacht.“ Derweil sind die Frauen in Deuz angekommen. Sie schätzen es, dass dort alles nah beieinander liegt, keine langen Wege zu Fuß nötig sind: Der Discounter liegt neben dem Supermarkt, ein paar Meter weiter gibt’s eine Drogerie und einen Bäcker. Elke Seemann und Gisa Ludwig richten sich danach, wohin die Senioren im Netphener Raum fahren wollen. In diesem Fall wollten alle nach Deuz.
Mobiler Einkaufswagen Netphen: Nach dem Einkauf geht’s zum Kaffeetrinken
Rita Kringe begibt sich nach einer Stippvisite bei der Sparkasse direkt zum Discounter, wo sie schließlich die Joghurts, Möhren und mehr einkauft. Später geht’s noch in die Drogerie. Sie genießt es, während ihres Einkaufs ein wenig mit Elke Seemann zu quatschen und sich in aller Ruhe umschauen zu können. Die Ehrenamtlichen Elke Seemann und Gisa Ludwig sind in greifbarer Nähe, drängen sich aber nicht auf. Wer alleine schauen möchte, wird nicht gestört. Das Einkaufen geht flott: Jede Seniorin weiß genau, was sie braucht. Manche hätten Sorge, zu langsam zu sein, diese Angst müssten sie aber gar nicht haben, so Elke Seemann. „Wir lassen uns nicht hetzen“, betont Gisa Ludwig.
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Als alle mit ihren Einkäufen fertig sind, treffen sie sich zum Kaffeetrinken beim Bäcker. Auch das Pläuschchen nach dem Bummel hat sich etabliert. Es ist kaum zu glauben, dass sich die Runde erst wenige Wochen kennt und schon so vertraut miteinander ist. „Wir dotzen niemanden aus“, betont Gisa Ludwig. Elke Seemann ist sogar erst vor zwei Wochen ins Siegerland gezogen, hat in Gisa Ludwig schnell eine Freundin gefunden: „Es passte von der ersten Minute an“, sagt die ehemalige Lüdenscheiderin. Natürlich muss die Zusammenarbeit zwischen den Ehrenamtlichen stimmen – sonst kann auch das schönste Projekt nicht gelingen.
Netphen: Mobiler Einkaufswagen der Malteser hofft auf weitere Ehrenamtliche
Immer mehr Seniorinnen und Senioren wollen mittlerweile mitfahren, nur an Fahrerinnen und Fahrern mangelt es. Derzeit gibt es drei Fahrerinnen – zu wenig für den großen Andrang. Vier Seniorinnen und Senioren fahren bei einer Tour höchstens mit – die zwei Ehrenamtlichen Gisa Ludwig und Elke Seemann wollen für sie und ihre Bedürfnisse genug Zeit haben.
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„Wir brauchen dringend weitere Ehrenamtliche“, betont Projektkoordinatorin Julia Niemeyer (32) auf der Rückfahrt, die bei dem Projekt tatkräftig vom Malteser-Ehrenamtsbeauftragten Volker Flor unterstützt wird. Gisa Ludwig pflichtet ihr bei: „Je mehr, desto besser.“ Bei dem Projekt sei einfach schön zu sehen, wie sich die älteren Damen und Herren über die Fahrten freuen würden. Das könnte auch die anderen Ehrenamtlichen schnell begeistern. „Und ich habe bei meiner Mutter selbst gesehen, wie dringend der Bedarf nach so einem Angebot ist.“ Besonders in den Dörfern brauche es das noch dringender.
Nach und nach verlassen die Seniorinnen den Bulli, der Ausflug geht zu Ende. Sie sind zufrieden mit ihrem Einkaufsbummel. Gisa Ludwig und Elke Seemann helfen ihnen beim Ausladen, bringen die Einkäufe bis zur Tür, auch das schwere Wasser-Sixpack. Nächste Woche sehen sich die „Dienstagsfrauen“ alle wieder – das haben sie schon beim Kaffeetrinken geklärt.