Netphen. In Hainchen wurde die baufällige Friedhofshalle abgerissen. Nun wird die Generaldebatte geführt: Werden Friedhofshallen überhaupt noch gebraucht?

In Hainchen wurde die baufällige Friedhofskapelle abgerissen. Ob an ihrer Stelle ein Andachtsplatz angelegt wird, war jetzt Thema auf der Bürgerversammlung. Darüber hinaus ist die Debatte über die Zukunft aller Friedhofshallen im Stadtgebiet eröffnet.

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Das ist die Situation

„Der Fliesenleger hat angefangen und ist eingestürzt“, berichtet Andreas Fresen auf der Bürgerversammlung im Haincher Bürgerhaus, wie im März der Beginn der Sanierungsarbeiten das Ende der Friedhofshalle wurde. Rund 100.000 Euro, so der Baudezernent der Stadt Netphen, wären für die Wiederherstellung des brüchigen Fundaments und die Arbeiten an Dach und Boden erforderlich geworden – ganz zu schweigen von den Kosten für Kühlung (des Aufbahrungsraums) und Heizung (bei Trauerfeiern). Und das für zuletzt fünf Trauerfeiern im Jahr: „Der Aufwand hätte in keinem Verhältnis gestanden“, es habe sich um einen „wirtschaftlichen Totalschaden“ gehandelt.

So könnte der Andachtsplatz in Hainchen aussehen.
So könnte der Andachtsplatz in Hainchen aussehen. © Projektwerk | Projektwerk

Im Kulturausschuss, der für das Friedhofswesen zuständig ist und der am Tag nach der Bürgerversammlung ebenfalls in Hainchen tagte, legt der Beigeordnete nach: Am meisten genutzt wurden im vorigen Jahr noch die Friedhofshallen in Dreis-Tiefenbach (27 Mal) und in Deuz (8 Mal). Bei den anderen acht Friedhofshallen lag die Zahl der Trauerfeiern zwischen null und drei. Die Zahl der Beerdigungen ist höher: in Dreis-Tiefenbach waren es 45, in Deuz 17. In fast allen Orten fanden Beisetzungen ohne Hallennutzung statt – nur in Frohnhausen und Beienbach nicht. In Beienbach wurde die Halle für die einzige Trauerfeier des Jahres genutzt, in Frohnhausen ist im vorigen Jahr niemand gestorben.

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Das sagen die Bürger in Hainchen

„Das hat uns hat uns gar nicht gepasst“, kommentiert ein Haincher den Hallenabriss. Das Dorf habe schließlich einst „Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt“, um die Halle errichten zu können. „Wird denn gewährleistet, dass die Summe, die gespart wird, in Hainchen in die Schule kommt?“, fragt ein anderer und verweist auf den Sanierungsbedarf der Turnhalle, „und nicht nach Dreis-Tiefenbach oder Netphen?“ Vorgestellt wird der Entwurf für einen befestigten Andachtsplatz. Eine Wand mit Kreuz könnte aufgestellt werden, darauf eine Überdachung, davor Sitzbänke und vielleicht ein Findling, auf den Urne oder Sarg während der Andacht gestellt werden können. Jemand regt an, die Rückwand als Kolumbarium für Urnen auszubauen. Standort sollte dann auch nicht das Abbruchgrundstück sei, sondern die Wiese, die wegen der großen Nässe für Beisetzungen nicht geeignet ist.

Friedhofshalle Hainchen: Sie wurde im Frühjahr abgerissen.
Friedhofshalle Hainchen: Sie wurde im Frühjahr abgerissen. © Stadt Netphen | Stadt Netphen

Hingewiesen wird auf die Kapelle am Anfang des Kirchwegs, in der Trauerfeiern stattfinden können. „Aber nicht jeder möchte sich kirchlich bestatten lassen“, wendet eine Haincherin ein. Ein anderer äußert Zweifel, ob die Überdachung am Andachtsplatz als Wetterschutz erforderlich ist: „Im Friedhofswald in Deuz stört das auch niemanden.“ Ortsbürgermeister Tobias Schattenberg lässt abstimmen: Die Mehrheit ist für einen Andachtsplatz – will aber auch alternative Entwürfe sehen. „Das muss ja nicht dieses Jahr gemacht werden“, findet ein Bürger, „wir haben ja noch die Kapelle.“

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Das sagen die Bestatter

Christian Steuber, Inhaber des Bestattungshauses Pohl und Steuber, berichtet im Kulturausschuss: „In den Friedhofshallen wird es zunehmend schwieriger.“ Aufbahrungen erfolgten wegen der besseren technischen Ausstattung im Institut, das inzwischen auch einen Abschiedsraum für die Trauernden anbiete. Kleine Trauergemeinden entschieden sich dann oft dafür, dort die Trauerfeier abzuhalten. Eine Rolle spielt die zunehmende Zahl von Urnenbeisetzungen: Die erfolgten zum Beispiel in der katholischen Kirche in Dreis-Tiefenbach direkt von der Kirche aus, die unmittelbar neben der Kapelle steht. Nur Trauerfeiern mit Särgen seien dort nicht zugelassen. Anonyme Beisetzungen – auch deren Zahl steigt – finden ohnehin direkt am Grab statt. Wichtig sei die Friedhofshalle vor allem dort, wo keine Kirche oder Kapelle in der Nähe ist, von der aus sich ein Trauerzug zum Friedhof begeben kann. Bernd Büdenbender vom Beerdingsinstitut Göbel sieht auch örtliche Unterschiede: „Je näher man nach Siegen kommt“, desto weniger würden Trauerfeiern in Friedhofshallen abgehalten.

Friedhof Hainchen: Beigeordneter Andreas Fresen erklärt dem Umwelt-, Kultur- und Tourismusausschuss, warum die Friedhofshalle abgerissen wurde..
Friedhof Hainchen: Beigeordneter Andreas Fresen erklärt dem Umwelt-, Kultur- und Tourismusausschuss, warum die Friedhofshalle abgerissen wurde.. © Steffen Schwab | Steffen Schwab

So diskutiert die Politik

Einstimmig – bei vier Enthaltungen aus den Reihen der SPD-Fraktion – beschließt der Kulturausschuss den Antrag der Grünen, eine Bestandsaufnahme der Friedhofshallen. Die will Beigeordneter Andreas Fresen dann auch gleich mit der Aufstellung der bis 2032 zu erwartenden Investitionen verbinden. „Wir leisten uns eine Friedhofsinfrastruktur, die ihresgleichen sucht“, stellt Silvia Glomski (Grüne) fest, „der Aufwand steht in keinem Verhältnis mehr zum Nutzen.“ Das solle bei künftig anfallenden Sanierungsarbeiten bedacht werden. Entscheidungen, eine Friedhofshalle aufzugeben, sollten „keinesfalls über die Köpfe der Menschen hinweg“ gefällt werden. Klaus-Peter Wilhelm (UWG) findet die Überprüfung des Bedarfs gut: „Das haben wir bei den Spielplätzen auch gemacht.“

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„Es geht nicht nur ums Geld“, widerspricht die Unglinghausener Ortsbürgermeisterin Elke Bruch (SPD) und verweist auf die Bedeutung der Friedhofs für das Dorf. Die „völlig unterversorgten Dörfer“ hätten ja sonst nur noch Bürgerhaus und Ehrenmal, schließt Manfred Heinz (SPD) an und erinnert daran, dass viele der Hallen in Gand- und Spanndienst entstanden seien und die Dorfbevölkerung Glockenturm und Glocken selbst bezahlt haben. „Die Befragung der Bevölkerung muss an erster Stelle stehen.“ Den es gebe nicht nur die Abkehr von Friedhöfen (hin zu Bestattungswäldern), Trauerfeiern und Erdbestattungen: „Es gibt Leute, die wollen im Dorf beerdigt werden,“ Und Dörfer wie Afholderbach und Beienbach, in denen die Dorfgemeinschaft selbst die Gräber für verstorbene Nachbarinnen und Nachbarn aushebt.

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