Siegen. In der Jugendwerkstatt Siegen am Fischbacherberg können Schulabbrecher sich den Weg in Ausbildung und Berufsleben noch ebnen. Wie gelingt das?

Es sind gefühlt 30 Grad im Schatten an diesem Sommertag. Aber der 17-jährige Dawid und Schreinermeister Franz Cilimba lassen sich davon nicht beirren. In einer Seelenruhe hauen sie Holzpfähle in den Boden und schrauben schmale Fichtenbretter daran fest. Die Jugendwerkstatt Förderband unterstützt Jugendliche im Alter von 15 bis 25 Jahren auf dem Weg zum Schulabschluss und beim Einstieg in die Berufswelt. Die Ziele der einjährigen Maßnahme sind der Aufbau einer Tagesstruktur, die Vermittlung von handwerklichen Tätigkeiten und die schulische Förderung. In einer 30-Stunden-Woche wechseln sich die Fächer Mathe, Deutsch und Englisch mit Tätigkeiten in den Berufsfeldern Holz, Metall sowie Garten- und Landschaftsbau ab.

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Die Jugendwerkstatt: Hier lernen Jugendliche den Umgang mit Holz und Metall und erwerben Fähigkeiten im Garten- und Landschaftsbau. Ganz rechts im Bild steht ein selbstgebautes Tiny Haus, in dem die jungen Menschen ihre Mittagspause verbringen können..
Die Jugendwerkstatt: Hier lernen Jugendliche den Umgang mit Holz und Metall und erwerben Fähigkeiten im Garten- und Landschaftsbau. Ganz rechts im Bild steht ein selbstgebautes Tiny Haus, in dem die jungen Menschen ihre Mittagspause verbringen können.. © Coralie Soemer

Siegen: Drogen, Mobbing, psychische Probleme – Schulabbruch kann viel Gründe haben

„Zu sehen, dass die Jugendlichen die Hilfe annehmen und ihre Ziele anstreben“, sagt Sozialpädagogin Ulrike Berkenkötter motiviere sie jeden Tag auf das Neue. Die Gründe für den Abbruch der Regelschule seien vielfältig. Mobbing, Drogenmissbrauch aber auch psychische Probleme könnten bei den Jugendlichen zu einer Verweigerungshaltung führen, so die Sozialpädagogin.

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Durch Schule, Beratungsstelle oder Jobcenter würden die jungen Systemsprenger dann auf das Angebot der Jugendwerkstatt aufmerksam gemacht. Die Teilnahme an der Maßnahme sei aber freiwillig. Denn „sie sollen sich hier wohlfühlen“, sagt Ulrike Berkenkötter. Maximal 16 Jugendliche würden jedes Jahr in das Programm aufgenommen, in der Regel müsste aber niemand auf der Warteliste stehenbleiben. Die kleine Gruppe würde für eine familiäre Atmosphäre sorgen und einen „persönlichen Kontakt“ ermöglichen.

An manchen Tagen seien auch Fachleute vor Ort. Dann würde über den richtigen Umgang mit Geld und Versicherungen gesprochen, aber auch über Drogenprävention, Verhütung und sexuelle Aufklärung.

Sozialpädagogin Ulrike Berkenkötter 
Sozialpädagogin Ulrike Berkenkötter  © Coralie Soemer
Im Sparkassen Center in der Morleystraße steht ein offener Bücherschrank. In Zusammenarbeit mit der Bürgerstiftung Siegen baute die Jugendwerkstatt Förderband auf dem Erfahrungsfeld Schön und Gut hierfür eine alte Telefonzelle um.
Im Sparkassen Center in der Morleystraße steht ein offener Bücherschrank. In Zusammenarbeit mit der Bürgerstiftung Siegen baute die Jugendwerkstatt Förderband auf dem Erfahrungsfeld Schön und Gut hierfür eine alte Telefonzelle um. © Coralie Soemer
Diese programmierbare Fräse steht in der Jugendwerkstatt Förderband in Siegen und wurde von der AG Gestaltbar gebaut.
Diese programmierbare Fräse steht in der Jugendwerkstatt Förderband in Siegen und wurde von der AG Gestaltbar gebaut. © Coralie Soemer

Was hinter den pelzigen Birnen steckt und warum Mathe das neue Lieblingsfach ist

Franz Cilimba zeigt zwei 17-Jährigen, wie man Obstbäume mit Schieflage wieder aufrichtet und mit einer Holzkonstruktion neuen Halt gibt. Gerade arbeiten sie an einem Baum, dessen Früchte an pelzige Birnen erinnern. Aber Lynn weiß, um was es sich tatsächlich handelt: „Das ist eine Quitte“.

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Die Jugendlichen werkelten gerne in der Natur, sagt Cilimba. Doch der häufige Vandalismus trübe die Freude. Wenn unter der Woche etwas repariert oder angepflanzt würde, sei es nicht selten nach dem nächsten Wochenende schon wieder zerstört. Lynn gefällt die Arbeit im Freien auch, es sei gut „immer was zu tun zu haben“. Außerdem zeige sich bei den handwerklichen Aufgaben der Sinn unmittelbarer als bei Schulaufgaben. Man habe „ein Ziel und ein Endergebnis“. Was sie nach dem einen Jahr machen möchte, weiß sie jetzt noch nicht. Aber Lynn könne sich gut vorstellen „so etwas ähnliches weiter zu machen“. Ihr neues Lieblingsfach ist Mathe. Das hat ihr auf der Regelschule „nicht so viel Spaß gemacht“. Auch Dawid kommt mit den Matheaufgaben noch gut zurecht. Seit zwei Wochen ist er nun schon bei der Jugendwerkstatt in Siegen und bis jetzt ist er ganz zufrieden: „Mir gefällt es gut“. Pünktlich zu erscheinen, sei für ihn kein Problem. Nur, wenn wie zuletzt, Busse ausfallen oder sich verspäten sei es manchmal schwierig. Dawid möchte erst einmal den Hauptschulabschluss nachholen und danach vielleicht noch den Realschulabschluss dranhängen. So etwas wie Industriemechaniker oder Maschinenanlagenführer, könne er sich für die Zukunft vorstellen.

Auf dem Grundstück der Jugendwerkstatt befindet sich ein großer Teich, der zur Entspannung einlädt.
Auf dem Grundstück der Jugendwerkstatt befindet sich ein großer Teich, der zur Entspannung einlädt. © Coralie Soemer

Jugendwerkstatt Siegen: Mit dem Quad zu mehr Selbstvertrauen

Eine zweite Gruppe übt gerade das Quad fahren. Ab 16 Jahren dürfen die Jugendlichen nach einer Einweisung das Quad für Aufgaben auf dem Gelände nutzen. Voraussetzung ist, dass sie sich verantwortungsbewusst im Umgang mit dem Fahrzeug verhalten. In diesem Jahr möchte jeder das Quad fahren üben. „Die sind auch alle mutig“, sagt Ulrike Berkenkötter hierzu. Es sei bisher „eine sehr aktive und zuverlässige Gruppe“. Justin, Lara, Lena, Monika und Caro sitzen im trockenen Gras oder versuchen sich unter Anleitung von Industriemeister Michele Seibel auf dem Quad. Was ihnen am meisten Spaß macht? „Dass Unkraut wegmachen“, sagt Justin ironisch. Sein Lieblingsfach ist Deutsch, während die anderen Mathe bevorzugen. Lara mag das Quad fahren und Monika fand es gut, die Sitzecke auf dem Gelände zu reparieren.

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Wer sich bei seinen Aufgaben verantwortungsbewusst verhält, darf ab 16 Jahren für Geländearbeiten das Quad benutzen.
Wer sich bei seinen Aufgaben verantwortungsbewusst verhält, darf ab 16 Jahren für Geländearbeiten das Quad benutzen. © Coralie Soemer

Siegen: Mit vereinten Kräften soll der Fischbacherberg zum Ort für Entfaltung werden

Die Jugendwerkstatt Förderband wird finanziell unterstützt durch das Landesjugendamt Westfalen-Lippe (Land NRW), die Hoppmann-Stiftung „Demokratie im Alltag“, die Stadt Siegen, den Kreis Siegen-Wittgenstein, das Jobcenter Siegen-Wittgenstein und die Sparkasse Siegen.

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Am Eingang zur Jugendwerkstatt Förderband Siegen heißt es:

„Junge Menschen haben das Recht, herauszufinden, welches ihre Stärken sind und welche Arbeit zu ihnen passt. Schön und Gut will ihnen zu diesem Recht verhelfen. Schön und Gut ist ein soziales, handwerkliches, künstlerisches und naturbezogenes Projekt, das in fortwährender Arbeit von Jugendlichen im Übergang zwischen Schule und Beruf unter der Anleitung von befähigten Fachleuten auf dem Gelände des ehemaligen Schießstandes gemeinsam entwickelt und gestaltet wird. Gäste sind auf dem Schön und Gut Erfahrungsfeld herzlich willkommen“.

Das Erfahrungsfeld Schön und Gut Fischbacherberg setzt sich für die Entfaltung von jungen Menschen ein.
Das Erfahrungsfeld Schön und Gut Fischbacherberg setzt sich für die Entfaltung von jungen Menschen ein. © Coralie Soemer

Siegen: Das können Gäste auf dem Erfahrungsfeld Schön und Gut demnächst erleben

Auf dem Erfahrungsfeld Schön und Gut in Siegen, zudem auch die Jugendwerkstatt Förderband zählt, finden in den nächsten Wochen zahlreiche Events statt:

Am 3. September wird wieder das Stadtteilfest am Fischbacherberg ausgerichtet. Es soll tolle Attraktionen für kleine und große Gäste geben. Am 10. September veranstaltet Stylefiasko e.V. einen Hip Hop Jam. Bei „guter Musik, leckeren Getränken und netten Menschen“, soll entspannt gefeiert werden können. Am 17. September richtet das Café Kunterbunt einen Kreativmarkt aus. Am 25. September veranstaltet die Gesellschaft der Staudenfreunde eine Pflanzen-und Saatgutbörse. Der Erlös aus dem Verkauf selbstgezogener Pflanzen soll der Siegener Tafel zugute kommen. Am 26. November, immer am Samstag vor dem ersten Advent, findet der Weihnachtsmarkt Winterfeuer statt.

Jugendwerkstatt Siegen, Klaus-Hoppmann-Weg 1, 57072 Siegen, Telefon: 0271-23565552, E-Mail: jw@foerderband-siegen.de, www.foerderband-siegen.de

Das Logo der Jugendwerkstatt Förderband
Das Logo der Jugendwerkstatt Förderband © Jugendwerkstatt siegen

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