Siegen. Geschäftsleute aus der Alten Poststraße in Siegen sind enttäuscht: Am verkaufsoffenen Sonntag beim Stadtfest mussten sie wieder schließen. Warum?
Ringsherum durften alle Läden geöffnet haben, doch in der Alten Poststraße mussten sie am Stadtfestsonntag wieder schließen. Bei der Entscheidung für den verkaufsoffenen Sonntag ist die zentral gelegene Straße nicht einbezogen worden. „Es fühlt sich an wie links liegen gelassen“, sagt Stefanie Weiß vom Bekleidungsgeschäft Storefolk Concept Store.
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Die Alte Poststraße ist zwar vor allem als Gastromeile bekannt und beliebt, bietet aber auch Fachgeschäfte. Außer Stefanie Weiß sind Samantha Ricciardi-Wick von Polarlicht (skandinavisches Wohndesign) und Tatjana Helm mit dem Kinderfachgeschäft Herr & Frau Mini sowie dem Kinderschuhladen Schuhbidu betroffen. „Ob wir am verkaufsoffenen Sonntag öffnen dürfen oder nicht – für mich hat sich die die Frage überhaupt nicht gestellt“, erklärt Stefanie Weiß. Selbstverständlich seien sie und ihre Kolleginnen davon ausgegangen, dass die Alte Poststraße inbegriffen ist. Der Schluss liegt auch nahe, denn in Kölner Straße und Löhrstraße durften die Geschäfte aufmachen; und beide sind über die Alte Poststraße miteinander verbunden.
Stadtfest Siegen: Kein verkaufsoffener Sonntag für Geschäfte in der Alten Poststraße
Doch dann standen Mitarbeiter des Ordnungsamts im Laden und hätten darauf hingewiesen, dass sie zumachen müsse. „Die waren sehr freundlich. Aber sie mussten halt ihren Job machen“, sagt Stefanie Weiß. Wieso die Dinge so gelaufen seien, habe sie im Nachhinein zwar formal nachvollziehen können. Verstehen könne es aber niemand. Auch die Kundinnen und Kunden nicht, die am Sonntag vor verschlossenen Türen standen. Und das seien einige gewesen: „Die Leute sind hier durchgepilgert.“
„Androhung von Strafe“
Auf den Ausschluss vom verkaufsoffenen Sonntag haben die Geschäftsleute aus der Alten Poststraße unter anderem per Aushang an der Tür und Posts in den sozialen Medien hingewiesen.
Die Öffnung sei „unter Androhung von Strafe“ verboten worden. „Unsere Steuern nehmen sie aber gerne.“
Grund ist das komplexe und komplizierte Prozedere, das mittlerweile erforderlich ist, um überhaupt einen verkaufsoffenen Sonntag durchführen zu dürfen. Diese Ausnahme vom nordrhein-westfälischen Ladenöffnungsgesetz (LÖG NRW) „ist aufgrund der Rechtslage und der höchstrichterlichen Rechtsprechung an sehr strenge Voraussetzungen gebunden“, sagt Arne Fries.
Stadtfest Siegen: Verkaufsoffener Sonntag nur nach kompliziertem Verfahren möglich
Bis vor wenigen Jahren konnten Städte und Gemeinden noch relativ problemlos verkaufsoffene Sonntage auf die Beine stellen. Dann allerdings klagten gehäuft Gewerkschaften mit Verweis auf den Sonntagsschutz dagegen – und bekamen in der Regel Recht. Das Ladenöffnungsgesetz NRW wurde daraufhin 2018 geändert, um klarer zu formulieren, wann eine Sonntagsöffnung zulässig ist. Möglich ist dies demnach an bis zu acht Sonn- und Feiertagen jährlich, sofern die Geschäftsöffnungen im Fahrwasser einer Großveranstaltung stattfinden.
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Entscheidend ist dabei, dass das Publikum nicht wegen der offenen Läden, sondern wegen der übergeordneten Festivität kommt, und dass diese auch ohne offene Geschäfte funktionieren würde. Selbst dann dürfen aber nur Läden mitmachen, die „in räumlicher Nähe“ zur Veranstaltung liegen: Also an Straßen und Plätzen, wo das Hauptgeschehen stattfindet, oder solchen, über die Besucherinnen und Besucher zu Fuß zur Veranstaltung gelangen. Und diese Straßen sind lange im Voraus ausdrücklich zu benennen.
Stadtfest Siegen: Rat stimmte für verkaufsoffenen Sonntag ohne die Alte Poststraße
Geschehen ist diese Benennung in einer schon im November 2021 veröffentlichten Vorlage für die politischen Gremien. „Der Rat der Stadt Siegen hat in seiner Sitzung den verkaufsoffenen Sonntag für das Siegener Stadtfest durch Beschluss am 2. März 2022 geregelt“, erklärt Arne Fries den weiteren Ablauf. Zu diesem Zeitpunkt habe die Alte Poststraße nicht auf der Liste gestanden, „da diese nicht für die Veranstaltungsfläche vorgesehen war“. Anders als etwa die Straße „Am Bahnhof“: Diese wurde in der Vorlage ausdrücklich aufgeführt, weil auf dem Bahnhofsvorplatz Aktionen geplant waren. Damit durften die Läden in der City-Galerie am Sonntag öffnen, auch wenn sich sicherlich darüber diskutieren ließe, ob die Mall mit dem Stadtfest räumlich mehr zu tun hatte als die Poststraße. Aber: Die Anschrift lautet „Am Bahnhof 40“.
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Überall, wo keine Straßen benannt sind, gibt es keinen Spielraum. Für die Teilnahme am verkaufsoffenen Sonntag gebe es „keinen Automatismus derart, dass sich alle Händler im Veranstaltungsbereich darauf berufen könnten“. Insbesondere von den Gewerkschaften werde das Vorgehen „äußerst kritisch begleitet“, so der Ordnungsdezernent weiter. „Bei einem Verstoß haben Klagen der Gewerkschaften häufig Aussicht auf Erfolg.“ Von daher „war die Ordnungsbehörde berechtigt und auch verpflichtet, diese (die Geschäftsleute in der Alten Poststraße, Anmerkung der Redaktion) auf den Verstoß gegen das Ladenöffnungsgesetz hinzuweisen.“
Stadtfest Siegen: Geschäftsleute aus der Alten Poststraße sind enttäuscht
Für zusätzliche Irritation sorgte der von Stadt kurz vor dem Stadtfest veröffentlichte Lageplan, in dem die Alte Poststraße ausdrücklich als Veranstaltungsfläche markiert war. In der ursprünglichen Vorlage war das nicht der Fall, doch solche Änderungen seien bis wenige Tage vor dem Termin noch „möglich und manchmal auch notwendig“, wie der Ordnungsdezernent anmerkt. Für Änderungen des „Erlasses von Ordnungsbehördlichen Verordnungen über das Offenhalten von Verkaufsstellen aus besonderem Anlass“ – so die offizielle Bezeichnung eines verkaufsoffenen Sonntags – gelte dies wegen des komplizierten und aufwendigen Verfahrens, das zwingend erforderlich ist, nicht. Die Alte Poststraße kurzfristig noch zu berücksichtigen, sei „rechtssicher schlicht nicht möglich“ gewesen.
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Für die Geschäftsinhaberinnen aus der Alten Poststraße ist dies alles zwar theoretisch nachvollziehbar, praktisch aber höchst ärgerlich. „Für uns ist das bitter“, erzählt Stefanie Weiß. Erst habe das Geschäft unter der Pandemie gelitten, nun sei über alle anderen Probleme hinaus auch noch seit Monaten die Löhrstraße wegen einer Baustelle gesperrt. „Dann hat man mal Leute in der Stadt – und kriegt gesagt, man muss den Laden zumachen.“ Stefanie Weiß hofft, dass es sich beim Weglassen der Alten Poststraße – in der übrigens auch kein Stadtfestprogramm stattfand – lediglich um ein Versäumnis gehandelt habe.
Was das betrifft, hat Ordnungsdezernent Arne Fries eine klare Haltung: „Aus meiner Sicht wäre es wünschenswert, wenn bei künftigen Stadtfesten bei der Benennung der Straßen für den verkaufsoffenen Sonntag die Alte Poststraße hinzugezogen wird.“
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