Siegen-Wittgenstein. Wer im Kreishaus in Gewahrsam genommen wird, bekommt von ehemaligen Polizisten Hand- oder Fußfesseln angelegt. Die Verwaltung berichtet.
Bei Festnahmen oder „Ingewahrsamnahmen“ in den Räumen der Ausländerbehörde werde den Betroffenen Hand- oder Fußfesseln angelegt. Dies sei „grundsätzlich verhältnismäßig“, führt die Verwaltung in der Antwort auf eine Anfrage der Grünen aus, die dem Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Bevölkerungsschutz zu seiner Sitzung am Mittwoch, 7. September, vorgelegt wird.
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Ruhestands-Polizisten im Hintergrund
„Nicht selten kommt es bei Rückführungsmaßnahmen sowohl zu passiven als auch aktiven Widerstandshandlungen sowie zu Eigen- und Fremdverletzungen“, heißt es in der Darstellung der Verwaltung. Die Fesselung werde auch zur „Sicherstellung des Eigenschutzes“ der Mitarbeitenden vorgenommen, Grundlage dafür ist das Arbeitsschutzgesetz. „Eine Fesselung erfolgt, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Person Vollzugsdienstkräfte oder Dritte angreifen, Widerstand leisten oder Sachen von nicht geringem Wert beschädigen wird, fliehen wird, oder sich selbst verletzen oder töten wird.“ Hinweise hierauf seien zum Beispiel aggressives Verhalten oder erhebliche Nervosität. Auch bei Fahrten zu Flughäfen oder Gerichtsterminen würden den Betroffenen Fesseln angelegt, weil die verwendeten Standardfahrzeuge sich von innen öffnen ließen.
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Die Hand- und Fußfesseln würden durch „Vollzugsdienstkräfte“ angelegt. Dies seien Polizisten im Ruhestand, die „als solche unzweifelhaft erkennbar“ seien. Sie nähmen in den Behördenräumen von dem Zeitpunkt an an Terminen teil, zu den Betroffenen die Ingewahrsamnahme angekündigt werde. „Ziel ist stets, dass der gefesselten Person ein gewisser Bewegungsspielraum und ausreichend Tragekomfort verbleiben. Schmerzen sind auszuschließen.“
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Keine Angaben über Fälle und Qualifikation
Zur Zahl der Abschiebungen insgesamt und zur Zahl der Abschiebungen mit Fesselungen äußert sich die Verwaltung in der Antwort auf die Anfrage nicht: „Hierzu liegen keine statistischen Daten vor.“ Weitgehend unbeantwortet bleiben auch Fragen zu fachlichen Qualifikation der Mitarbeitenden in der Ausländerbehörde. Dies wäre eine „Veröffentlichung personenbezogener Daten.“ Die „schutzwürdigen Belange der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Geheimhaltung ihrer Daten“ überwiegen nach Auffassung der Verwaltung die Ansprüche aus dem Fragerecht der Fraktionen.
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Die Ausländerbehörde des Kreises sei „kein Entscheider“. Sie setze gesetzliche Vorgaben und Entscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge um. Dabei habe sie einen „begrenzten Ermessensspielraum“, den sie „regelmäßig“ nutze. Die Mitarbeitenden hätten überwiegend eine abgeschlossene Verwaltungsausbildung und seien in Fragen des Ausländerrechtes fortgebildet. „Sozialpädagogische Fachkräfte werden derzeit nicht beschäftigt.“
Mehr Personal für Einbürgerungen
Die Ausländerbehörde sei „bereits jetzt“ auch Willkommensbehörde, stellt die Verwaltung in der Antwort auf eine weitere Frage der Grünen fest. So würden „für die Förderung der Einbürgerungen gut integrierter Menschen“ künftig zwei Personalstellen des Kommunalen Integrationsmanagements verwendet. Auf der anderen Seite sollen Aufenthaltszeiten nach Ablehnung eines Asylantrages verkürzt, Beratung und Unterstützung von freiwilliger Rückreise erweitert und die „ausländerrechtliche Bearbeitung von Fällen mit Straftätern verstärkt in den Blick genommen werden“.
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Jeder zweite Geduldete hat Chance auf Dauer-Aufenthalt
Etwa 300 von 560 ausländerrechtlich nur noch „geduldeten“ Menschen im Bereich er Kreisausländerbehörde (die Stadt Siegen gehört nicht dazu) könnten das neue einjährige „Chancen-Aufenthaltsrecht“ bekommen. Diese „Aufenthaltserlaubnis auf Probe“ können Ausländer beantragen, die seit mindestens fünf Jahren in Deutschland wohnen und nicht straffällig geworden sind. Wenn sie innerhalb dieses Jahres Deutsch lernen und ihren Lebensunterhalt selbst verdienen, bekommen sie danach ein dauerhaftes Bleiberecht. Die Ausländerbehörde weise die für das Chancen-Aufenthaltsrecht in Frage kommenden Personen bei den regulären Terminen zur Verlängerung der Duldung auf diese neue Möglichkeit hin, heißt es in der Antwort auf eine weitere Anfrage der Grünen.
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