Siegen. Mehr als Pflanzen: Neben Ikea in Siegen soll es um nachhaltige Stadtgärten gehen – und mehr. Der „Grüntopia“-Naturcampus ist aber umstritten:

Ein touristisches Aushängeschild für Siegen soll es werden, der fünfte Standort der Garten-Center Kremer GmbH, die auf dem Heidenberg, auf der Brache neben dem Ikea-Parkplatz, einen „Naturcampus“ plant. Die Geschäftsleitung hat das konkretisierte Konzept (wir berichteten) nun erstmals der Siegener Kommunalpolitik vorgestellt.

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Die Rückmeldungen sind durchwachsen, eine Mehrheit von CDU, SPD, UWG, GfS und Linke befürwortet im Bauausschuss das Vorhaben weiterhin. Grüne und Volt lehnen ab, FDP und AfD enthalten sich.

Gartenmarkt mit Panorama-Café mit Blick über Siegen – sonntags geöffnet

Der Charakter des Naturgarten-Centers sei keineswegs reiner Pflanzenverkauf, „wir planen grüne Ausflugsziele“, betont Prof. Philipp Teufel, künstlerischer Direktor des an das Lennestädter Garten-Center angeschlossenen Gartenmuseums, der für die Garten-Center Kremer GmbH auch an dem Projekt in Siegen arbeitet. Kein Markt gleiche dem anderen, es würden immer individuelle, auf den Standort zugeschnittene Lösungen erarbeitet. „Spaziergang statt Einkaufen müssen“ beschreibt Geschäftsführer Alexander Kremer die Zielsetzung.

Konzeptentwurf für das Naturgarten-Center auf dem Heidenberg: Die Kosten für den Bau der Einfahrt von der Wallhausenstraße übernimmt die Firma Kremer.
Konzeptentwurf für das Naturgarten-Center auf dem Heidenberg: Die Kosten für den Bau der Einfahrt von der Wallhausenstraße übernimmt die Firma Kremer. © Stadt Siegen | Loth Städtebau und Stadtplanung Siegen

Das beginne bei der anspruchsvollen, transparenten Architektur im Gewächshaus-Stil, so Prof. Teufel, die beispielsweise am Stammsitz in Lennestadt ergänzt werde von Spielplatz, Gartenmuseum, Café. Auch in Siegen ist ein Panorama-Café mit Blick über Siegen vorgesehen; schon der Parkplatz werde möglichst naturnah gestaltet, mit vielen Bäumen, gleichsam als Schaugarten. Das setze sich auch im Inneren fort; die Menschen sollten Inspiration und Anregung bekommen, wie sie Balkon und Garten naturnah und klimagerecht gestalten können. „Grüntopia Siegen“ nennt Teufel das.

Naturgarten-Center Kremer in Siegen als Naturcampus: Verkaufs- und Bildungsort

Denn thematisch wolle man sich, passend zu Siegens Status als „grünste Großstadt“, auf die Themen Klimawandel, Nachhaltigkeit und urbane Gärten konzentrieren – die Gestaltung des „Gartens der Zukunft“ stehe im Fokus, mit klimaresistenten Pflanzen, die weniger Wasser benötigen beispielsweise; dem Erhalt der Biodiversität, Anbau von Lebensmitteln im eigenen oder im Gemeinschaftsgarten, die Bedeutung von Pflanzen für Schatten, Luftqualität, Fassaden- und Dachbegrünung.

„Es ist nicht nur ein Verkaufs- sondern auch ein Bildungsort“, so Teufel. Oberthema sei daher der „Naturcampus“ als Treffpunkt für Jung und Alt, als grüner Marktplatz mit Bildungsangeboten und -kooperationen mit Kindergärten, Schulen, Universität. Inhaltlich solle das begleitet werden von Aktionen und Workshops, mit der Siegener Stadtgarten-Initiative oder der Uni stehe man bereits in Kontakt – ebenfalls für eine Tiny-House-Mustersiedlung rund um nachhaltige Wohnformen. Der Status Siegens als Oberzentrum werde gestärkt, sagt Philipp Teufel.

Siegener Grüne: Plan mit hoher Qualität – starke Bedenken wegen Gewerbeflächen

Die Grünen und Volt haben grundlegende Bedenken. Eigentlich nicht wegen des Konzepts, wenngleich wenn Erik Dietrich (Volt) die Kooperation mit Schulen und Kindergärten kritisch sieht („Bei solchen Private-Public-Partnerships habe ich Bauchschmerzen“), was Alexander Kremer zu der Feststellung veranlasst, dass es sich ja nicht um eine Verpflichtung, sondern um ein Angebot handle: „Wir möchten das, was uns am Herzen liegt, transportieren“ – wenn Schulen Interesse zeigten, nehme man das gern auf.

Ikea ist inzwischen bereit, das Grundstück in Siegen zu verkaufen – aber nach derzeitigem Stand nur an Kremer. An Industrie jedenfalls nicht.
Ikea ist inzwischen bereit, das Grundstück in Siegen zu verkaufen – aber nach derzeitigem Stand nur an Kremer. An Industrie jedenfalls nicht. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Dem Grünen Joachim Boller liegt allerdings das Gelände schwer im Magen: Eigentlich könnte man das Kremer’sche Vorhaben ja nur begrüßen, dessen hohe Qualität unstrittig sei – davon habe sich seine Fraktion auch vor Ort in Lennestadt überzeugt. Aber das Grundstück sei nun einmal für Gewerbe und Industrie vorgesehen, „die IHK klagt ständig über mangelnde Gewerbeflächen“, für die andernorts der Wald gerodet werde. Die Brache auf dem Heidenberg auch noch aus der Reserve zu nehmen: „Dann nähme der Druck zu.“ Und auch wenn Gastronomie unternehmerisch verständlich sei: „Die Sonntagsöffnungszeiten sind für uns ein rotes Tuch.“ Denn es entstehe eine Konkurrenz zur Innenstadt. „Die Menschen geben ihr Geld nur einmal aus.“ Auch mit Blick auf die sogenannten „Randsortimente“.

Grundstück auf Siegener Heidenberg liegt seit Langem brach – „kommen die Tränen“

Raimund Hellwig (FDP) erinnerte vorsichtiger an die Bemühungen des Unternehmens, auf dem Roland-Gelände nahe der Innenstadt Fuß zu fassen, „das wäre ein schöner Standort gewesen.“ Das Naturgarten-Center sei gewiss eine Bereicherung für Siegen, „aber die Diskussion um Flächen für Gewerbe und Industrie ist noch lange nicht ausgestanden.“

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„Was passiert, wenn wir ablehnen?“, fragte Thomas Christian (SPD) – „dann ist da Leerstand.“ Auch CDU-Mann Frank Reifenrath „tränen die Augen“ wenn er die langjährige Brache sehe. „Wir können uns glücklich schätzen, dass das Areal und Kremer zusammengefunden haben“, insbesondere vor dem Hintergrund des Campus-Thema lege Kremer ein „Wunschkonzept“ vor.

Wenn Kremer keinen Gartenmarkt neben Ikea in Siegen baut, passiert dort nichts

Alexander Kremer bedauert, in der Debatte um fehlende Gewerbeflächen „ins Kreuzfeuer zu geraten“. Man habe seit längerem Kontakt zu Ikea, der schwedische Möbelriese habe immer klare Kante gezeigt: Grundstücke werden nicht verkauft. Das habe sich geändert, so der Firmenchef, die neue Linie sei: Verkaufen nur an Einzelhändler, die dem Möbelhaus zusätzliche Frequenz bringen. „Es wird da nie Gewerbe geben“, so Kremer – das sei für manche bedauerlich, aber Fakt. Baut dort nicht Kremer, „bleibt es wie es ist.“ Für Siegen bestehe ein Vorteil auch darin, dass es mit Kremer nur einen Ansprechpartner gebe, „wir kaufen, entwickeln, bauen und betreiben selber“, es gebe im Prozess kein Auseinanderdriften unterschiedlicher Interessenlagen. Man stecke da sehr viel Mühe und Herzblut hinein, „deswegen betreiben wir auch nur vier Standorte statt 400.“

Bezüglich Öffnungszeiten und Randsortimente verweist der Geschäftsführer auf das Ladenöffnungsgesetz NRW, an das man sich selbstverständlich halte und biete im Rahmen dessen an, was die Kundschaft nachfrage. In Kreuztal werde das ebenso gehandhabt. „Das Café ist wichtig“, bekräftigt er, man müsse sich heute eine Menge einfallen lassen, um die Menschen zu sich zu holen. Grüne Gastronomie sei integraler Bestandteil etwa des Standorts in Remscheid – dort sei die Speisekarte komplett fleischfrei, was auf sehr gute Resonanz stoße.

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Der mehrheitlich gefasste Konzeptionsbeschluss sei der Startschuss gewesen, um Gutachten zu beauftragen, den Bebauungsplan-Prozess anzustoßen, die Campus-Idee auszuarbeiten, so Kremer – „in der Hoffnung, dass die Mehrheit steht.“ So habe er das Verfahren in Siegen verstanden und „das würde uns ein gutes Gefühl geben. Idealerweise gehen wir diesen Weg gemeinsam.“