Siegen. Opfer der Messerattacke in Freudenberg kam mehr tot als lebendig in Klinik an, berichten Ärzte in Siegen vor Gericht. „Die Medizin war am Ende“
Man habe die Angst in seinen Augen sehen können, sagt der Arzt über den 26-Jährigen, der bei einer Messerattacke in Freudenberg schwer verletzt wurde. Am zweiten Verhandlungstag im Totschlag-Prozess vor der Jugendkammer des Landgerichts Siegen sind vor allem Mediziner und Polizisten im Zeugenstand.
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Es war gegen 19.30 Uhr am 26. März, als eine unbekannte Person von der Messerattacke am Kurpark berichtete, so ein 25-jähriger Polizeikommissar aus Siegen. Etwa zehn Minuten nach dem Anruf sei er, zusammen mit seiner 23-jährigen Kollegin, am Tatort angekommen. Die Zeuginnen und Zeugen waren sehr aufgebracht, beschreibt er. Der Täter soll zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vor Ort gewesen sein, somit habe er direkt dem schwer verletzen 26-Jährigen Erste Hilfe leisten können. Nach ungefähr zwei bis drei Minuten seien dann Rettungsdienst und weitere Streifenwagen eingetroffen. Der Verletzte war „nicht ansprechbar und blass“, beschreibt der Beamte. Seine Kollegin habe danach die Aussagen der Zeuginnen und Zeugen aufgenommen und Alkoholtests durchgeführt. Weitere Personen, die oberhalb standen, hätten den Täter nach der Tat flüchten sehen, sagt die Polizistin.
Messerangriff Freudenberg: 26-Jähriger muss sich Notoperation unterziehen
Im Krankenhaus wurde der schwer verletzte Mann direkt notoperiert, so der 47-jährige Oberarzt. Das Opfer habe unter starkem Blutverlust und Kreislaufinstabilität gelitten. Die etwa 3,5 Zentimeter lange Eintrittswunde habe viele innere Organe beschädigt. „Er ist mehr tot als lebendig im Krankenhaus angekommen“, beschreibt der Mediziner. Zur Tiefe des Schnitts gibt es keine genaue Angabe: Die Mediziner gehen von bis zu 30 Zentimetern aus, die Gerichtsmedizinerin beschränkte ihre Aussage auf mindestens fünf Zentimeter. Somit bleibt auch die Länge der Klinge zunächst unbestimmt. Da es sich aber um eine Weichteilverletzung handelt, musste der Täter nicht viel Kraft aufwenden, erklärt die Gerichtsmedizinerin. Nach der Not-OP wurde der Patient weiter auf der Intensivstation behandelt, sagt der Zeuge. Um die Verletzung verständlicher zu machen, ließ Richterin Sabine Metz-Horst drei Fotos von dem Oberarzt erklären.
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Später am Abend, gegen 22.30 Uhr, war der identifizierte mutmaßliche Täter immer noch auf der Flucht, so ein weiterer Polizist (56). Mit Hilfe der Nachbarin und der Kooperation der Mutter des Beschuldigten seien die Beamten an die Telefonnummer des 20-Jährigen gekommen, nach mehreren Versuchen habe der Beschuldigte dann mit dem Beamten Kontakt aufgenommen. Der mutmaßliche Täter war am Telefon „völlig durch den Wind“, so der Zeuge. „Ich höre diese tausend Stimmen im Kopf. Ich brauche Hilfe“, soll der Beschuldigte am Hörer gesagt haben.
Freudenberg: Opfer von Messerstecherei am Kurpark erliegt nach Wochen Verletzungen
Die Mutter des 20-Jährigen habe ihn anschließend, nach Absprache mit der Polizei, beim Sozialkaufhaus in Freudenberg abgeholt und nach Hause gebracht. In der Nähe habe bereits ein weiteres Team der Polizei auf ihn gewartet. Etwa um 3.40 Uhr wurde der Verdächtige demnach abgeführt, im Auto verhielt er sich zunächst „ganz ruhig und unauffällig“, beschreibt ein 25-jähriger Polizist aus Weidenau. Der Beschuldigte habe aber plötzlich von seinen Stimmen im Kopf berichtet und versucht, gegen seine aufkommenden Aggressionen anzukämpfen. „Es war wie ein Wechselspiel.“
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Während der wochenlangen Krankenhausbehandlung hatten die Ärztinnen und Ärzte das Opfer nur selten wach halten können. In der kurzen Zeit habe der Patient viel Angst gehabt und versucht sich mit Abwehrbewegungen zu schützen – „eine unschöne Wachheit“, sagt ein weiterer Arzt (52). Ein paar Tage vor seinem Tod habe sich der Zustand des Opfers verschlechtert. Am Ende konnte der Kreislauf des Patienten nur noch künstlich aufrecht erhalten werden, so der Zeuge. Nach etwa sieben Wochen erlag der Patient seinen Verletzungen. „Die Medizin war am Ende.“
Am Montag, 5. September, geht es weiter.