Rudersdorf. Die Bahn informiert über den Neubau:: Über die L 904 wird zwei Jahre lang alle sieben Minuten ein Lastzug mit Abraum geschickt.

Unter der Tiefenrother Höhe verläuft der Rudersdorfer Tunnel. Eine 2652 Meter lange Röhre mit zwei Gleisen der Bahnstrecke Siegen-Haiger. 2031 werden die Züge durch zwei neue Tunnelröhren fahren, die westlich davon durch den Berg getrieben werden. Übernächste Woche wird die Bahn die Planfeststellung beim Eisenbahn-Bundesamt in Essen beantragen. Zeitweise bis zu 200 Menschen haben jetzt ab einer Online-Anwohnerversammlung teilgenommen.

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„Wir informieren nicht zum ersten Mal und auch nicht zum letzten Mal“, sagte Anne Scheffler von der Öffentlichkeitsarbeit der DB Netz AG. Noch sei das Vorhaben in einem frühen Stadium – obwohl Probebohrungen im Berg schon 2014 vorgenommen wurden. Mit einer Postkarte waren die Anwohner im Radius von zweieinhalb Kilometern um die Tunnelportale eingeladen worden.

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Warum wird der Tunnel neu gebaut?

Der in den Jahren 1913 bis 1915 – also in nur zwei Jahren – gebaute Rudersdorfer Tunnel ist in die Jahre gekommen, stellt Projektleiter Bodo Tauch fest, „an der Betriebsgrenze angelangt“. Dass zwei Gleise, im Abstand von nur 3,50 Metern, in eine Röhre gelegt werden, ist nicht Stand der Sicherheitsbestimmungen. Deshalb dürfen sich auch im Rudersdorfer Tunnel Züge nicht mehr begegnen. Gleise in Tunneln legt man heute nicht mehr auf ein Schotterbett, sondern auf Beton, auf dem auch Straßenfahrzeuge – notfalls Feuerwehr und Rettungsdienst – fahren können. Ein Teilnehmer fragt später nach den beiden Giersbergtunneln nach Weidenau und Siegen: Um große Container über die Strecke zu bringen, müssten die doch auch erweitert werden. Das wird an diesem Abend aber kein Thema. Aus Siegen gibt es längst den Wunsch, die Siegener Röhre ebenfalls – wie die Weidenauer – mit einem zweiten Gleis auszustatten.

Der Rudersdorfer Tunnel wird ab 2025 durch einen Neubau mit zwei Tunnelröhren ersetzt. Nach 2031 plätschert hier der Trosselbach.
Der Rudersdorfer Tunnel wird ab 2025 durch einen Neubau mit zwei Tunnelröhren ersetzt. Nach 2031 plätschert hier der Trosselbach. © Thorsten Wroben | Thorsten Wroben

Wie sieht der neue Tunnel aus?

Eigentlich sind es zwei: Die Röhren verlaufen westlich, also auf der Wilgersdorfer Seite des alten Tunnels. Die erste in 70 Metern Abstand zum alten Tunnel, die zweite 30 Meter weiter westlich. Alle 500 Meter werden Verbindungsbauwerke zwischen beiden Röhren errichtet – Fluchtwege, die es heute nicht gibt: Da müssten Personen sich im Notfall bis zum Tunnelportal durcharbeiten. Die neuen Tunnel werden länger: 3058 Meter. Und sind runde Betonröhren. Nicht mehr hufeisenförmige Durchlässe, die mit 1,3 Meter dickem Natursteinmauerwerk verkleidet und zum Erdreich hin offen sind. Mit 110 km/h sollen die Züge durch den Tunnel fahren können. Nicht mehr als bisher, betont Bodo Tauch. auch langfristig nicht.

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Wie wird gebaut?

Zuerst, etwa ab Spätsommer /Herbst 2025, werden zwei zweispurige Baustraßen angelegt, insgesamt zehn Kilometer lang, eine vom Nordportal bei Rudersdorf, eine vom Südportal bei Dillbrecht. Sie werden an die von Wilgersdorf kommende L 904 angebunden, von dort geht es über die B 54 weiter zur Autobahn. Lagerflächen, vor allem für das Gestein aus dem neuen Tunnel, werden am, Nordportal (5 Hektar) und am Südportal (5,6 Hektar) angelegt. Schließlich werden der Klingelseifen- und der Trosselbach verlegt – und auf 500 Metern auch der Rothaarsteig, der auf eine Trasse neben der Baustraße umgeleitet wird. „Das ist unser erster Schritt“, sagt Projektleiter Bodo Tauch.

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Wie entsteht der neue Tunnel?

Bodo Tauch spricht von „Vortrieb“ und „Rohbau“: Mit Sprengstoff werden sich die Bauleute vorarbeiten, mit jeder Sprengung einen Meter, „höchstens zwei- bis drei Mal am Tag“, dann aber in beiden Röhren an beiden Enden etwa zur gleichen Zeit. Der Fels wird gesichert, der Abraum herausgeschafft – und dann geht es den nächsten Meter weiter. Im Chat, der die Online-Veranstaltung begleitet, rechnet ein Teilnehmer nach: Das mache dann in den anderthalb bis zwei Jahren Rohbauzeit 6000 Sprengungen.

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Wie wird der neue Tunnel befahrbar?

Der Tunnel muss mit Oberbau und Gleisen, Notbeleuchtung und Notrufsäulen, Handlauf und Stromkabel ausgestattet werden – übrigens nicht mit einer Lüftung. Das Gefälle von sechs Promille erzeugt auf der Strecke einen Höhenunterschied von 14 Metern, wie ein Kamin. Lüftungsschächte wie im alten Tunnel, dort wegen der Dampfloks angelegt, werden nicht mehr gebraucht. Außerdem werden vor beiden Portalen Rettungsplätze mit Zufahrt angelegt, installiert werden Technikgebäude und Löschwasserbehälter. 2030 soll der Tunnel in Betrieb genommen werden.

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Wann sind die Arbeiten abgeschlossen?

Wenn der alte Tunnel verfüllt ist – dort bringen die Baufirmen ungefähr die Hälfte des Abraums aus den neuen Röhren unter. Den Schotter lässt die Bahn drin, die Portale „bleiben als Fossil erhalten", sagt Bodo Tauch. Der Bahneinschnitt am Südportal wird verfüllt, dort wird dann der Trosselbach in seinem alten Bett mäandern, das ihm vor über hundert Jahren beim Tunnelbau weggenommen worden ist.

Was bewegt die Anwohner?

Der Verkehr über die L 904, alle sieben Minuten ein Lastzug mit Aushub: Die Straße sei dafür „viel zu schmal“, melden mehrere Teilnehmer. Andernfalls müsste der Verkehr aber durch Wilgersdorf, Dillbrecht, Fellerdilln und Rodenbach geschickt werden, wendet Projektleiter Bodo Tauch ein: „Das möchte ich niemandem zumuten.“ Warum das Material nicht mit der Bahn abgefahren werde? Erstens brauche es dann für die Verladung ein Anschlussgleis, gibt Tauch zu bedenken. Und zweitens handele es sich um eine „sehr stark befahrene Strecke“, auf der nicht ohne weiteres zusätzliche Güterzüge unterzubringen seien. Ob die Baustraßen nicht auf Dauer als Landesstraßen erhalten werden können? Das, so Tauch, wäre Sache der Kommunen und des Landes, die sich rechtzeitig darum kümmern könnten.

Die Arbeiter brauchen Unterkünfte, am besten in Pensionen oder Ferienwohnungen. Das wäre „immer noch besser als als ein Containerdorf“, antwortet Bodo Tauch auf die entsprechende Frage. Auf jeder Seite des Portals werden immer Mannschaften mit um die 50 Arbeitern im Einsatz sein – und zwar Tag und Nacht. „Wir müssen so schnell bauen, dass es der Berg nicht merkt.“ Soll heißen: Lange Pausen könnten dazu führen, dass die unterhöhlte Tiefenrother Höhe instabil wird. Die lärmintensiven Arbeiten würden tagsüber ausgeführt, vor allem die Sprengungen, die „nicht zu nachtschlafender Zeit“ erfolgen werden. „Je weiter man in den Tunnel geht, desto weniger wird man die Sprengungen hören.“ Sprengungen seien für die Anwohner erträglicher als der Einsatz einer Tunnelbohrmaschine, erklärt der Projektleiter: „Die hört man kontinuierlich durchgehend.“

Der Bahnverkehr wird bis 2030 kaum beeinträchtigt, nur an einigen Wochenenden werde die Strecke gesperrt werden, um zum Beispiel Brücken abzureißen, sagt Bodo Tauch. Eine große, sechswöchige Vollsperrung werde am Schluss erforderlich, um die neuen Tunnelröhren an die Strecke anzubinden.

Der alte Tunnel könne erhalten werden, regen Teilnehmer an, zum Beispiel als Luftschutzraum. Bodo Tauch winkt ab: Der Tunnel müsste dann auch weiter instand gehalten werden. „Wichtig ist die Sicherheit des ganzen Gebirges obendrüber.“ Die Verfüllung sei die „sicherste Lösung“.

Grunderwerb soll nach dem Planfeststellungsbeschluss Thema werden. „Wir werden auf die Grundstücksbesitzer zugehen“, kündigt Bodo Tauch an. „Warum geht die DB eigentlich davon aus, dass alle betroffenen Grundstückseigentümer überhaupt der Baumaßnahme zustimmen?“ fragt die Waldgenossenschaft Hauberg Wilgersdorf im Chat. Diese Frage wird während der Online-Veranstaltung nicht mehr beantwortet.

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