Siegen. . Schwarzfahren durch den Rudersdorfer Tunnel: Nach wie vor arbeiten sich Fahrgäste von Niederschelden bis Wilnsdorf am Fahrpreis-Dschungel ab.

Walter Schindler kennt sich eigentlich aus: Der im Verkehrsclub Deutschland engagierte Werthenbacher ist passionierter Fahrgast des öffentlichen Nahverkehrs. Nur im Rudersdorfer Tunnel – da wird es auch für ihn dunkel, in jeder Hinsicht. „Sie müssen da schwarz fahren“, sagt ein Experte aus dem Siegerland, der sich in die wieder einmal beginnende Debatte nicht öffentlich einschalten will.

Die Grenze

Rudersdorf ist der letzte Bahnhof in Nordrhein-Westfalen, Dillbrecht der erste in Hessen. Die Pauschalpreis-Tickets der Bundesländer führen nicht über die Grenze. „Vielleicht sollte man Mauern bauen oder wieder Zollstationen einrichten?“, überlegt Schindler. Alles schon mal da gewesen, weiß Matthias Tuschoff, Vorsitzender des Fahrgastbeirats bei der Verkehrsgemeinschaft Westfalen-Süd (VGWS): Bei den Hamsterfahrten nach dem Krieg, hat er nachgelesen, wurde dort richtig kontrolliert. Hessen war amerikanisch, NRW britisch besetzt. „Das war eine harte Grenze.“

Preisvergleich: Was kostet Siegen-Frankfurt?

Wer mit dem Zug von Siegen nach Frankfurt fährt, bekommt einen Fahrschein für 31 Euro verkauft. Wer zu zweit oder mit noch mehr Personen unterwegs ist und auch wieder zurück will, fährt für 52 Euro gut mit dem Quer-durchs-Land-Ticket.

Das Hessenticket für bis zu fünf Personen und beliebig viele Fahrten gibt es für 36 Euro, den Einzelfahrschein von Dillbrecht nach Frankfurt für 16 Euro. Dazu braucht man allerdings noch eine Fahrkarte von Siegen bis Dillbrecht und/oder zurück. Die wird für 5,20 Euro verkauft – wo auch immer man sie herbekommt. Siegen-Rudersdorf kostet 3,90 Euro.

Preisfragen

Das Ungemach trifft nicht jeden. Wer den Fernverkehrstarif der Deutschen Bahn bezahlt, fährt auf der sicheren und teuren Seite. Immer wieder unfreiwillig in die Falle tappen die Fahrgäste mit den Pauschalpreisen: Azubi- und Studierendentickets, „Schöner Tag NRW“, „Hessenticket“.... Und dann gibt es auch die, die bewusst auf Risiko fahren, weil sie mit den billigeren Fahrscheinen der Nahverkehrsverbünde Geld sparen. Siegen-Köln kostet ab Siegen bei der DB 25,60 Euro. Ab Niederschelden Nord auch. Aber ab Niederschelden nur 11,90 Euro. Denn der Bahnhof des Siegener Stadtteils steht auf dem Boden der rheinland-pfälzischen Nachbargemeinde Brachbach, die wiederum mit dem Kreis Altenkirchen Teil des Kölner Verkehrsverbundes Rhein-Sieg ist. „In den Übergangsbereichen ist das einfach schwierig“, sagt Markus Stirnberg, stellvertretender Geschäftsführer des Zweckverbandes Personennahverkehr Westfalen-Süd (ZWS). Und klingt dabei etwas resigniert. „Die Probleme haben wir schon lange Zeit.“

Letzter Halt: Dillenburg

Walter Schindler sitzt mit seinem Hessenticket im Main-Sieg-Express nach Siegen. Um nicht zum Schwarzfahrer zu werden, braucht er allmählich einen Fahrschein von Dillbrecht nach Rudersdorf. In Dillenburg, sozusagen dem letzten Halt vor der Grenze, aussteigen, am Automaten die Karte lösen und mit dem nächsten Zug weiterfahren? Oder auf den Zugbegleiter hoffen? Der könnte das Ticket verkaufen, muss es aber nicht. ZWS-Mann Stirnberg bestätigt das: Im Gebiet des Rhein-Main-Verkehrsverbundes erfolge der Fahrkartenverkauf „grundsätzlich an den Stationen“. Und erst im ZWS-Gebiet im Zug — deshalb sind hier auch die Hessenbahnen mit Automaten ausgestattet. Walter Schindler hat meistens Glück. Der Fahrpreis differiert gelegentlich — für die einen ist der Tunnel Kurzstrecke, für die anderen nicht. „Für die Zugbegleiter ist der Übergangstarif auch nicht einfach.“

Endstation Niederschelden

Am Siegener Bahnhof gibt es die Hessentickets zwar nicht am Automaten, aber immerhin am Schalter. Was die Reise zumindest in der anderen Richtung entspannter macht. „Man kann sogar online bestellen und sich die Fahrkarte zuschicken lassen“, weiß Fahrgastbeirat Matthias Tuschoff. Richtung Köln sieht das wieder anders aus: Fahrscheine des VRS werden nach wie vor in Siegen nicht verkauft.

Schon 2008 wirbt Grünen-Landtagsabgeordneter Johannes Remmel für die Öffnung der Tarifgrenze in Niederschelden.
Schon 2008 wirbt Grünen-Landtagsabgeordneter Johannes Remmel für die Öffnung der Tarifgrenze in Niederschelden. © Horstgünter Siemon

Was ein Grund für gut gefüllte Pendlerparkplätze in Brachbach ist, dem ersten Halt des Rhein-Sieg-Express’ nach der Landesgrenze. Immerhin, so Matthias Tuschoff etwas sarkastisch, ist zwischen Niederschelden-Nord und Niederschelden kein Tunnel. „Das Stück müssten sie halt zu Fuß laufen.“ Die Jugendlichen mit dem Siegen-Wittgensteiner Schülerticket zum Beispiel.

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