Achenbach. Botschafter Andrij Melnyk stellt beim Heimatverein Achenbach klar, dass er das Engagement der Deutschen schätzt. Aber: „Das ist nicht genug!“

Es war anders geplant, es war anders gedacht, es gab Irritation und Enttäuschung – aber am Ende war es gut, wie es war. Ein Gipfeltreffen auf dem Heidenberg. Denn hierher, ins Café Net(t)Werk, hatte sich Andrij Melnyk, der ukrainische Botschafter in Deutschland, einladen lassen.

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Der rührige Achenbacher Heimatvereins-Vorsitzende Günther Langer hatte den Diplomaten angeschrieben, um diesem beispielhaft zu zeigen, wie engagiert sich Ehrenamtliche in Deutschland für die aus der Ukraine geflüchteten Menschen einsetzen. Langer und sein Team wollten dem medial verbreiteten Statement Melnyks, nach dem sich viele Ukrainer in Deutschland nicht mehr willkommen fühlten, etwas entgegensetzen. Im Rahmen der unmittelbaren Begegnung sollte erkennbar werden, dass diese Sichtweise objektiv nicht stimme.

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Schwierige Terminplanung: Kein Treffen mit 200 Geflüchteten

Die Achenbacher hatten sich gewünscht, dass der Botschafter am Samstag spätnachmittags im Garten des Cafés auf rund 200 in Siegen neu beheimatete Menschen treffen würde. Sie verließen sich zunächst auf die Zusage des Botschafters, um dann doch angesichts einer terminlichen Kollision das Nachsehen zu haben. Andrij Melnyk war gebeten, sich im Apollo-Theater Siegen im Zusammenhang mit der „Fidelio“-Aufführung des Musiktheaters Kiew im Exil ins Goldene Buch der Stadt einzutragen – diesem Wunsch des Bürgermeisters habe er nachkommen müssen, so der Diplomat, der dann am Sonntagvormittag in kleinerem Kreis in Achenbach empfangen wurde.

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Melnyk hatte es sich nicht nehmen lassen wollen, bei diesem auch aus seiner Sicht beispielhaft arbeitenden Unterstützerkreis noch einmal selbst zu sagen, wie seine in einer Talkshow geäußerte Aussage einzuordnen sei. Aus seiner Sicht, so Melnyk, werde das „Wir helfen doch!“ zu sehr in die Waagschale der politischen Diskussion geworfen.

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„Nicht genug“: Das gilt für die Ukraine wie für die Unterstützenden

Er als Vertreter seines Landes sei sehr dankbar für die Hilfe der Bundesregierung, der Landesregierungen und der kommunal Verantwortlichen, er schätze die ehrenamtliche Hilfe der Menschen vor Ort ungemein. Und doch dürfe das nicht als Argument zählen, wenn es um die Antwort auf den von ukrainischer Seite wieder und wieder formulierten Anspruch gehe, dass Deutschland mehr tun könne, auch mehr, konkret: mehr Waffen, liefern, um die Ursachen von Flucht und Vertreibung zu bekämpfen und damit den russischen Aggressor selbst. Es werde viel getan, „aber nicht genug“, so Andrij Melnyk in Achenbach.

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Dieses „nicht genug“ kennen auch die Helferinnen und Helfer des Heimatvereins. Am Sonntagmorgen klagen sie über Hürden bei der medizinischen Versorgung oder Verkomplizierungen bei der Unterbringung von Menschen: Wohnraum sei da, aber weil die „Belegungsquote“ erfüllt sei, müsse man Geflüchtete nun auch außerhalb von Nordrhein-Westfalen, wie aktuell in Wetzlar, unterbringen. Rund 1200 Ukrainerinnen und Ukrainer habe der Heimatverein schon versorgen können, so Günther Langer in seiner Darstellung gegenüber dem Botschafter. Sein Verein wolle den Menschen „eine Heimat auf Zeit bieten“ – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Dabei gehe es um Alltagshilfen, den Abbau von Sprachbarrieren und ersten Schritte in Kita und Schule und ins Arbeitsleben auch. Was von den Geflüchteten zurückkomme, sei Vertrauen und Dankbarkeit.

Auf Initiative des Heimatvereins Achenbach ins Gespräch gekommen (von links): Günther Langer, Genadij Zbuker, Gerhard Alfes und der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk. Claudia Irle-Utsch
Auf Initiative des Heimatvereins Achenbach ins Gespräch gekommen (von links): Günther Langer, Genadij Zbuker, Gerhard Alfes und der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk. Claudia Irle-Utsch © Claudia Irle-Utsch | Claudia Irle-Utsch

Heimatverein Achenbach ermöglicht Begegnung der Landsleute

Und dann hatte mit Genadij Zbuker einer das Wort, der sein Zuhause in einem Dorf bei Charkiw verloren hat. Er verdient nun in Deutschland sein Geld, um nach dem Krieg (s)ein Haus wieder aufbauen zu können. Viel Zeit nahm sich Andrij Melnyk, um dem 49-jährigen Landsmann zuzuhören. In diesem Austausch agierten die beiden Männer auf Augenhöhe – in ihrer Sprache, in einem grundsätzlichen Verständnis, mit Schulterklopfen und Umarmungen. Ein stiller Moment, eine Begegnung von Mensch zu Mensch. Damit erwies sich der Heimatverein Achenbach einmal mehr als Ermöglicher. Abseits des eigentlich erwünschten „großen Bahnhofs“ war das kostbar.

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