Siegen. Der ukrainische Staat organisiert die Verteidigung gegen die Invasoren, die Friedensgruppe Siegen hilft bei der Versorgung der Menschen im Krieg.

Im Kampf der Ukraine gegen den russischen Aggressor braucht das Land Hilfsgüter aus dem Ausland, um die eigene Bevölkerung mit dem Nötigsten versorgen zu können. „Das Land ist auf uns angewiesen. Der Staat konzentriert sich auf die Verteidigung“, sagt Tetyana Pankovska, Vorsitzende des Vereins Friedensgruppe Siegen. „Die humanitäre Lage im Rest des Landes leidet darunter.“ Unermüdlich organisiert der kleine Verein Hilfstransporte in die Ukraine.

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So stocke derzeit etwa die Auszahlung von Hilfen, die mit rund 60 Euro pro Person und Monat ohnehin nicht üppig ist. Gleichzeitig koste ein Kilo Buchweizen schon 3 Euro, berichtet Tetyana Pankovska. Durch den Krieg verschärfe sich die soziale Situation in der ohnehin armen Ukraine weiter, gerade in den Grenzgebieten. „Aber sicher ist es nirgendwo“, ergänzt Dr. Tetiana Havlin vom Vorstand der Friedensgruppe. Viele Männer sind an der Front, können ihre Familien nicht versorgen. Viele wurden getötet, waren aber noch gar nicht als Militärs registriert, was die Unterstützung ihrer Angehörigen erschwere.

Elf Lastwagen mit Hilfsgütern gingen bisher von Siegen in die Ukraine

Hilfsinitiativen wie die Friedensgruppe kümmern sich darum, die Menschen zu versorgen; derzeit vor allem mit Nahrungsmitteln, Medikamenten, medizinischen Geräten. Andernfalls könnte es zu inneren Unruhen kommen, fürchtet der Verein – das ist die Motivation im gemeinsamen Kampf gegen die Invasoren. Die ukrainische Bevölkerung am Leben zu erhalten, damit sie sich weiter wehren kann. Vier Monate nach Kriegsbeginn wird die Situation aber auch für die Helfer in Siegen immer schwieriger.

Die Stadt Siegen stellt der Friedensgruppe an der Tiergartenstraße Lagerfläche zur Verfügung.
Die Stadt Siegen stellt der Friedensgruppe an der Tiergartenstraße Lagerfläche zur Verfügung. © Hendrik Schulz

Elf Lastwagen mit Hilfsgütern hat die inzwischen gemeinnützige Friedensgruppe bislang in die Ukraine schicken können, nicht zuletzt dank der Kooperationspartner aus der Siegerländer Wirtschaft – eine Firma stellte etwa kürzlich Klinikbetten zur Verfügung, die Friedensgruppe organisierte den Transport. Dazu arbeitet sie mit der Hilfsorganisation „Viva la Vita“ in der Ukraine zusammen, um den Menschen gezielt Hilfe zukommen zu lassen, aktuell vorwiegend denen, die ihre Wohnungen verlassen mussten. Auf Vermittlung von „Viva la Vita“ packt die Friedensgruppe gezielt Pakete, erklärt Tetiana Havlin: Rund 7 Millionen Ukrainer sind innerhalb des Landes auf der Flucht, weitere 4 Millionen im Ausland, für sie werden gewissermaßen konkrete Bestellungen bei Initiativen wie der Friedensgruppe aufgegeben, organisiert und verschickt. Mit ihren Aktivitäten vor Ort bemüht sich die Friedensgruppe um Unterstützung, vor allem in finanzieller Hinsicht.

Statt Miete möchte Friedensgruppe Siegen lieber Geld für Essen und Medizin ausgeben

Anfangs waren es vorwiegend Sachspenden, mit Geld kann der Verein gezielt einkaufen und für Sammelbestellungen auch besser verhandeln. „Und es spart Sortierarbeit“, sagt Tetyana Pankovska – auch helfende Hände fehlen. Sie möchten alle Ressourcen für die Hilfen an die ukrainische Bevölkerung verwenden. Die Unterstützung für Geflüchtete in Siegen übernehmen andere, der Heimatverein Achenbach, die Ukrainehilfe Salchendorf oder auch das Blau-Gelbe Kreuz mit Sitz in Köln, mit denen die Friedensgruppe ebenfalls zusammenarbeitet.

Die Sammelstelle ist von der Hagener Straße zum ehemaligen Kreiswehrersatzamt umgezogen. Dort gibt es aber weniger Platz.
Die Sammelstelle ist von der Hagener Straße zum ehemaligen Kreiswehrersatzamt umgezogen. Dort gibt es aber weniger Platz. © Hendrik Schulz

Das lässt sich auch kaum trennen: Alle Geflüchteten wollen so schnell es geht zurückkehren, sagt Tetiana Havlin, auch wenn sie all ihren Besitz verloren haben und es oft vorkommt, dass sie nach der Rückkehr erneut fliehen müssen. „Die Ukraine ist ihre Heimat“, sagt sie. Der Krieg wird noch dauern, also unterstützt die Friedensgruppe wo es nur geht, auch bei der Integration: An Schulen ist die Hilfsbereitschaft nach wie vor sehr groß; am Siegener Berufskolleg Technik und Verwaltung wurden 12.000 Euro gesammelt, in Betzdorf 7000 Euro, plus die Aktion „Laufen für den Frieden“: Die Kinder suchten sich Sponsoren, 61.000 Euro kamen so zusammen. „Dieses Vertrauen ist sehr viel wert“, sagt Tetyana Pankovska dankbar.

Allein der Sprit für einen Lkw von Siegen in die Ukraine kostet 2500 Euro

Sehr schnell nach Kriegsbeginn konnte die Friedensgruppe provisorisch mehrere Ladenlokale an der Hagener Straße nutzen, um Spenden entgegenzunehmen und für den Transport zu sortieren (wir berichteten). Alle möglichen Dinge des täglichen Bedarfs wurden gespendet, nicht alles konnte verwendet werden. Auf Dauer kann sich der Verein die Miete auch nicht leisten. Die Stadt stellte einen Lagerraum am ehemaligen Kreiswehrersatzamt an der Tiergartenstraße zur Verfügung, der Vorstand hofft nun, dass weitere Räume auf dem Areal als Lagerflächen genutzt werden können. Ein Depot mit besserer Anbindung für große Lkw würden sie sich wünschen.

Im Austausch

Im Rahmen einer Infoveranstaltung am Freitag, 1. Juli, möchte die Friedensgruppe Siegen sich und ihre Arbeit vorstellen. Beginn ist um 17 Uhr im Gemeindehaus St. Joseph in Weidenau.

Der Verein versteht sich auch als Netzwerk-Plattform – etwa wenn es darum geht, Schüler für einen Deutschkurs zu gewinnen. „Wir möchten dafür sorgen, dass die Hilfe bei allen Menschen ankommt, die sie brauchen“, betont Tetiana Havlin.

Der Verein möchte transparent nachweisen, dass Spenden auch wirklich dort ankommen, wofür sie gedacht waren.

Infos und (Spenden-)Kontakt: friedensgruppe-siegen.de.

So lange es geht, möchte der Verein eine Anmietung von Räumen vermeiden, um das Geld für Hilfsgüter verwenden zu können. 2500 Euro koste aktuell nur der Sprit für einen Lkw, die Preise steigen weiter, in der Ukraine herrsche immer größerer Mangel. Der Treibstoff ist rationiert, „in Lwiw dürfen pro Person nur 10 Liter getankt werden“, berichtet Tetiana Havlin, dafür warten die Menschen stundenlang. Längst habe sich ein Schwarzmarkt gebildet in der 700.000-Einwohner-Stadt im Westen des Landes, in der sich derzeit rund 2 Millionen Binnenflüchtlinge aufhalten. „Es fehlt an allem“, sagt Tetyana Pankovska. Die Hilfe in die Ukraine zu bringen, funktioniere derzeit noch recht gut, sie dann Richtung Front zu transportieren, sei oft sehr kompliziert.

Ukrainische Handwerker arbeiten in Siegen und helfen der Friedensgruppe beim Beladen

Die Spendenbereitschaft sei zurückgegangen in den vergangenen Wochen, das merkt die Friedensgruppe. „Die Menschen gewöhnen sich an den Krieg“, sagt Tetiana Havlin. Nach wie vor unterstützen einige Ehrenamtliche, wenn eine Lieferung ansteht, sie lassen dann alles stehen und liegen, um die Hilfe schnellstmöglich in die Heimat schicken zu können. Eine Gruppe ukrainischer Handwerker etwa, die das Studierendenwohnheim in Bürbach renoviert, packt bei jeder Gelegenheit mit an, fährt selbst mehrmals im Monat mit Hilfsgütern und auf eigene Kosten in die Ukraine. „Die Jungs machen einen tollen Job“, sagt Tetiana Havlin.

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Außer Spenden und Platz brauchen sie auch helfende Hände. Tetyana Pankovska und Tetiana Havlin haben kleine Kinder, der Arzt Dr. Wassilij Tscherleniak, der dritte Vorstand der Friedensgruppe, behandelt Geflüchtete, zusätzlich zu seinem Praxisbetrieb. „Irgendwann ist die Erschöpfungsgrenze erreicht“, so Pankovska. Aber der Krieg dauert an.