Netphen. Das Dreis-Tiefenbacher Klärwerk dehnt sich in die Siegauen aus – möglich wird das ausgerechnet durch die beliebten neuen Ufer.

Die letzte Kostenschätzung aus dem Jahr 2020 schließt mit knapp 7,9 Millionen Euro an. 20 Prozent mehr „wären keine große Überraschung“, sagt Tiefbau-Fachbereichsleiter Rainer Schild. Die Erweiterung der Kläranlage Netphen in Dreis-Tiefenbach würd somit 9,5 Millionen Euro kosten: „Eine der kostspieligsten Investitionen, die die Stadt bisher hatte.“

+++Mehr Nachrichten aus Siegen und dem Siegerland finden Sie hier!+++

Das ist die lange Vorgeschichte

Fünf Klärwerke hat die Stadt Netphen noch, nachdem die Anlagen in Salchendorf und Beienbach bereits geschlossen wurden. Mit Afholderbach und Sohlbach werden zwei weitere Klärwerke aufgegeben, sobald die Reinigungskapazität in Dreis-Tiefenbach erweitert ist. Dann bleiben außer Dreis-Tiefenbach nur noch Eckmannshausen und Deuz übrig. Und auch die Anlage in Dreis-Tiefenbach sollte es eigentlich nicht mehr geben, erinnerte Rainer Schild jetzt im Stadtentwicklungsausschuss: Im Jahr 2000 hatte sich die Stadt dazu entschieden, das Abwasser aus diesem Einzugsbereich an die Stadt Siegen weiterzuleiten. 2008 nahm Netphen davon wieder Abstand – inzwischen hat auch die Stadt Siegen anders geplant: Die Kläranlage in Weidenau wird stillgelegt, das Abwasser fließt ein paar Kilometer weiter ins Zentralklärwerk Rinsenau.

+++ Lesen Sie auch: Netphen will Kläranlagen schließen, umbauen und erweitern +++

1988 wurde die Kläranlage Netphen in Betrieb genommen. Zwischen Austraße, Kleinbahnschienen und Sieg stand für die Klärbecken „nur ein schmaler Streifen“ zur Verfügung, sagte Rainer Schild. Schon 1994 wurden Überlegungen zur Erweiterung oder zum Neubau an einem anderen Standort, etwa an der Stadtgrenze zu Weidenau, begonnen. 2006 eröffnete sich dann eine neue Perspektive:, die 2016 realisiert wurde: Die Sieg wurde verlegt, in den Siegauen entstand eine neue Flusslandschaft, die auch beliebtes Naherholungsgebiet mit am Ufer entlangführenden Radweg wurde. Und für eine Erweiterung des Klärwerks wurde Platz gewonnen.

Das soll gebaut werden

Das Abwasser wird in Dreis-Tiefenbach künftig auf zwei „Straßen“ verteilt: Belebungs- und Nachklärbecken werden noch einmal gebaut, und für eine vierte Reinigungsstufe zur Beseitigung von Mikroschadstoffen zum Beispiel aus Medikamenten bleibt auch noch Platz, wenn sie denn in Zukunft gebraucht wird. Das Rechengebäude, in denen das Wasser aus dem Kanal zuerst ankommt, wird erweitert. „Danach sind nur noch die Stoffe im Abwasser, die auch dahingehören“, erklärte Rainer Schild. Ein Verteilerbauwerk lenkt das Abwasser in die beiden Straßen. Fünfeinhalb Meter tief wird das neue Belebungsbecken, in das Druckluft eingeblasen wird, die die für die biologische Reinigung benötigten Bakterien ernährt.

+++ Lesen Sie auch: Siegauen in Dreis-Tiefenbach als Erlebnis für die Sinne +++

1800 Quadratmeter Wasserfläche stehen dann zusätzlich zur Verfügung, im vorhandenen Becken sind es 1440 Quadratmeter. Das zusammen wird ausreichen, glaubt Rainer Schild: „Das kann über viele Jahre so betrieben werden.“ Der zu entsorgende Klärschlamm werde allerdings nicht vollständig „stabilisiert“ werden können. Sollten deshalb die 5000 Quadratmeter, die ein Gutachten ausgerechnet hat, später doch gebraucht werden, wäre auch noch für eine dritte Straße Platz.

Die Kläranlage in Dreis-Tiefenbach wird um neue Becken und Gebäude erweitert.
Die Kläranlage in Dreis-Tiefenbach wird um neue Becken und Gebäude erweitert. © WP

Neu gebaut werden müssen außer den Klärbecken unter anderem auch ein Maschinengebäude, eine Dosieranlage für Chemikalien und ein zweigeschossiges Sozialgebäude mit Werkstatt. Das vorhandene Gebäude, in dem auch die Schlammentwässerung untergebracht ist, bleibt stehen. Zur Stromerzeugung ist, wie in Deuz, eine Freiflächen-Photovoltaikanlage geplant.

So wird die Investition finanziert

Um etwa 20 Cent werde die Abwassergebühr zur Finanzierung dieser Investition erhöht werden müssen, antwortete Fachbereichsleiter Rainer Schild auf die Nachfrage von Paul Legge (CDU). Derzeit werden 2,79 Euro je Kubikmeter Abwasser von den Gebührenzahlern verlangt, hinzu kommt eine Gebühr für Niederschlagswasser.

Zwischen Telekom-Gebäude und Klärwerk plätschert die Sieg in einem neuen Bett.
Zwischen Telekom-Gebäude und Klärwerk plätschert die Sieg in einem neuen Bett. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Manfred Heinz (SPD) erwähnte die derzeitigen Höchst-Baupreise: Ob die Stadt die Investition „ein paar Jahre schieben“ könne, fragte er: „Im Moment ist das der ungünstigste Zeitpunkt.“ „Versuchen könnten wir’s“, meinte Rainer Schild. Es gebe aber auch bereits Signale für wieder fallende Baupreise – die hohen Kosten veranlassten viele Bauwillige bereits zur Zurückhaltung bei neuen Aufträgen. Die Betriebsgenehmigung für das Klärwerk ist nach mehrfachen Verlängerungen am 23. Mai 2022 abgelaufen.

+++ Lesen Sie auch: Denkmal aus Eisen: Die letzte Kleinbahnbrücke wird Radweg +++

Das ist der Zeitplan

Geplant ist derzeit, die Aufträge im Dezember zu vergeben. Baubeginn könnte dann im Frühjahr 2023, Fertigstellung im August 2024 sein. Lothar Kämpfer (SPD) fand, die Anlage sei an ihrem jetzigen Standort nun erst recht „falsch platziert“, weil sich dort nun nach der Verlegung der Sieg ein beliebtes Naherholungsgebiet entwickelt habe. Rainer Schild erinnerte daran, dass die Stadt den 90-prozentigen Landeszuschuss für die Siegauen gerade deshalb erhalten habe, um das Klärwerk erweitern zu können. Der Gewinn für die Freizeitnutzung sei nur ein „Nebeneffekt“: „Die Kläranlage ist eigentlicher Auslöser für diese schöne Landschaft.“ Geruchsbelästigungen seien künftig „ausgeschlossen“.

+++Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook!+++