Dreis-Tiefenbach. . An den Siegauen in Dreis-Tiefenbach geben sich Ratsfraktionen die Klinke in die Hand. Die Renaturierung nimmt Formen an.
- Ratsfraktionen und Bürger begutachten Renaturierung der Siegauen
- Im Zuge der Umgestaltung soll auch das Klärwerk erweitert werden
- Bedrohte und vertriebene Tierarten kehren an den Fluss zurück
Die Dreis-Tiefenbacher Siegauen sind das neueste Ausflugsziel der Netphener. Im Sommer geben sich die Ratsfraktionen ein Stelldichein, in dieser Woche war die SPD da. Außerdem: jeden Tag interessierte Bürgerinnen und Bürger, die sich das neue Bett und die neuen Ufer ansehen. Eltern und Kinder, die einen neuen Spielplatz am Wasser entdecken. Und Menschen allen Alters, die die neue Flusslandschaft auf alle erdenklichen Weisen genießen. Rainer Schild, Tiefbau-Fachbereichsleiter der Stadt Netphen, formuliert den Wunsch, „die Sieg für die Menschen erlebbar zu machen“. Ein Wunsch, der schon jetzt mehr als erfüllt wird. „Wir haben schon überlegt, ob wir einen Bademeister hier hinstellen müssen.“
Ein Überblick über alles, was mit den neuen Ufern der Sieg zu tun hat:
G wie Geld: 800 000 Euro hat die Stadt in die Verlegung des Siegbetts investiert, das nun in großzügigen Schleifen die ganze Breite zwischen Telekom-Gebäude und Klärwerk ausnutzt. Weitere rund 120 000 Euro kostete der Kauf der Grundstücke, die die Stadt Netphen zum überwiegenden Teil der Stadt Siegen abkaufte — die Alexanderbrunnen speisten einst das Wasserwerk von Weidenau. „Die waren froh, dass sie die Fläche loswurden“, sagt Tiefbau-Fachbereichsleiter Rainer Schild. 90 Prozent der Kosten trägt das Land. Nächster Schritt wird die Erweiterung des Klärwerks, grob kalkuliert wird derzeit mit einer Investition von vier Millionen Euro.
H wie Hochwasser: Die Sieg bekommt mehr Platz, um die 2000 Kubikmeter zusätzlichen Retentionsraum. Rechnerisch könnten das sogar noch mehr sein, wenn nicht für die zusätzlichen Klärbecken noch einmal 16 000 Kubikmeter Boden aufgeschüttet werden müssten. Der Hochwasserspiegel könnte nun im Schnitt zehn Prozent tiefer sein, schätzt Schild, der sich mit Prognosen schwer tut: „Unter den Wetterextremen leiden wir hier an den Oberläufen der Flüsse stärker.“ In den Rhein passt eben mehr Wasser. SPD-Fraktionschef Manfred Heinz erinnert daran, wie die Telekom ihren Neubau gegen Hochwasser gesichert hat: Das Gebäude steht in einer Wanne mit Bullaugen in den Wänden, die bei Hochwasser geöffnet werden können. Dann dringt die Sieg zwar direkt bis an die Kellerwände vor. Verhindert wird aber, dass das Wasser die Wanne samt Haus einfach umkippt — so wie den berüchtigten Schürmannbau in Bonn Anfang der 1990er Jahre.
K wie Klärwerk: Weit und breit gibt es kaum noch eine Anlage, an die auf so kleinem Raum so viele Einwohner angeschlossen sind, sagt Rainer Schild. „Wir haben viel getüftelt.“ Mit dem Ergebnis, dass die geforderten Reinigungswerte eingehalten werden. „Das Problem ist der Geruch.“ Weil der Schlamm nicht lange genug „reifen“ kann. Zwei zusätzliche Becken werden die erforderliche Kapazität schaffen. 12 000 Einwohner (und Einwohnergleichwerte – das sind die entsprechenden Abwässer der Gewerbebetriebe) sind in Dreis-Tiefenbach angeschlossen, 12 500 in der größten Kläranlage der Stadt in Deuz, 3000 in der kleinsten in Eckmannshausen. Wenn Dreis-Tiefenbach erweitert ist, kommen dort nicht nur die Abwässer aus Netphen, Brauersdorf und Beienbach an, sondern auch die, die bisher in den kleinen Anlagen von Afholderbach und Sohlbach gereinigt werden. Diese beiden Klärwerke werden stillgelegt.
M wie Mikroschadstoffe: Wie stark Rückstände von Arzneimitteln die Abwässer belasten, ist Gegenstand einer Untersuchung, deren Ergebnis im Oktober vorgestellt werden soll. Entschieden werden muss dann, ob das Klärwerk um eine vierte Reinigungsstufe erweitert wird. „Wir sind da eigentlich noch nicht weiter“, sagt Rainer Schild. Derzeit biete das Land dafür einen 80-prozentigen Zuschuss an. „Dann könnten wir 2017 anfangen zu planen.“ Sollte die vierte Reinigungsstufe irgendwann später verpflichtend gemacht werden, müsse die Stadt die Investition womöglich komplett selbst bezahlen.
R wie Radweg: Die Baustraße, die für die Bagger in die Siegaue geschoben wurde, wird weiter genutzt. Sie soll Untergrund für einen neuen Radweg werden. „Wir sind dem Ziel sehr nahe“, berichtet Rainer Schild über die Verhandlungen mit dem Landesbetrieb Straßenbau. Die Strecke wäre dann Ersatz oder Alternative für die Austraße, die hinter dem Klärwerk vorbeiführt und nach der Entfernung der Kleinbahngleise ein ganzes Stück breiter geworden ist. SPD-Fraktionschef Manfred Heinz freut sich: Damit entstehe ein durchgehender Radweg vom Dreis-Tiefenbacher Jung-Stilling-Platz durch die Siegaue nach Netphen und von dort weiter über den alten Bahndamm nach Deuz und ins obere Johannland. Netphen nehme, was das Radwegenetz angeht, kreisweit einen Spitzenplatz ein.
T wie Tiere: Die Fische sind wieder zurück und tummeln sich in der neuen Sieg. Ihre Artgenossen waren „abgefischt“ worden, bevor die Bagger mit der Umgestaltung der Flusslandschaft begannen. Ausquartiert wurde auch der Eisvogel, der im Bereich der 500 Meter langen Ausbaustrecke gesichtet wurde. „Für den haben wir sogar ein Hotel geschaffen“, sagt Rainer Schild, „wir wissen aber nicht, ob er es genutzt hat.“ Die Holzkiste in der Uferböschung war womöglich auch nur begrenzt attraktiv. Ein ganzes Ausgleichsprogramm legte die Stadt für den vom Aussterben bedrohten Ameisenbläuling auf: ein Schmetterling, der im Herbst seine Eier am Wiesenknopf ablegt und von Ameisen ausbrüten lässt. Im Juni schlüpfen die kleinen Schmetterlinge „und machen sich ein schönes Leben“, glaubt Rainer Schild. Bürgermeister Paul Wagener nutzt das Beispiel zum Dank an seine Tiefbauer: „Ein sehr aufwändiges Verfahren.“
Folgen Sie uns auch auf Facebook.