Wilnsdorf. Das „Lernhaus“ im Wald am Höhwäldchen ist ganz anders, als Schulen bisher aussehen. Die Kostenschätzung entwickelt sich gewaltig nach oben.

Die neue Grundschule Wilnsdorf wird schön – aber teuer. 11,9 Millionen Euro Baukosten standen 2019 im Raum. Die nun vorliegende „vertiefte Kostenschätzung“ schließt mit 19,9 Millionen Euro ab, zuzüglich rund 300.000 Euro für Lüftungsanlagen in den Klassenzimmern. Es könnte auch noch mehr werden. Kämmerer Daniel Denkert stimmt auf eine mögliche „Kostenspreizung“ von 22 Prozent ein – nach oben, am liebsten aber auch nach unten.

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Höhere Baukosten und mehr Schulkinder in Wilnsdorf

Drei Faktoren tragen zur Kostenerhöhung bei: die Baukosten – eingerechnet wurde eine Steigerung von 26,8 Prozent, „da sind die höheren Stahl- und Holzpreise noch nicht drin“, sagt der Kämmerer. Dann der Bedarf – wegen der steigenden Schülerzahlen wird jetzt auf dem Höhwäldchen eine voll dreizügige Grundschule gebaut, nicht mehr, wie im Architektenwettbewerb vorgegeben, eine zwei- bis zweieinhalbzügige Schule. Schließlich das Energiekonzept – der Strom kommt von der auf dem Gründach aufgebauten Photovoltaik, die Wärme entweder über eine Luft-Wasser-Wärmepumpe oder aus Erdwärme, ein Anschluss an die Gasleitung wird nicht mehr geplant.

Dem Gemeinderat wird die Vorentwurfsplanung am Donnerstag, 23. Juni, vorgelegt. „Jetzt wäre noch die Möglichkeit zu stoppen“, sagt Bürgermeister Hannes Gieseler, „mit sehr unschönen Konsequenzen.“ Danach sieht es aber nicht aus: Der baubegleitende Ausschuss hat bereits einstimmig grünes Licht zu Wilnsdorfs teuerster Investition aller Zeiten gegeben. „Damit werden wir die Gemeinde Wilnsdorf auf lange Sicht gut aufstellen“, sagt der Bürgermeister. „Billiger können Sie eine Schule nicht bauen“, sagt Beigeordneter Johannes Schneider.

Aus dem Foyer (oben) fällt der Blick in die Turnhalle.
Aus dem Foyer (oben) fällt der Blick in die Turnhalle. © ARGE Buero BB - Architektur Immendörfer - Saur Landschaftsarchitekten

Das wird die neue Grundschule: Lernhaus mit Balkon

Bickel + Bertsch (Stuttgart), Architektur Immendörfer (Markgröningen) und Sauer Landschaftsarchitektur (Mengen), die den Planungsauftrag bekommen haben, haben eine „Waldschule“ entworfen, die sich an den Hang des Höhwäldchens lehnt, eine grün lasierte Holzverschalung bekommt – und von den Kindern über einen Waldweg erreicht wird, der über eine Brücke über die L 723 mit dem neuen Bus- (und Elterntaxi-)Bahnhof verbunden ist. Unten geht es direkt in die Turnhalle hinein, oben ins Erdgeschoss der neuen Grundschule.

Erdgeschoss: Hier sind der für 150 Kinder ausgelegte Raum für den offenen Ganztag, die Ausgabeküche für täglich 100 Essen, ein Foyer für bis zu 200 Personen, Lehrer- und Verwaltungsräume und zwei der drei Mehrzweckräume (der dritte kommt ins Untergeschoss).

Obergeschoss: Das eigentliche „Lernhaus" für rund 270 Kinder mit vier Raumgruppen, für jeden Jahrgang eine, jeweils mit drei Klassenzimmern, Differenzierungs-, Inklusions- und Teamräumen und eigenen Einzeltoiletten. Von der Treppe aus dem Erdgeschoss aus geht es zu den vier Türen der „Cluster“, wie die Planer die Gruppen mit den drei Klassen- und Nebenräumen nennen – lange Flure gibts hier nicht. Um die Klassenzimmer herum läuft ein Balkon mit Treppe auf den Schulhof, einen Aufzug gibt es auch und begehbare Lichthöfe, damit die Nebenräume im Innern auch natürlich ausgeleuchtet sind. Oben wird viel Holz verbaut, unten mehr Beton und Stahl. Oben haben die Klassenräume schallschluckende Wände, die Böden sind mit Linoleum ausgelegt, unten herrscht „Industrial Design“ vor, bei dem auch mal Rohre unverkleidet sind und Beton sichtbar bleibt.

Das Lernhaus: Für jeden Jahrgang eine Raumgruppe.
Das Lernhaus: Für jeden Jahrgang eine Raumgruppe. © ARGE Buero BB - Architektur Immendörfer - Saur Landschaftsarchitekten

Deshalb muss der Neubau sein: Alle Klassen rappelvoll

Am Standort Vorm Brand würden Sanierung und Erweiterung samt Neubau der Turnhalle auch knapp 15 Millionen Euro kosten – wenn das Grundstück groß genug wäre. „Im normalen Schulbetrieb wäre der Bau unmöglich“, sagt Beigeordneter Johannes Schneider. Die Schule platzt derart aus den Nähten, dass die Gemeinde bereits in der Nachbarschaft nach „temporär“ als Klassenräumen nutzbaren Ausweichräumen sucht. Denn der Neubau wird frühestens 2026 fertig. Und dritte Eingangsklassen werden jetzt schon gebildet.

Über alle vier Grundschulen der Gemeinde hinweg rechne Wilnsdorf künftig mit acht statt bisher sechs Eingangsklassen, sagt Johannes Schneider. Fast alle Klassen hätten die Höchstzahl von 30 Kindern, „die Schulen sind bis obenhin voll“. In Niederdielfen könnte die Grundschule bei der benachbarten Realschule anklopfen, in Rudersdorf bei der Hauptschule. Aber auch dort wird es eng. „Die Entwicklung in Siegen spielt herein“, sagt Johannes Schneider. Wenn es dort keine Haupt- und Realschulen mehr gibt, erwartet Wilnsdorf weitere Einpendler. „Wir werden die Realschule nicht dauerhaft vierzügig betreiben.“

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