Kreuztal. Wer hat eigentlich das Sagen in Kreuztal? Ein Projekt öffnet Schülerinnen und Schülern Türen. Und: Man überrascht sich.

Worüber reden die? Wie kommen die zu ihren Entscheidungen? Und, eigentlich am wichtigsten: Wer bestimmt, wo es in Kreuztal lang geht? Acht Jugendliche, zwischen 15 und 17 Jahren alt, Schülerinnen und Schüler der Clara-Schumann-Gesamtschule, schicken sich an, der Politik in Kreuztal auf den Grund zu gehen. „KidS“ heißt das Projekt, Kommunalpolitik in der Schule. Ratsmitglieder haben ihnen dafür als Mentoren Türen geöffnet. Jetzt haben sie Zwischenbilanz gezogen.

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Corona macht einen Strich durch den Zeitplan in Kreuztal

Die Idee zu KidS hatte CDU-Stadtverordneter Philipp Krause, der selbst Lehrer ist, in den Rat eingebracht, der dem nun laufenden ersten Durchgang zustimmte. Die Schülerinnen und Schüler waren im vorigen Spätsommer, vor der Bundestagswahl, zu den Wahlkampfständen auf dem Wochenmarkt gegangen - ein Gemeinschaftslehre-Projekt. „Da haben wir uns kennen gelernt“, berichtet Luca Noel Ratto aus der 10 d.

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Im Januar wäre es los gegangen, die Haushaltsberatungen und zum Abschluss die Haushaltsdebatte im Rat hätten sie begleitet, wenn Corona sie denn gelassen hätte. So wurde es April, eine für die Schulen eigentlich ungünstige Zeit mit Prüfungen und Klassenfahrten, und auch die Kommunalpolitik hatte nicht sonderlich viel zu bieten. „Wir dachten, da wird groß diskutiert“, sagt Sabahat Habibi aus der 10 d. Philipp Tanger aus der EF erinnert sich an genau zwei kontroverse Auseinandersetzungen: einmal, als es im Infrastrukturausschuss um einen Grünen-Antrag zu erneuerbaren Energien ging, ein anderes Mal, als auf im Sozialausschuss auf Antrag der CDU über inklusionsgerechte Spielplätze gesprochen wurde. „Wir haben schon mal heftiger diskutiert“, räumt seine Mentorin, die CDU-Stadtverordnete Astrid Collenberg, ein.

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Digitalisierung der Schulen ist wichtiges Thema in Kreuztal

„Für manche Themen interessiert man sich mehr, für andere weniger“, sagt Nisrine Chamss aus der 10 d. Nicht, dass die KidS-Gruppe sich gelangweilt hätte: „Ich fand das interessant“, sagt Sabahat. Um so interessanter, je mehr Türen die Mentoren geöffnet haben: zu Fraktionsbesprechungen vor den Ausschusssitzungen zum Beispiel oder auch zu anderen politischen Veranstaltungen. Und natürlich hätte es für sie spannendere Themen gegeben als den Haushaltsplan der Seniorenberatung und den Bebauungsplan Struthbornweg. Die großen Themen eben, die Philipp aufzählt: Klima, Ukraine, Digitalisierung. „Ipads in allen Schulen in Kreuztal“, ergänzt Mehtap Alici, „und dass es Schülerinnen und Schülern leichter fällt, damit umzugehen.“ Bessere Bus- und Bahnverbindungen, ergänzt Luca, könnten auch auf die Tagesordnungen gehören.

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Dieter Gebauer, Grünen-Fraktionsvize und ebenfalls Mentor, fragt nach dem Interesse an einem Jugendparlament für Kreuztal. „Dann muss man auch die Leute haben, die sich langfristig interessieren“, erwidert Sabahat. Die Jugendlichen haben eine Menge über die Sitzungsthemen hinaus gelernt. Dass Wünschen allein nicht ausreicht, dass in der Politik nicht alles zu jeder Zeit angesprochen werden sollte, dass es einen langen Atem braucht. Sabahat will wissen, ob die Politik sich schon vor Corona um die Digitalisierung an den Schulen gekümmert habe – und erfährt, dass der Medienentwicklungsplan, der jetzt umgesetzt wird, bereits 2018 beschlossen wurde. „Manchmal hat man da selbst ein bisschen Frust“, gesteht Heike zur Nieden, SPD-Stadtverordnete und Vorsitzende des Schulausschusses. „Wir hätten vielleicht ein Stückchen schneller sein können oder müssen“, pflichtet Astrid Collenberg bei, „es wird wirklich Zeit.“

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Den Sport- und Bildungscampus Kreuztal haben Jugendliche mitgeplant

Heike zur Nieden lenkt den Blick aus dem Fenster, wo der Sport- und Bildungscampus mit dem großen Amphitheater gerade fertig wird: Da haben auch Schülerinnen und Schüler der Gesamtschule mitgeplant – die Generation vor denen, die jetzt am KidS-Tisch sitzen. „Schade, dass wir das nicht mehr so nutzen können“, sagt Nisrine. „Dafür haben die neuen 5er dort ihren Spaß“, antwortet Sabahat. „Der Zeitraum von der Planung bis zur Umsetzung ist einfach zu lang“, findet Luca. Er äußert die Sorge, dass der gerade weiß strahlende Campus durch Vandalismus verunstaltet werden könnte. Regina Zwingmann, die stellvertretende Schulleiterin, ist weniger skeptisch. Spielfeld und Skaterbahn sind ja auch heil geblieben. Astrid Collenberg warnt vor falschen Schlussfolgerungen: Gar nichts mehr machen, damit auch nichts kaputt gemacht werden kann? „Dann würde man ja die Falschen bestrafen." Heike zur Nieden entdeckt einen anderen Schönheitsfehler auf dem Campus, der der großen Mädchen-Mehrheit bei KidS noch gar nicht aufgefallen ist: „Dass das vor allem ein Jungs-Ding ist. Das hatte ich vorher völlig falsch eingeschätzt.“

KidS Kreuztal soll eine Zukunft haben

Mit der Ratssitzung am 23. Juni geht der erste KidS-Durchgang zu Ende. Wenn es nach der Runde in der Clara-Caféteria geht, darf eine Fortsetzung folgen. Dann gern auch mit intensiverem Austausch. Was Marco Schneider, der KidS als Lehrer begleitet, bestätigt: „Das Projekt lebt sehr vom persönlichen Kontakt.“ „Ich bin dankbar, dass wir diese Chance nutzen konnten“, sagt Nisrine. Die Ratsmitglieder haben ebenfalls Lust auf mehr, vielleicht ist nächstes Jahr auch ein Ausflug zum Landtag drin. Schließlich sitzt vor ihnen die Generation, die später selbst einmal in Kreuztal das Sagen haben wird. Da schadet der rechtzeitige Blick hinter die Kulissen ganz und gar nicht.

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