Siegen. Oft vergessene Alltagshelden: Reinigungskräfte. Stress, harte Arbeit, an der DRK-Kinderklinik Siegen werden sie sogar von Eltern angeblafft.

Sie putzen alles, jeden Tag. Alles im Sinne von wirklich alles; jede Fuge, jeden Bilderrahmen, jede kleine Rolle unter einer Krankentrage im OP. Nicht ein Keim, Virus, Bakterium darf übrig bleiben – im Krankenhaus ist das buchstäblich überlebenswichtig. Das war schon vor Corona so und die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig die Arbeit für die Reinigungskräfte der Varius Dienstleistungsgesellschaft GmbH ist. Diese Frauen und Männer sind kritische Infrastruktur. Und werden oft übersehen.

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Pflegekräfte bekamen Applaus, völlig zu Recht, und die Reinigungskräfte machten klaglos ihre Arbeit, ohne die die DRK-Kinderklinik oder auch das St.-Marien-Krankenhaus und viele weitere Einrichtungen, für die die Varius GmbH tätig ist, kaum funktionieren könnten. „Wir kommen im Dunkeln und gehen im Dunkeln“, sagt Varius-Betriebsleiter Thomas Pospich.

Varius GmbH Siegen sorgt in vielen Einrichtungen für reibungslosen Ablauf

Rund 210 Beschäftigte arbeiten bei der Varius, die allermeisten sind Frauen. Sie übernehmen die Reinigung, Servicedienstleistungen, Hilfen auf Station, machen Betten und die Wäsche, füllen Material auf. Reinigungskräfte arbeiten in der DRK-Kinderklinik auf dem Wellersberg eng mit der Pflege zusammen. „Wir richten die Zimmer so her, dass die Patienten sofort einziehen können“, sagt Pospich. Und die Station so, dass die Pflege arbeiten kann.

Besonders anspruchsvoll ist die Arbeit in OP- und Intensivbereichen: Jede Fläche muss desinfiziert sein – und große Teile der Arbeit müssen über Kopf erledigt werden.
Besonders anspruchsvoll ist die Arbeit in OP- und Intensivbereichen: Jede Fläche muss desinfiziert sein – und große Teile der Arbeit müssen über Kopf erledigt werden. © DRK-Kinderklinik Siegen | Varius

Das muss oft schnell gehen, Zeitdruck ist eigentlich Alltag. Und Vorwürfe eigentlich auch, leider. Wie oft müssen sie sich anhören, etwas nicht richtig, zu spät oder gar nicht gemacht zu haben, dabei sind sie alle Profis mit teils jahrzehntelanger Berufserfahrung in einem Knochenjob unter klinischen Bedingungen. Es gibt feste Abläufe, die Handgriffe sitzen, sind für Außenstehende aber nicht auf den ersten Blick nachvollziehbar. Ein Krankenhaus jeden Tag keimfrei zu halten, ist etwas anderes, als Staub und feucht wischen in der eigenen Wohnung. Varius-Beschäftigte sind auf dem Wellersberg rund um die Uhr im Dienst. Auch an den Wochenenden.

Enge Zusammenarbeit an der DRK-Kinderklinik Siegen: Alle erleben das Leid mit

Weil die Reinigungskräfte eng verzahnt mit den medizinischen Teams arbeiten, bekommen sie auch das Leid der kleinen Patienten oft hautnah mit. Sie sind dabei, wenn immer wieder Kinder sterben und müssen das für sich verarbeiten. Sie lernen die Kinder kennen und auch lieben, bis sie dann eines Tages nicht mehr da sind. Sie weinen mit ihnen und sie freuen sich mit ihnen. Und weil viele Menschen mit Migrationshintergrund in dem Job arbeiten, helfen sie im Alltag gar nicht so selten als Übersetzer weiter. Die kleinen Patienten auf dem Wellersberg sprechen viele Sprachen.

Juma Righa arbeitet als „Springer“ und bedient schwerpunktmäßig die Reinigungsmaschinen.
Juma Righa arbeitet als „Springer“ und bedient schwerpunktmäßig die Reinigungsmaschinen. © DRK-Kinderklinik Siegen | Varius

Dass die Branche einen nicht so guten Ruf hat, liegt an manchen Unternehmen in diesem Sektor, ist Thomas Pospich überzeugt: Billigheimern, die die Preise drücken und damit auch Qualität und Arbeitsbedingungen. „Das ist kein unangenehmer Job“, sagt Klinik-Pressesprecher Arnd Dickel, im Gegenteil. Es werden nicht nur Fußböden gewischt. Fenster und Fassaden müssen gereinigt, Fußböden aufgearbeitet werden, es braucht einiges an Sachverstand: Die Beschäftigten müssen wissen, was die richtigen Chemikalien sind und wie sie angemischt und verwendet werden. „Da darf kein Fehler passieren“, erklärt Pospich – zu wenig wirkt nicht, keine Desinfektion. Zu viel macht den Boden kaputt.

OP-Säle reinigen: Körperlich anstrengend und enorm hohe Verantwortung

Das alles ist nicht ohne, verantwortungsvoll und oft auch anstrengend; die körperlich belastenderen Tätigkeiten übernehmen dann eher die Männer im Team, wie Juma Righa, der nach vielen Jahren in der Kinderklinik schon so etwas wie die gute Seele des Hauses geworden ist. Er arbeitet als „Springer“, hilft, wo er kann, kümmert sich um Außenanlagen, bedient Maschinen.

Die Reinigungskräfte der Varius GmbH arbeiten an der DRK-Kinderklinik eng mit den medizinischen Teams zusammen.
Die Reinigungskräfte der Varius GmbH arbeiten an der DRK-Kinderklinik eng mit den medizinischen Teams zusammen. © DRK-Kinderklinik Siegen | Varius

Besonders aufwendig ist die Reinigungsarbeit im OP. Drei Säle müssen an der Kinderklinik rund um die Uhr betriebsbereit sein, das fängt mit der Vorbereitung der Liegen und der Bestückung der Schränke an, die tägliche Endreinigung beginnt um 16 Uhr. Jede Fläche und jede Ritze müssen desinfiziert werden. Jede. „Ein enorm hoher Anspruch“, sagt Thomas Pospich. Fasst der Chirurg ausgerechnet zufällig an eine nicht keimfreie Stelle und danach in den Patienten, kann das tödliche Folgen haben. Schon bei kleinsten Fehlern drohen Konsequenzen, wie bei den Ärzten.

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Zwischendurch muss man auch mal raus – nachher komplett einkleiden, waschen, schleusen. Wie bei den Ärzten und Pflegekräften. „Das kann nicht jeder!“, sagt Pospich. Klimaanlagen-Luft den ganzen Tag, lange mit beiden Armen über Kopf arbeiten, permanent der Geruch des Desinfektionsmittels, dazu oft genug der Stress im Kampf um ein Menschenleben – „das kann nicht jeder“, betont er nochmal. Mit landläufigen Vorstellung einer Reinigungstätigkeit hat das fast nichts mehr zu tun. Wer den Job macht, will ihn machen.

Corona verschärft Zeitdruck, Stress und Belastung für Reinigungskräfte noch

Die Corona-Zeit war nochmal besonders stressig. Bei jedem hustenden Patienten – und davon gibt es im Krankenhaus immer welche – machten sich die Beschäftigten Sorgen. Für jedes neue Zimmer eine neue Montur Schutzkleidung, zigfach am Tag umziehen, darunter schwitzten sie stark. Dabei gründlich und schnell arbeiten, nicht mal eben mit dem Lappen drüber.

Vielseitige Arbeit

Die Varius GmbH bildet auch aus. Es gibt aber immer weniger Bewerber, die den Job machen wollen, „dabei ist die Arbeit enorm vielseitig“, betont Thomas Pospich.

Er selber arbeitet im Beruf, seit er mit 14 Jahren einen Ferienjob machte. „Wer einmal anfängt, geht nicht wieder raus. Es macht Spaß; man sieht, was man geschafft hat“, sagt der Betriebsleiter.

Aisha Aherabi und Olga Reissig arbeiten auf Station 2, der Eltern-Kind-Station, mit 30 Betten die größte des Hauses. Die Pandemie-Bestimmungen sahen vor, dass nach Entlassung alles entsorgt werden musste, erzählt Aisha Aherabi: Von der Bettwäsche bis zu jedem einzelnen Pflaster, sonst wären die nächsten kleinen Patienten und ihre Eltern dem Infektionsrisiko ausgesetzt. Dazu der Eigenschutz, „es muss ja auch schnell gehen“, sagt Aherabi. Alles reinigen heißt eben auch wirklich alles: Deckenlampen, die hintersten Winkel der Schränke, die Heizkörper, alles. Das alles unter verschärften Bedingungen erhöhte den Zeitdruck nochmal zusätzlich.

An der DRK-Kinderklinik wissen alle, was sie an ihren Reinigungskräften haben

Und sie bekommen es auch oft ab. Quarantäne ist Quarantäne, infizierte Patienten durften das Zimmer nicht verlassen, Aisha Aherabi und ihre Kolleginnen wurden oft dafür angeblafft, sagt sie. Manche Elternteile, die gar nicht selbst Patienten sind, sondern mit ihren kranken Kindern aufgenommen wurden, hätten Ansprüche wie im Hotel: Frische Bettwäsche und Handtücher jeden Tag, bitte Kaffee ans Bett bringen, während die kerngesunde Mutter mit dem Handy spielt. Nicht ihre Aufgabe. Wenig Respekt und Anerkennung. „Es bringt nichts, zu streiten“, sagt Aisha Aherabi.

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Der Zusammenhalt im Team ist wichtig – und da bekommen sie enorme Anerkennung. Alle im Haus wissen, wie unverzichtbar die Reinigungskräfte für die eigene Arbeit sind, wie viel sie leisten, dass sie die Voraussetzungen für medizinisches Arbeiten überhaupt erst schaffen. An manchen Tagen, erzählt Aisha Aherabi, macht sie mit Rückenschmerzen Feierabend. Aber wenn sie am nächsten Morgen aufsteht, geht sie gerne zur Arbeit. „Wir haben ein gutes Team. Alle sind nett“, sagt sie. Sie weiß was zu tun ist. Und die Ärzte und Pflegekräfte: „Die wissen, was sie an uns haben.“