Siegen. . Die kleinen Patienten der DRK-Kinderklinik brauchen viel Zuwendung. Von Mama und Papa und auch von Ärzten und Pflegepersonal. Das ist gar nicht so einfach in unserem Gesundheitssystem.

Die kleine Patientin ist furchtbar müde. „Ich hab gar nicht gut geschlafen“, nörgelt sie und gäääähnt herzhaft. „Eigentlich gar nicht und als ich grade eingeschlafen war, musste ich schon aufstehen.“ Um halb acht ist Visite, da können die Ärzte der DRK-Kinderklinik auf dem Wellersberg leider keine Rücksicht nehmen. Die Schwester nimmt das Mädchen in den Arm und geht mit ihr zum Waschraum. Da guckt sie gleich ein bisschen fröhlicher aus ihrem lila Bärchenpyjama.

Dr. Claudia Theiss läuft kreuz und quer durch die verschachtelten Kliniktrakte, das reinste Labyrinth. Wer neu ist, verläuft sich anfangs grundsätzlich. Dr. Theiss ist Chirurgin, Oberärztin der Gesamtabteilung Kinderchirurgie, -urologie und -orthopädie, ihre Patienten sind überall im Haus verteilt. Denn: Die Belegung erfolgt in der Kinderklinik nach Altersklassen, nicht nach Krankheitsbildern. Dr. Theiss ist für die chirurgischen Fälle von 0 bis 18 zuständig und die sind eben überall. Eine Trennung nach Privat- und Kassenpatienten gibt es nicht, ob Chef- oder Oberarzt ist hier egal.

Verheult, furchtsam, endlich gesund

Intensivstation, irgendwo in den Eingeweiden des Hauses. Ein Ort der schlechten Nachrichten, der Tränen und des Schmerzes. Das ist leider so im Krankenhaus. Aber auch ein freundlicher Ort. Die Wände sind bunt, Kinderbilder, lächelnde Schwestern, überall wird Hallo gesagt, daneben viele, viele Bilder von Kindern, vorher und nachher. Verheult, ängstlich und ein erstes scheues Lächeln. Krank und gesund. „DANKE!!!“, steht da mit dickem Filzstift.

Claudia Theiss sieht sich ein Frühchen an, kaum 1000 Gramm schwer, Schläuche ragen überall aus dem kleinen Bündel Mensch. Betreut werden die Patienten immer von zwei Ärzten: Dem Chirurgen und einem Kindermediziner, der für die Stabilisierung und das Aufpäppeln des kleinen Kranken zuständig ist. Ein zerbrechlicher Kinderkörper funktioniert doch anders als der eines Erwachsenen.

Das Ärzteteam checkt die Geräte, hört den Bericht der Schwestern. Sie sind unmittelbar dran am Patienten, bekommen Probleme direkt mit. Die Geräte sind hochpräzise, andere Kanülen für die feinen Adern. „Im normalen Krankenhaus ist es egal, ob man 20 oder 60 ist“, sagt Pressesprecher Arnd Dickel. „Aber für Ein- oder Sechzehnjährige braucht man unterschiedliche Apparate.“ Die kosten. Ein Besteck für minimalinvasive Operationen liegt im fünfstelligen Bereich.

Betreuung nicht im System angelegt

Zwei Minuten um das Kind kümmern, fünf Minuten in die Akte schreiben, dann weiter. Klingt hart, ist aber gesetzlich vorgeschrieben. Wird die Akte nicht penibel geführt, eine medizinische Entscheidung nicht sauber begründet, zahlt der medizinische Dienst der Kassen womöglich nicht. Eine Herausforderung für die Mediziner, ihren Patienten trotzdem gerecht zu werden. Sechsstellige Summen werden der Klinik pro Jahr nicht bewilligt.

Die Kassen zahlen pro Patient einen Grundbetrag, auf den Fallschwere und -dauer angerechnet werden. Komplizierte Eingriffe sind höher bewertet und vergütet, daher möchte die Klinik ein breites Spektrum medizinischer Dienstleistungen anbieten, um im Wettbewerb zu bestehen. Dazu zählen hoch spezialisierte Chefärzte genauso wie der von Erzieherinnen betreute Kinder- und Jugendtreff, Spielzimmer oder Klinikclowns.

Vom Mehraufwand für den einzelnen Patienten ganz zu schweigen. Kinder brauchen mehr Pflege, Eltern können mit aufgenommen werden, das Verhältnis Personal zu Patienten ist deutlich besser als in großen Krankenhäusern. Aber Mehraufwand bei der Betreuung für kranke Kinder wird nicht vergütet. „Nicht vorgesehen im Entlohnungssystem“, sagt Dickel.

Denn Kinderkrankenhäuser stehen nicht nur in Konkurrenz zueinander, sondern auch zu den Erwachsenenkliniken: Wenn sich ein Kreuztaler Kind ein Bein bricht, fahren die Eltern womöglich nach Kredenbach statt nach Siegen.

Ängstlich, dann erleichtert

Als nächstes schauen sich Dr. Theiss und ihre Leute einen Jungen mit einer Verbrühung an, eine häufige Verletzung. Kinder ziehen an Kabeln, greifen auf dem Tisch herum, Wasserkocher oder Teetasse sind schnell unten. Künstliches Gewebe auf die Wunde, darunter regeneriert sich die verbrannte Haut. Der kleine kuschelt sich an seine Mutter, er steht noch unter Schmerzmitteln, die Wunde sieht gut aus. Die Mimik der Mutter wechselt von ängstlich zu erleichtert.

Dr. Theiss klappert ihre Patienten ab. Ein Junge hatte Hodenschmerzen, muss aber nicht operiert werden. „Aber immer schön kühlen!“, schärft ihm die Ärztin ein. „Und nicht zu viel rumlaufen!“ Er nickt tapfer, „nur wenn ich aufs Klo muss.“ „Das darfste“, sagt sie zu dem Jungen.