Siegen. Preise für Fleisch um bis zu 40 Prozent gestiegen, Speiseöl teils verdreifacht – wegen Panikkäufen. Das trifft auch die Restaurants in Siegen.

Steigende Preise für Lebensmittel und Lieferschwierigkeiten bei einzelnen Produkten setzen die Gastronomie weiter unter Druck. „Viele Betriebe bewerten die Lage jetzt sogar als gefährlicher als in der Pandemie“, sagt Lars Martin, Hauptgeschäftsführer im Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) Westfalen und zuständig für den Geschäftsstellenbereich Siegen.

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Faktor 1: Zutaten werden knapp

Alles, was Kundinnen und Kunden beim privaten Einkauf erleben, betreffe Gastronomen ebenso. Engpässe beim Öl und beim Mehl, die nach Hamsterkäufen in Folge des Ukraine-Kriegs entstanden, müssen in den Restaurantküchen irgendwie bewältigt werden. Aus dem nördlichen Ruhrgebiet seien ihm Fälle von Pizzabäckern bekannt, die zeitweise schließen mussten, weil ihnen das Mehl ausgegangen sei, sagt Lars Martin.

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Aus Siegen und Umgebung seien ihm solche Extreme zwar noch nicht zu Ohren gekommen, Probleme gebe es aber auch hier. „Unsere Gastronomen müssen oft gucken, wo sie Produkte herbekommen“, berichtet der Dehoga-Vertreter. Wer leer ausgeht, müsste einzelne Gerichte von der Karte streichen, weil Zutaten fehlen – oder irgendwann vielleicht sogar die Karte umschreiben. Lars Martin: „Man kann nur mit dem kochen, was man hat.“

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Faktor 2: Zutaten werden zu teuer

Dabei muss es nicht immer so sein, dass Waren komplett vom Markt verschwunden sind. Doch wenn der Liefernachschub schwächer ausfällt, die Nachfrage aber gleich bleibt, regelt sich die Verteilung über den Preis. Der steigt als Resultat vor allem deutlich höherer Energiekosten auf Produzentenseite ohnehin in vielen Bereichen schon.

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Fleisch sei binnen überschaubarer Zeit um 20 bis 40 Prozent teurer geworden, sagt Lars Martin – und rechnet an einem Beispiel vor, was das konkret bedeutet: Hätte das Kilo Roastbeef bisher im Schnitt 15 bis 22 Euro gekostet, so läge es nun bei 25 bis 35 Euro. Und solche Sprünge seien noch nicht einmal der Ausreißer nach oben: Beim Speiseöl hätten sich die Preise teilweise verdoppelt bis verdreifacht – und das in erster Linie wegen Panikkäufen, „wie wir sie aus dem ersten Coronajahr 2020 kennen“, wie Lars Martin betont. Auch wenn es damals vor allem um Nudeln, Mehl, Hefe und Toilettenpapier gegangen sei.

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Faktor 3: Energie und Personal

Die Energiekosten spielten natürlich nicht nur bei den Bezugspreisen eine Rolle, sondern auch in den Gastrobetrieben selbst. Die übliche Kalkulation für den Verkaufspreis eines Gerichts werde zu 10 Prozent über die Kosten für Energie bestimmt, erläutert der Fachmann. 30 Prozent mache der Wareneinkauf aus, 10 Prozent die Pacht, 35 Prozent die Ausgaben für Personal. Letztere sind ebenfalls gestiegen und werden es auch weiterhin tun. Ab 1. Mai sieht die unterste Tarifgruppe 12,50 statt der bisher 9,82 Euro Mindestlohn pro Stunde vor, wie Lars Martin sagt. Es sei aber ohnehin schon länger zu beobachten, dass „viele Betriebe mehr als den Mindestlohn bezahlen, weil sie sonst keine Leute kriegen“.

Fachkräftemangel

Ein weiteres Problem ist der Fachkräftemangel. Mit Nachwuchsschwierigkeiten hatte die Gastronomie schon länger zu kämpfen. Als Restaurants, Cafés und Kneipen während der Lockdowns über Wochen und Monate geschlossen oder nur in sehr begrenztem Umfang geöffnet waren, haben sich viele Beschäftige Jobs in anderen Branchen gesucht.

Manche Gastronomen mussten Öffnungszeiten verkürzen, andere versuchen, ihre Belegschaft über bessere Bezahlung zu halten. Auch dieses Geld muss aber irgendwie wieder reinkommen.

Das sind die Konsequenzen

Grob hätte man bisher davon ausgehen können, dass einer von zehn eingenommenen Euro in der Gastronomie als Gewinn übrig bleibt, sagt Lars Martin: „Und das schon, wenn es gut läuft.“ Angesicht der immer höheren Kosten müssten sich die Menschen nun auf steigende Preise einstellen. „Wir werden da nichts machen können. Wir können nicht unter Einkaufswert verkaufen“, unterstreicht der Verbandsvertreter. „Wir hoffen wirklich auf das Verständnis der Gäste.“ Während der Pandemie seien Rückhalt und Unterstützung gut gewesen. „Wir hoffen, dass das so bleibt.“

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Wegen der Pandemie hätten in den vergangenen beiden Jahren viele Gastronomen an ihre Rücklagen gehen müssen, nicht selten seien diese aufgebraucht. „Man hat sich eigentlich sehr gefreut: Es wird Sommer, wir machen – wenn wir denn Mitarbeiter finden – ein gutes Geschäft“, beschreibt Lars Martin die Stimmung vor dem russischen Angriff auf die Ukraine.

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Dauere der Krieg an, werde sich das in der Gastro-Branche in den kommenden Jahren sehr deutlich bemerkbar machen. „Die Frage ist, ob der Restaurantbesuch künftig zum Luxusgut wird“, sagt Lars Martin. „Ich hoffe es nicht.“

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