Siegerland. Hier droht der Verlust von Arbeitsplätzen: Unternehmen berichten, was die Sperrung der A 45 für sie bedeutet. Wir erzählen einige Beispiele.

1,1 Milliarden Euro – das ist der Betrag, der in fünf Jahren zusammenkommt, weil Autos und Lastzüge auf der Nord-Süd-Achse länger unterwegs sind und mehr Strecke fahren – statt über die A 45 durch Lüdenscheid, über Köln oder über Kassel. Neben den Kosten für die Verkehrsverzögerungen setzen die Gutachter für den Verkehrsverband Westfalen die Standortkosten für Unternehmen: für Aufträge, die sie nicht bekommen, für Fachkräfte, die sie nicht gewinnen, für Investitionen, die ausbleiben. Allein für den Märkischen Kreis errechnen die Sachverständigen einen Rückgang der Wertschöpfung um 3,9 Prozent.

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„Die durchtrennte Lebensader“ nennt die Industrie- und Handelskammer (IHK) Siegen die Sammlung von 55 Berichten, in denen Unternehmen darlegen, was die Sperrung der A 45 bei Lüdenscheid – wegen der baufälligen Rahmedetalbrücke – für sie bedeutet. Hier sind Beispiele aus dem südlichen Siegerland:

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Beispiel 1: Wolf Wilnsdorf

Die Firma Robert Josef Wolf GmbH & Co KG, Behälter- und Apparatebau, direkt an der A-45-Abfahrt Wilnsdorf hat etwa 100 Mitarbeiter. Sie versenden Komponenten von bis zu 35 Metern Länge und 150 Tonnen Gewicht. 80 Prozent der Produkte gehen in Richtung Norden, ins Ruhrgebiet, nach Hamburg oder über die Nordseehäfen ins Ausland. Durch die Tunnel der Bahn passen sie nicht. „Die aktuelle Sperrung der A 45 bei Lüdenscheid verursacht für uns zusätzliche Kosten, weil die Fahrtstrecken über Köln bei Schwertransporten oft eine zusätzliche Nacht als Transportzeit verursachen und bei allen anderen Transporten die zusätzliche Fahrtstrecke berechnet wird. Es ist nicht übertrieben festzustellen, dass bei einer (dauerhaften) Schließung der A 45 auch unser Betrieb mit seinen drei Standorten geschlossen werden müsste“, schreibt Geschäftsführer Klaus-Dieter Wolf.

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Beispiel 2: Uniweld Burbach

Die Uniweld Maschinenbau in Burbach baut Sondermaschinen. Am Firmensitz arbeiten 35 Mitarbeiter. Die gesamte Gruppe zählt 110 Beschäftigte. Der Standort verfügt durch die A45-Anschlussstelle Haiger-Burbach über eine direkte Autobahnanbindung. „Derzeit bearbeiten wir ein größeres Projekt bei der Deutschen Bahn in Witten. Dies bedeutet, dass seit der Sperrung der Talbrücke Rahmede für jede Fahrt von Burbach nach Witten circa ein bis zwei Stunden Mehraufwand verursacht sind. Die Folge sind Mehrkosten in Höhe von circa 1.000 € pro Hin- und Rückfahrt“, schreibt Geschäftsführer Thomas Jünger.

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Beispiel 3: Stiwa Wilnsdorf

Die Stiwa Deutschland ist Zulieferer der Automotive-Industrie, realisiert Automationslösungen und hat an ihrem Standort nahe am Wilnsdorfer Autohof 31 Mitarbeiter. Geschäftsführer Frank-Thorsten Grau: „Durch die Sperrung hat sich die Reisezeit verlängert, unsere Kosten für die Anreise sind entsprechend gestiegen und unsere Kunden haben unter Umständen einen längeren Produktionsstillstand, einschließlich damit einhergehender Umsatzverluste. Generell drohen unterbrochene Lieferketten. Gegebenenfalls können für die Zukunft auch Konventionalstrafen nicht ausgeschlossen werden.“

 Talbrücke Landeskroner Weiher in Wilnsdorf: Wird im Oktober 2022 ebenfalls gesprengt und danach neu gebaut.
Talbrücke Landeskroner Weiher in Wilnsdorf: Wird im Oktober 2022 ebenfalls gesprengt und danach neu gebaut. © www.blossey.eu | Hans Blossey

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Beispiel 4: Stumpf Wilnsdorf

Stumpf Metall in Wilnsdorf baut unter anderem Behältersysteme für das Trennen von Abfällen. „Die Vollsperrung der A45 bedeutet für uns eine sehr ernstzunehmende Belastung, deren Auswirkungen für die kommenden Jahre noch gar nicht abgeschätzt werden können. Neben den dramatisch steigenden Kosten für den Güterverkehr stellen wir bereits jetzt fest, dass unsere Region als wirtschaftlich stärkste in NRW zunehmend gemieden wird. Dies gilt zum Beispiel für bestehende und potenzielle Kunden, aber auch für Menschen, die wir gerne als Bewohner und Mitarbeiter für Südwestfalen gewinnen wollen. Diese fragen sich zu Recht, ob sie in einer auf Jahre stark eingeschränkten Region, deren einzige infrastrukturelle Lebensader lahmgelegt wurde, arbeiten wollen“, schreibt Geschäftsführer Matthias Stumpf.

Stumpf Metall_ist im Industriegebiet Lehnscheid in Wilnsdorf angesiedelt: „Einzige infrastrukturelle Lebensader lahmgelegt“
Stumpf Metall_ist im Industriegebiet Lehnscheid in Wilnsdorf angesiedelt: „Einzige infrastrukturelle Lebensader lahmgelegt“ © Stumpf Metall | Stumpf Metall

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Beispiel 5: SSI Neunkirchen

Die SSI-Schäfer-Gruppe in Neunkirchen ist nach eigener Darstellung führender Anbieter von Lager- und Logistiksystemen mit weltweit rund 10.500 Mitarbeitern. „Wir werden im täglichen Ablauf immer wieder damit konfrontiert, dass unsere Logistikabläufe gestört werden, da die Ver- und Entsorgung unseres Werkes aufgrund verspätet oder überhaupt nicht eintreffender Lkw nicht planmäßig funktioniert. Die Versorgungsengpässe führen zu Störungen in den Produktionsabläufen und höheren Kosten, verursacht durch eventuell zusätzlich nötig werdende Rüstvorgänge, Stillstandzeiten oder Mehrarbeit. Die von uns eingesetzten Speditionen kämpfen mit längeren Fahrtzeiten und damit verbundenen höheren Kosten“, berichtet Geschäftsführer Harald Rackel.

SSI Schäfer in Neunkirchen-Salchendorf: Lkw kommen verspätet oder gar nicht.
SSI Schäfer in Neunkirchen-Salchendorf: Lkw kommen verspätet oder gar nicht. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Beispiel 6: König Netphen/Haiger

Der Metallverarbeiter König + Co hat Standorte in Netphen und Haiger. „Durch die katastrophale Situation der A45 entstehen uns erhebliche Mehraufwendungen durch erhöhte Frachtkosten, insbesondere bei genehmigungspflichtigen Schrägladertransporten von großen Bauteilen. Unsere Wettbewerbsfähigkeit wird hierdurch stark beeinträchtigt und kann mittelfristig im schlimmsten Fall zum Verlust von Arbeitsplätzen führen", schreibt Geschäftsführer Jochen König.

König und Co in Netphen: „Im schlimmen Fall Verlust von Arbeitsplätzen“
König und Co in Netphen: „Im schlimmen Fall Verlust von Arbeitsplätzen“ © WP | Steffen Schwab

Beispiel 7: Meleghy Wilnsdorf

Meleghy Automotive in Wilnsdorf mit 205 Beschäftigten ist Automobilzulieferer. „Für unsere Kunden und Lieferanten nördlich der Vollsperrung – darunter das Volkswagenwerk Emden, das Mercedes-Benz-Werk Hamburg und Stahllieferanten aus Hagen – kommt es zu erheblichen Umwegen bei den Transporten. Die Kosten hierfür steigen gegenüber der alten Route um circa 10 bis 15 Prozent . Hinzu kommen mittelfristige Auswirkungen auf unseren Standort. So entsteht durch die höheren Logistikkosten ein großer Wettbewerbsnachteil bei der Vergabe neuer Aufträge unserer Stammkunden und es kommt aufgrund der aufwendigeren Transporte zu höheren Preisen für die Beschaffung des Rohmaterials“, schreibt Werkleiter Michael Klingen.

Autohof Wilnsdorf: Auch hier haben sich Unternehmen angesiedelt, die den Autobahnanschluss brauchen.
Autohof Wilnsdorf: Auch hier haben sich Unternehmen angesiedelt, die den Autobahnanschluss brauchen. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Beispiel 8: Runkel Niederdielfen

Die Runkel Fertigteilbau in Niederdielfen und die Runkel Hochbau in Siegen haben etwa 155 Mitarbeiter. Von Niederdielfen aus werden jährlich 25.000 Tonnen Bauteile auf 1250 Frachten transportiert, davon bisher rund 500 über die Rahmedetalbrücke. „Somit sind circa 40 Prozent unseres Jahresumsatzes an Projekte gekoppelt, die durch die Sperrung der A45 entweder nicht mehr kostendeckend abgewickelt werden oder aufgrund des Wettbewerbsnachteils erst gar nicht mehr akquiriert werden können“, schreibt geschäftsführender Gesellschafter Marc Alexander Runkel. Es entstünden „erhebliche Wettbewerbsnachteile gegenüber anderen Unternehmen unserer Branche, was sich dauerhaft existenzbedrohend auswirken kann“. Vom Stammsitz in Siegen aus seien Baustellen kaum noch jeden Tag anfahrbar. „Die Folgen sind eine erhöhte Personalbindung in den einzelnen Projekten zur Aufrechterhaltung der Präsenz vor Ort, zeitlicher und finanzieller Mehraufwand auch bei unseren Angestellten durch Übernachtungen etc. Zu allen betrieblichen Konsequenzen ist auch ein Effekt auf die Fachkräftegewinnung und -bindung zu erwarten, da Mitarbeiter sich möglicherweise zu einem Engagement in einem Ballungsraum hin orientieren werden.“

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