Kreuztal. Der Ton, den Kreuztal gegenüber Amprion und der Bezirksregierung anschlägt, wird noch schärfer. Die Stromtrasse wird die Stadt verändern.

Mit der Veränderung von Mastformen und -standorten gibt sich die Stadt Kreuztal nicht zufrieden. Sie lehnt – auch im gerade laufenden Planänderungsverfahren – die Trasse für die Höchstspannungsleitung durch Kreuztal ab. Die städtische Stellungnahme wird dem Infrastrukturausschuss zu seiner Sitzung am Montag, 28. März, vorgelegt.

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Das sagt die Stadt Kreuztal: Amprion wehrt „reflexartig alles ab“

„Es entsteht der Eindruck, dass die Vorhabenträgerin (Amprion; d.Red.) geradezu reflexartig alles abwehrt und aus den planerischen Überlegungen teilweise auch gänzlich ausschließt, was letztlich zu einem Umdenken oder einer Umplanung führen müsste“, heißt es in der Vorlage für den Ausschuss. Amprion weise nicht nach. warum es „unter allen Umständen“an der Trasse durch das Heestal festhalten will „und nicht schon vor Jahren verträglichere Alternativen geplant hat, die sich auch aufgrund der Eigentumsverhältnisse konfliktfrei und zügig umsetzen ließen“. Gemeint ist die Meiswinkel-Variante, die vom Heestal abgerückt durch den Wald und auch mit größerem Abstand an dem Siegener Stadtteil Meiswinkel vorbeiführen würde. „Und immer noch wurde zu keinem Zeitpunkt schlüssig nachgewiesen, dass die Umspannanlage in Junkernhees notwendig und eine Ertüchtigung der Umspannanlage Altenkleusheim nicht möglich ist“.

„Heestal über mehrere Jahre eine einzige Großbaustelle“

Die Kritik der Stadt ist umfassend: „Generell entsteht der Eindruck, dass das ‘Schutzgut Mensch’ und alle damit zusammenhängenden Aspekte und Bedarfe in Kreuztal und besonders im Heestal weniger gelten als der Erhalt einiger Waldflächen.“ Registriert wird, dass Amprion selbst nicht mehr von der Nutzung einer vorhandenen Trasse, sondern von einem „Neubau“ spreche. Das sei „sehr treffend“, weil die neuen Masten teilweise doppelt so hoch seien wie die alten und der Flächenbedarf „erheblich“ sei. „Man muss davon ausgehen, dass das gesamte Heestal über mehrere Jahre hinweg quasi eine einzige Großbaustelle wird.“

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Kreuztal droht mit Klage: „Wohlergehen der Bevölkerung vollständig ignoriert“

In der Stellungnahme gegenüber der Bezirksregierung fordert die Stadt, dass Amprion und Genehmigungsbehörde „sich einmal ernsthaft“ mit der Kreuztaler Situation auseinandersetzen, um die Bedeutung des Heestals für die Stadt nachzuvollziehen. Es sei „zum wiederholten Mal nicht ersichtlich, dass die Vorhabenträgerin Einwendungen der Stadt Kreuztal und anderer auch nur ansatzweise in die planerische Abwägung einbezogen hat (...) Das Wohlergehen der ansässigen Bevölkerung und die Funktionsfähigkeit des gesamtstädtischen Gefüges der Stadt Kreuztal werden vollständig ignoriert.“

Die Kritik richtet sich kaum verblümt auch an die Bezirksregierung selbst; die Stellungnahme deutet bereits an, dass die Stadt gegen einen Planfeststellungsbeschluss, wie bereits vom Rat vorsorglich beschlossen, klagen wird: „Es sei an dieser Stelle noch einmal betont, dass es aktuell an einer Behörde fehlt, welche die Belange der Menschen vertritt. Dies gilt umso mehr, als die Menschen mit durchschnittlicher beruflicher Befähigung und Erfahrung kaum noch in der Lage sein dürften, sich in derart komplexen Planverfahren wie dem vorliegenden adäquat gegen die Missachtung ihrer Belange zu wehren. Umso wichtiger ist es, dass die Kommunen, die Genehmigungsbehörden und ggf. die Gerichte sich dieser Belange annehmen.“

Höchstspannungstrasse durch Kreuztal: Amprion und Varianten
Höchstspannungstrasse durch Kreuztal: Amprion und Varianten © funkegrafik nrw | Marc Büttner

Das sagt der Jurist: Nichts spricht gegen die Meiswinkel-Variante

Rechtsanwalt Philipp Heinz, der die Bürgerinitiative Junkernhees vertritt, hat im Auftrag der Stadt eine rechtliche Stellungnahme erarbeitet. „Wir haben dargelegt, dass eine Variantenentscheidung für die Meiswinkel-Variante rechtsfehlerfrei möglich ist“, lautet sein Fazit. „Denkbar“ sei es, dass eine Entscheidung im Sinne von Amprion für die Nutzung der Bestandstrasse durch das Heestal „in einem möglichen Gerichtsverfahren als abwägungsfehlerhaft angesehen“ werde.

Der 78,5 Meter hohe Mast vor dem Schloss Junkernhees trage Traversen, die mit bis zu 43 Metern doppelt so breit seien wie das Schloss. Se seien zum Teil gedreht, weil sie das gegenüber dem Schloss geplante Umspannwerk anbinden. „Von einer Blickdominante ‘Schloss Junkernhees’ als Ort mit funktionaler Raumbedeutung würde nichts mehr übrigbleiben.“ Eine Argumentation mit dem Landesentwicklungsplan, der den Schutz des Waldes als Ziel formuliert, werde „einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten“.

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Das sagt der Umwelt-Gutachter: Kahlschläge sind längst passiert

Zu der geänderten Planung hat die Stadt auch eine natur- und umweltschutzfachliche Stellungnahme beigefügt.

„Waldränder, die wegen eines benötigten Waldschutzstreifens aufgehauen werden müssen, verlieren ihre Waldrandfunktion auch bei einer verringerten Breite des Hiebstreifens“, kommentiert der Gutachter die schmalere Mastform.

Eine Rolle spielen auch die elektrischen und magnetischen Felder: Durch die Verschiebung der Masten werde die Belastung beim Hof Wurmbach geringer, bei anderen Standorten dagegen höher.

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In der Talaue des Heesbachs werde ein geschützter Landschaftsbestandteil durch die Baustellenzufahrten erheblich beeinträchtigt. Für die in den letzten Jahren vorgenommenen Verbesserungen seien Fördermittel der EU geflossen, die zweckgebunden seien. „Die Arbeiten zum Neubau der Stromtrasse führen dazu, dass diese Maßnahmen ihren Zweck nicht mehr erfüllen und die Entwicklung gestoppt wird.“

Zur von Amprion nicht verfolgten Meiswinkel-Variante durch den Wald erwähnt der Gutachter, „dass durch die Borkenkäfer-Kalamitätshiebe der vergangenen Jahre zusätzlich Trassen-Optimierungen unter Berücksichtigung der bereits erfolgten Kahlschläge möglich sind“. Dagegen sei die von Amprion gewählte Trasse weniger von Kahlschlägen betroffen. Auch deshalb müsse „zwingend eine vergleichende Neubewertung der beiden Trassen (...) vorgenommen werden“.

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