Siegen. Herzpatienten sollen in Siegen modernste Verfahren nutzen können: In der neuen Fachabteilung für Kardiologie am Diakonie Klinikum Jung-Stilling.
Was Kardiologie betrifft, sei Siegen „ein guter Ort, wo man etwas Großes aufbauen kann“, habe er sich vor einigen Jahren gedacht. Da arbeitete Prof. Dr. Dursun Gündüz an der Uni-Klinik Gießen-Marburg und hatte regelmäßig Patientinnen und Patienten aus dem Siegerland. Inzwischen ist das Große, das er vor Augen hatte, entstanden: Mit der Medizinischen Klinik II nahm zum 1. Januar am Diakonie Klinikum Jung-Stilling eine eigene Fachabteilung für Kardiologie, Angiologie und Rhythmologie den Betrieb auf.
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Das Ziel: Menschen, die in Siegen und Umgebung anspruchsvollste Hilfe bei Herzerkrankungen benötigen, sollen das Siegerland nicht mehr Richtung Bad Nauheim, Dortmund, Köln oder Leipzig verlassen müssen. Im Gegenteil: Der Standort soll auch zur Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten von außerhalb werden.
Siegen: Kardiologie, Angiologie und Rhythmologie am Diakonie Klinikum Jung-Stilling
Dursun Gündüz (Kardiologie & Angiologie) ist einer der beiden Chefärzte der Abteilung und bildet mit Privatdozent Dr. Damir Erkapic (Kardiologie & Rhythmologie) eine Doppelspitze. Auch Damir Erkapic wechselte von Gießen nach Siegen. Die beiden Spezialisten brachten komplexe moderne Verfahren mit und bauten die Medizinische Klinik in Zusammenarbeit mit der Krankenhausleitung von Null an mit auf.
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„Wir haben jede einzelne Steckdose zusammen geplant“, sagt Dursun Gündüz. Und er meint es wörtlich, denn alles sei auf optimale Benutzerfreundlichkeit, neueste Technik und kurze Wege ausgelegt worden. So wurde die Kardiologie von einer Sektion innerhalb des Hauses zu einer Fachabteilung, in der „alles möglich ist – außer Herzchirurgie“, wie Dursun Gündüz sagt. Der Ausbau erfolgte innerhalb einer langfristigen Strategie, erläutert Dr. Josef Rosenbauer, Geschäftsführer der Diakonie in Südwestfalen: „Das Diakonie Klinikum verfolgt seit Jahren ein medizinisches Konzept.“ Notfallversorgung spiele dabei eine große Rolle. Und eben eine Qualität des Angebots, das den Patientinnen und Patienten die Wege zu weit entfernten Behandlungsorten erspart.
Siegen: Minimalinvasive Herzklappen-OPs mit Mitra-Clips am Jung-Stilling-Krankenhaus
Vieles haben die beiden Experten und ihr Team am Stilling bereits vor dem Start der offiziellen eigenen Abteilung etabliert, etwa minimalinvasive Herzklappen-OPs über die Leiste mit so genannten Mitra-Clips. Das Verfahren ist noch relativ jung und wird insbesondere bei älteren Menschen mit mehreren Vorerkrankungen eingesetzt, bei denen Herzchirurgen das Risiko für eine Operation als zu hoch einschätzen. Wenn die Mitralklappe zwischen dem linken Vorhof und der linken Herzkammer nicht richtig arbeitet – weil sie nicht mehr richtig schließt –, kann Blut gegen die eigentlich vorgesehene Fließrichtung aus der Herzkammer zurück in den Vorhof dringen. Unregelmäßiger Herzschlag und Luftnot können die Resultate sein, schwerwiegende Folgen können auftreten.
Diverse Auszeichnungen
Die Kardiologie im Diakonie Klinikum Jung-Stilling erhielt in den vergangenen Jahren diverse Auszeichnungen: „Stätte der Zusatzqualifikation – Spezielle Rhythmologie“ der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, „Stätte der Zusatzqualifikation der interventionellen Kardiologie“ sowie die Zertifizierung als „Cardiac Arrest Center“. „Dies bedeutet, dass Patienten, die das Klinikum aufgrund eines Herz-Kreislauf-Stillstandes reanimiert erreichen, in diesem optimal versorgt werden“, wie die Diakonie in einer Mitteilung erläutert.
Hinter den Chefärzten stehen ein Dutzend weiterer Ärzte und ein etwa 80-köpfiges Team.
Über die Leiste dringt das Siegener Team dann mit einem Gerät ins Herz ein, dass die Spalte so mit einem Clip verschließt, dass der Rückfluss gestoppt wird. Der Eingriff hat spürbare Auswirkungen auf die Lebensqualität. „Patienten sind sehr dankbar, wenn sie danach wieder richtig atmen können“, sagt Dursun Gündüz – Luftnot mache für manche Menschen schließlich schon den Weg zur Toilette zur Strapaze. Dass dieses Verfahren nicht überall angeboten werden kann, liegt schlicht daran, dass es besondere Expertise erfordere. „Man braucht dafür Übung“, sagt der 48-Jährige. Das gelte für sehr vieles, was er und sein Kollege Damir Erkapic am Jung Stilling anbieten würden und was sie dort an andere Ärztinnen und Ärzte weitergeben. „Wir haben viel Erfahrung aus Gießen mitgenommen. Wir haben das dort jahrelang gemacht.“
Siegen: Neue Verfahren zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen am Jung-Stilling
Vieles habe sich in der Kardiologie in der jüngeren Vergangenheit entwickelt. In der Rhythmologie, Fachgebiet von Damir Erkapic, habe es in den letzten 15 Jahren einen regelrechten Schub gegeben, sagt der 42-Jährige. Um die Ursachen von Herzrhythmus-Störungen, an denen Patientinnen und Patienten oft über Jahre oder sogar von Geburt an leiden, herauszufinden, kann sein Team am Computer 3D-Modelle des individuellen Herzens erstellen. Über Klebeelektroden am Körper werden ein elektrisches und ein magnetisches Feld erzeugt, dank derer ein Katheter im Herz dieses innerhalb von zwei Minuten sozusagen abpausen kann – und das strahlungsfrei.
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In dieser 3D-Rekonstruktion lassen sich beispielsweise einzelne Bereiche und Zellen lokalisieren, deren Aktivität den Herzrhythmus stört – und die dann exakt verödet werden können. Für Betroffene endet damit oft eine lange Leidensgeschichte. „Viele Patientinnen und Patienten, die zu uns kommen, sind vorbehandelt“, sagt Damir Erkapic. Darunter seien auch Menschen, die das Siegerland vor Jahren zwecks Behandlung verlassen hätten – und die nun zurückkommen, um die neuen Optionen zu nutzen.
Diakonie Klinikum Jung-Stilling in Siegen: Kardiologie deckt große Bandbreite ab
Die beiden Spezialisten können diverse Veröffentlichungen vorweisen und besondere Fälle schildern, in denen sie helfen konnten. Möglich – das wird dabei deutlich – ist vieles; doch natürlich gibt es in der neuen Fachabteilung auch ein Tagesgeschäft. „Allein im vergangenen Jahr haben wir 550 rhythmologische Untersuchungen durchgeführt. Bei der Hälfte davon handelte es sich um komplexe Ablationen von Vorhofflimmern“, sagt Damir Erkapic.
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Da die Klinik neu aufgebaut wurde, konnten dabei die neusten technischen Entwicklungen integriert werden. Außerdem stehen die Modernisierungen zur Verfügung, die das Jung-Stilling-Krankenhaus im Zuge seiner langfristigen Strategie ohnehin schon vorgenommen hat – etwa die Hybrid-OPs. Es gibt ein elektrophysiologisches Labor, Herzkatheterlabore, Zugang zu MRT oder CT in der Radiologie. Im Anbau, der im Sommer fertig werden soll, wird sich darüber hinaus die neue Station befinden.
Dabei ist es den Chefärzten wichtig, „nur die Patienten stationär zu behandeln, die auch wirklich stationär behandelt werden müssen“, betont Dursun Gündüz. „Wer liegt schon gern im Krankenhaus?“
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