Niederschelderhütte. Adolf Kreutz war Industrieller, Abgeordneter und Neffe von Adolph Diesterweg. Die Hütte in Niederschelden trägt den Namen seiner Mutter.
Vor zweihundert Jahren wurde Adolf Kreutz, Gründer der Charlottenhütte, geboren. Die Ortschaft Niederschelderhütte verdankt es zwar nicht nur einem Menschen, dass sie, wie Landrat Boehm 1892 zur Bezirksregierung nach Koblenz berichtete, „in wenigen Jahrzehnten zu einem Industrieort mit Bergwerken, Eisenhütten, einer Dampf-Brauerei und dem Endpunkt einer Gruben-Eisenbahn emporgeblüht ist“. Doch dass der Gewerke Adolf Kreutz an der Entwicklung von Niederschelden und Niederschelderhütte den allergrößten Anteil hat, „kann nicht genug betont werden“, findet der Heimatverein Niederschelderhütte.
Die Ortsansicht von 1886 zeigt zwei Wirkungsstätten von Adolf Kreutz: Auf der linken Seite zu sehen ist die schon 1417 erwähnte Niederscheldener Hütte, deren Repräsentant Adolf Kreutz war, auf der rechten die nicht einmal drei Jahrzehnte alte Charlottenhütte, die von Adolf Kreutz gegründet wurde. Dazu kommen die Bergwerke Rosengarten, Knorrenberg und Charlotten-Erbstollen im Dreiborntal bei Niederschelderhütte, die Gewerke Adolf Kreutz ebenfalls als Repräsentant leitete. Mit diesem Blick auf den Ort verbanden die Menschen aus Niederschelderhütte die Erwartung, dass ihr Ort sich mit der Charlottenhütte auf der anderen Seite der Sieg weiterentwickelt.
Familie mit Diesterweg und Lederfabrikant Krämer in Ferndorf
Adolf Kreutz wurde am 18. Januar 1822 in Siegen als Sohn des aus Niederschelden stammenden Gewerken und Hüttenschulzen Jacob Kreutz und Frau Charlotte Christine Kreutz, geborene Diesterweg, geboren. Namengebender Taufpate war der wohl bedeutendste Pädagoge des 19. Jahrhunderts, Adolph Diesterweg. Wie sein ältester Bruder, Heinrich Kreutz, studierte Adolf das Berg- und Hüttenfach. Ein weiterer Bruder war der spätere Superintendent der Synode Siegen, Carl Kreutz. Die Schwester Henriette heiratete 1844 den Lederfabrikanten Friedrich Krämer in Ferndorf.
Aufstieg: Neuer Standort direkt an der neuen Bahnstrecke
Ein Thema stand in der Mitte des 19. Jahrhunderts ganz oben auf der Siegerländer Tagesordnung: die Bahnverbindung zur Ruhrkohle. Und die Geschwister Kreutz, nach dem Tod des Vaters am 16. September 1853 vertreten von Adolf Kreutz, wussten zu genau, dass, wenn die Bahnlinie durchs Siegtal gebaut wird, sie unmittelbar an ihren Liegenschaften in Niederschelden vorbeiführen muss.
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Adolf Kreuz stellte am 9. Mai 1855, auch im Namen seiner Geschwister, den Antrag zur Errichtung einer nur mit Koks betriebenen Eisenhütte. Den Namen „Charlotten-Hütte“ wählten die Geschwister Kreuz zu Ehren ihrer Mutter, die wenige Wochen zuvor, am 8. April 1855, das 75. Lebensjahr vollendet hatte. Nachdem am 10. Januar 1861 der erste Zug durchs Siegtal gefahren war, dauerte es dann doch noch einige Jahre, bis die Charlottenhütte mit dem ersten Hochofen in Betrieb ging. Er wurde am 22. Februar 1864 feierlich angeblasen. Und im Jahr 1867 stand der zweite Ofen unter Feuer. Als Vorstandsvorsitzender lenkte Adolf Kreutz viele Jahre die Geschicke der sich stetig vergrößernden Hütte.
Abschied: Juden-Hasser Stoecker nimmt dem Liberalen das Reichstagsmandat ab
Zum Ende der 1880er Jahre zog sich Adolf Kreutz aus seinen vielfältigen geschäftlichen Verpflichtungen zurück und übertrug sie seinem Sohn Jacob Kreutz. Auch seine öffentlichen Ämter gab er in jüngere Hände. Sein Reichstagsmandat hatte er, Mitglied der Liberalen Reichspartei, zuvor schon an Pastor Adolf Stoecker von den Christlich-Sozialen verloren, den gegen Juden agitierenden „Hofprediger“ aus Berlin. Die Stadt Siegen erinnert übrigens an beide Politiker mit Straßenschildern. Im Jahr 1887 beendete Kreutz seine Mitgliedschaft im Westfälischen Provinziallandtag und in der Siegener Handelskammer. Schweren Herzens legte er auch den Vorsitz im Siegener Stadtverordneten-Kollegium, dem er seit 1855 angehört hatte, nieder.
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Charlottenhütte wird am Ende Teil von Krupp
Wegen seiner angegriffenen Gesundheit verbrachte Adolf Kreutz seine letzten Lebensjahre in Königswinter, dem Heimatort seiner zweiten Frau Julie Kreutz, geb. Clarenbach. Dort starb er nach längerem Leiden im Alter vom 73 Jahren am 4. Juli 1895. In einem Nachruf heißt es: „Am 7. Juli - gleichzeitig mit dem 29-jährigen Todestage seines Oheims Adolph Diesterweg - fand in Siegen die Beerdigung statt; denn Adolf Kreutz wollte da, wo er gearbeitet und gelebt hatte, im geliebten heimatlichen Siegerlande zur letzten Ruhe bestattet werden.“
Der Kreuztaler Friedrich Flick trat 1915 in den Vorstand der Charlottenhütte ein, die 1926 Teil der Vereinigten Stahlwerke wurde und 1968/69 an die Stahlwerke Südwestfalen (später: Krupp) verkauft wurden. Der letzte Abstich des Hochofens erfolgte 1966.